The Well-Connected Domains: Ottoman History in a Transcultural Perspective

The Well-Connected Domains: Ottoman History in a Transcultural Perspective

Organizer(s)
Forschungsprojekt „Dynamic Asymmetries in Transcultural Flows at the Intersection of Asia and Europe: The Case of the Early Modern Ottoman Empire“, Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context", Universität Heidelberg; History Program, Sabancı Üniversitesi, Istanbul
Location
Istanbul
Country
Turkey
From - Until
19.12.2009 - 20.12.2009
Conf. Website
By
Tobias Graf, Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context", Universität Heidelberg

Am 19. und 20. Dezember 2009 fand im Sakıp Sabancı Museum, Istanbul, Türkei, ein Graduiertenworkshop mit dem Titel „The Well-Connected Domains: Ottoman History in a Transcultural Perspective“ statt.1 Dieser war das Ergebnis einer Initiative der graduate students des unter dem Dach des Exzellenzclusters „Asia and Europe in a Global Context“ arbeitenden Forschungsprojektes „Dynamic Asymmetries in Transcultural Flows at the Intersection of Asia and Europe: The Case of the Early Modern Ottoman Empire“ unter der Leitung von Thomas Maissen und Michael Ursinus und des „History Program“ der Sabancı Üniversitesi, Istanbul. Die inhaltliche Konzeption lag dabei vor allem bei Maximilian Hartmuth (Sabancı Üniversitesi), Aykut Mustak (Sabancı Üniversitesi) und dem Autor dieses Berichts, während Akşin Somel (Sabancı Üniversitesi) und Bojana Savic (Sabancı Üniversitesi) die praktische Organisation vor Ort übernahmen. Ermöglicht wurde diese Veranstaltung durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Sabancı Üniversitesi, Istanbul, und des Heidelberger Exzellenzclusters.

Ausgehend von jüngeren Entwicklungen innerhalb der Forschung zum Osmanischen Reich war es das Ziel dieses Workshops, sich kritisch mit der in der Vergangenheit vertretenen Ansicht auseinanderzusetzen, das muslimisch-asiatische Osmanische Reich habe einem christlich-europäischen Westen blockgleich gegenüber gestanden. Die Vorträge der Teilnehmer, welche allesamt auf laufenden oder kürzlich abgeschlossenen Forschungen beruhten, beschäftigten sich mit einer Fülle von Themen, die zwar das Osmanische Reich zum Zentrum hatten, sich aber nie allein auf die Osmanen konzentrierten. Dabei wurde gezeigt, wie eng miteinander verwoben das Reich und seine Nachbarn waren. Tatsächlich waren beide ‚Seiten‘ in gewisser Weise voneinander abhängig, schließlich waren sie, um es mit Molly Greenes Worten zu sagen, Teil einer „shared world“.2 Mit Ausnahme von Metin Kunt (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) und William O’Reilly (University of Cambridge, Großbritannien) handelte es sich bei allen Vortragenden um graduate students. Die Diskussionsleitung lag bei Hülya Canbakal (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) und Thomas Maissen (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg). Zudem nahmen mit Fikret Adanır (Sabancı Üniversitesi), Hakan Erdem (Sabancı Üniversitesi) und Michael Ursinus (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) Fakultätsmitglieder sowohl der Sabancı Üniversitesi als auch der Ruprecht-Karls-Universität an den Diskussionen teil.

HENRY SHAPIRO (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) eröffnete den Workshop mit einer vergleichenden Untersuchung der Rechtfertigung imperialer Macht in den Biographien Mehmeds des Eroberers (regierte 1443, 1444, 1451-1481) von Dursun Beğ und Kritovoulos von Imbros. Dursun Beğ berufe sich bei der Begründung osmanischer Herrschaft ausschließlich auf islamisch-religiöse Grundsätze: Mehmed regiere nicht nur von Gottes Gnaden, sondern die Existenz des Sultanats selbst sei essenziell für die Wahrung der rechten Weltordnung. Im Gegensatz dazu folge Kritovoulos klassischen griechischen und byzantinischen Vorlagen und verweise auf das Konzept der tyche: Demnach hätten die Osmanen das Herrschaftsrecht durch ihre Verdienste erworben. Shapiro zeigte die überraschenden Ähnlichkeiten zwischen den Ideen Dursun Beğs und der von Thomas Hobbes in Leviathan entwickelten Staatstheorie auf, ohne diese Ähnlichkeiten jedoch überzubewerten.

In seinem Vortrag über die politischen Faktionen in der Regierungszeit Mehmed III. (1595-1603) betonte AYKUT MUSTAK (Sabancı Üniversitesi, Istanbul), wie wichtig es für ein besseres Verständnis der Ausübung politischer Macht im Osmanischen Reich sei, nicht nur die Haushalte der Sultane und der Mitglieder der Sultansfamilie, sondern die aller politischen Akteure zu untersuchen. Denn meist war es schon die Zugehörigkeit zum Haushalt einer bestimmten Person, die über Erfolg oder Misserfolg einer politischen Karriere entschied. Mustak übte in diesem Zusammenhang harsche Kritik an stark von Netzwerktheorien beeinflussten Forschungsansätzen. Sie versäumten es, die Hierarchien innerhalb der Haushalte sowie die praktischen Barrieren zu beachten, die es dem einzelnen beinahe unmöglich machten, seine Haushaltszugehörigkeit zu ändern, und verfehlten es somit, die Problematik in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Auch wenn diese Einschätzung möglicherweise eine adäquate Charakterisierung der bisher verfügbaren Forschung sein mag, wurde diese Sicht in der Diskussion aus theoretischen Erwägungen heraus in Frage gestellt.

FABIAN STEININGER (Freie Universität Berlin) verglich frühneuzeitliche Diskurse über ‚den Anderen‘ in den Reichen der Osmanen und der Habsburger am Beispiel der Reiseberichte von Evliya Çelebi und Georg Christoph von Neitschitz. Die diskursiven Strategien der beiden Autoren ähnelten einander sehr und wechselten zwischen simpler Ablehnung und Neugier für fremde Gebräuche. In einigen Fällen gingen beide sogar so weit, so referierte Steininger, ihren Lesern die Übernahme besonders hilfreich erscheinender Praktiken der jeweils anderen Seite zu empfehlen.

Im Zentrum des Vortrags von GÜLÇİN TUNALI-KOÇ (Ruhr-Universität Bochum) stand Mahmud Efendis im 18. Jahrhundert verfasste Geschichte Athens. Der Text sei nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil es sich scheinbar um den ersten Versuch eines osmanischen Amtsträgers handelt, die Geschichte dieser Stadt einer muslimisch-osmanischen Leserschaft zugänglich zu machen. Zwar entstand das Werk in einer Zeit, in der in Europa das Interesse an der griechischen Antike wieder erwachte, doch scheint es mit dieser Bewegung in keinerlei Zusammenhang zu stehen. Als Motiv bedeutender sei höchst wahrscheinlich Mahmuds persönliches Interesse an der Vergangenheit eben jener Stadt, in der er lange Jahre als Richter (kadı) tätig war. Sicherlich scheint es naheliegend, diesen Text als einen eher dilettantischen Versuch abzutun, in dem es von Anachronismen nur so wimmelt. Ein wohlwollender Leser mag letztere aber ebenso als Versuch des Autors interpretieren, antike Konzepte und Institutionen für zeitgenössische osmanische Leser zu übersetzen.

HARUN KÜÇÜK (University of California, San Diego, USA) vermittelte einen Überblick über deutschsprachige Kommentare zu dem, was christliche Europäer im späten 17. Jahrhundert für ‚türkische Philosophie‘ hielten. Dabei zeigte er nicht nur die aufgrund des Mangels an Wissen und Interesse am ‚Anderen‘ zu erwartenden Missverständnisse und irrigen Vorstellungen auf, sondern wies auch auf die Verdienste solcher Autoren wie Samuel Schelwig hin. Letzterer näherte sich dem Thema mit überraschender Offenheit und Sympathie. Dies sei umso bemerkenswerter, als Schelwigs Arbeit allein auf in europäischen Sprachen verfügbarer Literatur basierte und er, zumindest soweit sich dies nachweisen lässt, niemals Zugang zu osmanischen Texten hatte.

Auf Grundlage ihrer Forschungen in Gerichtsregistern zur Sklaverei im Istanbul des 16. Jahrhunderts und den so genannten mukataba-Verträgen, die dem Sklaven nach einer festgelegten Dienstzeit die Freilassung in Aussicht stellten, unterstrich NUR SOBERS KHAN (University of Cambridge) die Bedeutung des Überquerens der rechtlich-sozialen Grenze zwischen Sklaverei und Freiheit im frühneuzeitlichen Mittelmeerraum. Diese Überquerung zog darüber hinaus notwendigerweise auch die Übertretung weiterer Grenzen, etwa solcher von Sprache und Religion, nach sich. Die historische Forschung zur Sklaverei im Mittelmeerraum sowie die Forschung zu eben jenen Grenzen, die im Zusammenhang der Sklaverei immer wieder überquert wurden, leisten somit einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis kosmopolitischer Identität in der Frühen Neuzeit. Aber nicht nur Personen überquerten diese Grenzen. Es gebe reichhaltige Belege dafür, dass auch juristische Formeln, wie sie zum Beispiel bei der Freilassung von Sklaven gebraucht wurden, zwischen den Sprachen und Rechtstraditionen entlang des Mittelmeers hin und her wanderten. Vor diesem Hintergrund wären weitere Forschungen zur Intertextualität rechtlicher Dokumente, die sich mit Sklaven beschäftigen, aus den verschiedenen Mittelmeerkulturen wünschenswert.

Anhand des Fallbeispiels des Renegaten Ladislaus Mörth untersuchte TOBIAS GRAF (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) das Renegatenphänomen im ausgehenden 16. Jahrhundert. Neuere Untersuchungen zum osmanischen Militär und der osmanischen Waffenindustrie hätten gezeigt, dass Renegaten für den Transfer von Waffen- und Schiffstechnologie von Europa ins Osmanische Reich von weitaus geringerer Bedeutung waren als in der Vergangenheit oft angenommen. Die Beispiele Mörths und anderer Renegaten deuteten darauf hin, dass sie als Gruppe, wenn überhaupt, für den osmanischen Staat vor allem in der Diplomatie sowie der Gewinnung und Analyse nachrichtendienstlicher Informationen (secret intelligence) relevant waren.

In seiner Untersuchung von Deserteuren und Kriegsgefangenen im Zusammenhang mit den osmanisch-russischen und osmanisch-habsburgischen Konflikten im späten 18. und frühen Jahrhundert zeigte WILL SMILEY (University of Cambridge), wie viel Handlungsspielraum diesen Individuen trotz ihrer Unfreiheit blieb. Sie verfolgten ihre Interessen durch geschicktes Manövrieren zwischen den verschiedenen Strukturen der Knechtschaft (Smiley sprach von „structures of servitude“), definiert durch Wehrpflicht, Gefangenschaft und Sklaverei/Leibeigenschaft. Egal ob dabei auf Behauptungen über spezielles Wissen und besondere Fähigkeiten, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation oder gar religiöse Konversion zurück gegriffen wurde, die Verhandlungen wurden stets durch eine Änderung der eigenen offiziellen Identität bestritten. Im Laufe der Diskussion wurde angeregt, dass es hilfreich sein könne, Desertion als eine prä-bürokratische Form der Emigration zu verstehen.

DENIZ ŞIMŞEK (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) erweckte mit Hilfe eines kurzen Dramas aus Pierre-François Viguiers 1790 veröffentlichter türkischer Grammatik das Istanbul des 18. Jahrhunderts zum Leben. Viguier sei in der Forschung bisher kaum beachtet worden, obwohl sein Grammatikbuch eine der faszinierendsten Quellen nicht nur für Historiker, sondern auch für historisch arbeitenden Sprachwissenschaftler sei. Denn die phonetische Schreibweise des Textes erlaube einen außergewöhnlichen Zugang zum gesprochenen Osmanisch, wie es in der Hauptstadt des Reiches am Ende des achtzehnten 18. Jahrhunderts verwendet wurde.

Die britische Sicht auf die unmittelbaren Auswirkungen der Französischen Revolution im Osmanischen Reich, insbesondere Istanbul, war das Thema des Beitrags von PASCAL FIRGES (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg). Robert Ainslie, der britische Botschafter in Istanbul, zeigte sich in seinen Berichten nach London höchst besorgt über die Verteilung französisch-republikanischer Propagandaschriften, das Tragen von Kokarden und solche revolutionären Festakte wie das Pflanzen des Freiheitsbaums. Seine Bemühungen, die Osmanen zur Intervention zu bewegen, zeigten indes keine Wirkung. Die Hohe Pforte beharrte darauf, dass es sich um interne Angelegenheiten der Franzosen handelte, die man tolerieren würde, solange sie die öffentliche Ordnung nicht gefährdeten.

WILLIAM O’REILLY (University of Cambridge) eröffnete eine neue Sichtweise auf das millenarische Gedankengut Sabbatai Zevis. Das Werk des selbsternannten Messias lege nahe, dass er mit einem prophetischen Text aus dem christlichen Europa des 16. Jahrhunderts vertraut war, der zu dieser Zeit jedoch lediglich als Manuskript zirkulierte und selbst in Europa nur einer Handvoll Menschen bekannt war. Durch die gewissenhafte Rekonstruktion der kommerziellen und Korrespondenznetzwerke, in die Zevi eingebettet war, stieß O’Reilly auf eine unerwartete Verbindung nach England, wo noch heute eines der Originalmanuskripte lagert.

CHRISTIAN ROTH (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) stellte eine Auswahl an Rechtsfällen vor, die er während seiner Forschungen in Gerichtsurkunden (hüccets) aus dem 18. Jahrhundert fand. Die Dokumente beziehen sich auf verschiedene Inseln der Ägäis und lagern im Archiv des orthodoxen Klosters auf der Insel Patmos. Vor dem Hintergrund, dass nur eine kleine muslimische Minderheit auf den Ägäis-Inseln lebte, falle die Häufigkeit auf, mit der Christen den osmanisch-islamischen Richter (kadı) selbst in inner-christlichen Angelegenheiten anriefen. Auch wenn noch weitere Forschungen nötig seien, um diese These zu bestätigen, so lege dieser Umstand doch nahe, dass die christlichen Untertanen des Sultans ohne große Mühe zwischen den verschiedenen Rechtskulturen hin und her wechselten, um für sich die vorteilhafteste Lösung zu erwirken.

Der britische Konsul Charles Blunt und die Frage, welche Rolle er bei der Umsetzung lokaler Reformen in Thessaloniki am Vorabend der Tanzimat spielte, bildeten den Schwerpunkt im Vortrag von GÜLAY TULASOĞLU (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg). Nicht nur Blunt selbst leistete einen wichtigen Beitrag zur Einführung von Quarantänemaßnahen in dieser bedeutenden Hafenstadt. Die Quellen legten darüber hinaus nahe, dass der britische Botschafter in Istanbul sowie das Foreign Office in London ihre Konsuln bewusst darin bestärkten, ihren Einfluss auf lokale Entscheidungsträger im Dienste einer ‚Modernisierung‘ geltend zu machen. Man hoffte, dass die gut informierten Konsuln das Osmanische Reich aufgrund ihrer engen Kontakte zur Obrigkeit von dem, was in britischen Augen kaum mehr als Ineffizienz und Korruption waren, befreien könnten.

Vor dem Hintergrund des innerhalb der Osmanistik erwachten Interesses an Museen und Archäologie präsentierte MAXIMILIAN HARTMUTH (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) den Fall einer privaten Initiative zur Gründung eines ‚Museums‘ im osmanischen Bosnien um das Jahr 1850. Das Projekt sollte den Verlust von Antiquitäten an Sammler und Museen im Ausland verhindern. Vorangetrieben wurde es von einem Mönch und Schriftsteller mit guten Beziehungen zur Illyrischen Bewegung im habsburgischen Süden. Er war nicht nur inbrünstiger Anhänger der Tanzimat, sondern konnte auch die Freundschaft des osmanischen Gouverneurs gewinnen, der das Reformprogramm in Bosnien umsetzen sollte. Letzten Endes scheiterte das Projekt am politischen Aktionismus seines Initiators.

Ausgehend von dem von Joep Leersen geprägten Begriff der cultivation of culture verglich und kontrastierte MARLOES CORNELISSEN (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) die Rolle von Museen im späten Osmanischen Reich und der frühen Türkischen Republik. Weitaus deutlicher als im zeitgenössischen Europa transportierten die Ausstellungen in osmanischen und türkischen Museen Botschaften, die die jeweiligen Staaten in Relation zu ihren europäischen Nachbarn situierten. Wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise, hätten diese Institution in beiden Epochen einen Anspruch auf Modernität und Zugehörigkeit zum ,Club' der Nationen Europas repräsentiert. Dass die Osmanen dabei museale Modelle nie vollständig aus Europa übernahmen, sei nicht zuletzt ein Versuch gewesen, im Angesicht der imperialistischen Bedrohung durch die europäischen Mächte die eigene Autonomie zu behaupten.

GIZEM KAŞOTURACAK (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) beschäftigte sich mit Missionsschulen in Anatolien während des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dabei galt ihr Hauptaugenmerk vor allem den Aktivitäten US-amerikanischer Missionare. Der Erfolg dieser Missionsschulen lässt sich größtenteils auf den mehrsprachigen Unterricht zurückführen. Dieser machte derartige Institutionen gerade für Familien interessant, die entweder über einen kaufmännischen Hintergrund verfügten oder in den freien Berufen tätig waren. Allerdings blieb die Attraktivität solcher Einrichtungen in erster Linie auf den weltlichen Aspekt der Unterrichtsqualität beschränkt, denn häufig verteilten Familien ihre Kinder auf Schulen verschiedener Konfessionszugehörigkeit. Dennoch war die amerikanische Mission unter den Armeniern so erfolgreich, dass die Hohe Pforte letztendlich eigenständige armenisch-katholische und armenisch-protestantische Gemeinschaften (millets) anerkennen musste.

Einem häufig vergessenen Aspekt internationaler Betätigung der USA widmete sich ADAM MCCONNEL (Sabancı Üniversitesi, Istanbul). Er berichtete von den zahlreichen amerikanischen Offizieren, die im 19. Jahrhundert unter den Khediven im ägyptischen Militär dienten und dessen Modernisierung unterstützten. Obwohl es sich hierbei keineswegs um formale Militärhilfen für Ägypten seitens der Regierung der Vereinigten Staaten handelte, scheint letztere zumindest ihr Einverständnis zu diesem Dienst gegeben zu haben. Während der Diskussion stellte sich heraus, dass ähnliche Verbindungen unter anderem auch mit Mexiko bestanden. Da es sich bei der Mehrheit der in Ägypten dienenden amerikanischen Offiziere um Personen handelte, die während des Sezessionskriegs auf Seiten der Konföderierten gestanden hatten, liege der Schluss nahe, dass die Zustimmung der US-Regierung zu einer derartigen Betätigung im Ausland als eine Art Überdruckventil für potenziell entfremdete und unzufriedene Karrieresoldaten fungierte.

JOHN BURMAN (University of Cambridge) skizzierte in seinem Beitrag die strittigen Fragen zwischen Großbritannien und dem Osmanischen Reich während der Amtszeit des britischen Botschafters in Istanbul, Sir Nicholas O’Conor (1898-1908), als beide Seiten die Möglichkeiten für eine gemeinsame Allianz abtasteten. Burman porträtierte Abdülhamid II. als einen fähigen Diplomaten, der in vollem Bewusstsein über die sich verändernde Position der Osmanen gegenüber den europäischen Mächten versuchte, die Unabhängigkeit seines Reiches durch aktive Neutralität zu wahren. Dabei bewegte er sich zwischen den einzelnen Mächten hin und her, ohne jedoch formelle Bündnisse einzugehen.

In seiner Ansprache zum Abschluss des Workshops reflektierte METIN KUNT (Sabancı Üniversitesi, Istanbul) über die Suche nach einem geeigneten Interpretationsrahmen für die Geschichte des Osmanischen Reiches. Auch wenn der osmanische Staat viele einzigartige Merkmale aufweise, sei er dennoch nicht so einzigartig, dass er sich einem Vergleich mit anderen politischen Gebilden entziehen dürfe. Der Ansatz der Turco-Persian statecraft mache einen großen Schritt in die richtige Richtung, sei aber so nicht ausreichend und flexibel genug, um den osmanischen Staat in all seinen Charakteristika zu fassen. Daher schlug er eine Erweiterung des interpretativen Rahmens vor, der ganz Innerasien und die unmittelbar angrenzenden sesshaften Gesellschaften erfassen solle. Ein solcher Rahmen hätte auch zur Folge, dass die Forschungen zum Osmanischen Reich stärker in einen globalen Kontext eingebunden würden. Während der nachfolgenden Diskussion wurde alsbald auf die grundlegende Spannung zwischen dem historischen Vergleich, welcher die Annahme bedingt, die zu vergleichenden Entitäten seien statisch, und dem an Einfluss gewinnenden Konzept der sich ständig verschiebenden und durchlässigen Grenzen hingewiesen. Nichtsdestotrotz hätten die beiden Ansätze in der Praxis durchaus das Potenzial, sich gegenseitig zu ergänzen.

Zwar nicht ganz überraschend, aber doch deutlich klarer als von den Organisatoren zunächst erwartet, erwies sich die Überquerung von Grenzen – ob politisch, geographisch, rechtlich, sozial oder kulturell – als ein Impuls, der die in diesem Workshop diskutierten historischen Phänomene grundlegend formte. Dass das Osmanische Reich fortwährend mit Menschen aus und in Regionen außerhalb des Herrschaftsbereiches des Sultans interagierte, war unumstritten, auch wenn der Grad dieser Interaktionen und ihre Auswirkungen es sein mögen. Die Vorträge genauso wie die Diskussionen, die sie auslösten, haben deutlich gezeigt, dass unser Verständnis der osmanischen Geschichte von einer Würdigung des größeren Kontextes, an dem das Reich teilhatte, nur profitieren kann. Die Verbindung zwischen Zevi und England verdeutlichte dies vielleicht am spektakulärsten. Ebenso bezeugte dies aber auch der Umstand, dass ein französisches Drama aus dem 18. Jahrhundert die zeitgenössische Sprache Istanbuls wieder auferstehen lassen kann. Im Gegenzug wären aber auch Historiker anderer Erdteile – und hier nicht zuletzt die ‚traditionellen‘ Europahistoriker – gut beraten, ein größeres Bewusstsein für das Osmanische Reich zu entwickeln. Immerhin war dieser Staat viele Jahrhunderte lang ein wichtiger Bestandteil Europas – sowohl im politischen als auch im kulturellen Sinne.

Konferenzübersicht:

Panel 1

HENRY SHAPIRO (Sabancı University, Istanbul), Contrasting Justification for Imperial Power in the Histories of Kritovoulos of Imbros and Dursun Beğ
AYKUT MUSTAK (Sabancı University, Istanbul), Political Factions under Mehmed III (1595-1603)

Panel 2

FABIAN STEININGER (Freie Universität Berlin, Germany), Ethnological Interest or Vision of the Archenemy?: European and Ottoman Discourses of the Other as Reflected in the Works of Georg Christoph von Neitschitz and Evliya Çelebi
GÜLÇİN TUNALI-KOÇ (Ruhr-Universität Bochum, Germany), Writing a History, Narrating an Image: Representation of Athens for the Eighteenth Century Ottoman Audience
HARUN KÜÇÜK (University of California, San Diego, USA), Enlightened visions of Turkish Philosophy from Samuel Schelwig to Jakob Brucker

Panel 3

NUR SOBERS KHAN (University of Cambridge, UK), Reading Slaves in the sicils: Textual and Linguistic Analysis of the şeriyye sicilleri
TOBIAS GRAF (Heidelberg University, Germany), Ladislaus Mörth: An Unusual Renegade?
WILL SMILEY (University of Cambridge, UK), Negotiating Captivity and Desertion in Eighteenth-Century Ottoman-Russian Conflicts

Panel 4

DENİZ ŞİMŞEK (Sabancı University, Istanbul), Dead or Alive: The World of Pierre-François Viguier
PASCAL FIRGES (Heidelberg University, Germany), The French Revolution in Istanbul and the Ottoman Empire: The British Perspective

Panel 5

WILLIAM O'REILLY (University of Cambridge, UK), Trade, Print and Religious Radicalism in the Seventeenth-Century Atlantic and Mediterranean
CHRISTIAN ROTH (Heidelberg University, Germany), The Eighteenth-Century Aegean as a Theatre of Transcultural Flows
GÜLAY TULASOĞLU (Heidelberg University, Germany), A European Consul in the Ottoman Empire between Observation and Participation: Charles Blunt 'Their Majesties' Consul in Salonica on the Eve of the Tanzimat

Panel 6

MAXIMILIAN HARTMUTH (Sabancı University, Istanbul), A Civic Initiative for the Foundation of a Museum in the Ottoman Province around 1850: A Multi-Sited History
MARLOES CORNELISSEN (Sabancı University, Istanbul), Museology as Cultivation of Culture in the Late Ottoman Empire and Early Turkish Republic

Panel 7

GİZEM KAŞOTURACAK (Sabancı University, Istanbul), Missionary Schools in Late Nineteenth-Century Anatolia
ADAM MCCONNEL (Sabancı University, Istanbul), The Cultural Roots of Turkish-American Relations: Late Nineteenth-Century Relations between the Ottoman Empire and the U.S.
JOHN BURMAN (University of Cambridge, UK), The Question of a British-Ottoman Alliance, 1898-1908

Abschlussdiskussion
METIN KUNT (Sabancı University, Istanbul), [Ansprache ohne Titel]

Anmerkungen:
1 Eine englische Übersetzung dieses Berichts ist unter <http://www.asia-europe.uni-heidelberg.de/en/research/a-governance-administration/a7/events/istanbul2009.html> verfügbar. Der Autor dankt den Vortragenden herzlich für ihre Unterstützung bei der Formulierung dieses Berichts. Besonderer Dank für zahlreiche Anregungen, Vorschläge und Korrekturen gilt Christian Roth, Pascal Firges und Maximilian Hartmuth.
2 Molly Greene, A shared world: Christians and Muslims in the early modern Mediterranean, Princeton 2000; vgl. hierzu auch Suraiya Faroqhi, The Ottoman Empire and the world around it, London 2004.


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Published on
02.03.2010
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