C. May u.a.: Intellectual Property Rights

Title
Intellectual Property Rights. A Critical History


Author(s)
May, Christopher; Sell, Susan K.
Published
Extent
253 S.
Price
$ 55.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, Institut für Kulturwissenschaften, Universität Leipzig

Innerhalb weniger Jahre hat das Thema geistiges Eigentum es geschafft, auf der politischen Agenda sowohl national als auch international in die vorderste Reihe aufzurücken und zu einem Gegenstand zu werden, über den die meisten Kommentatoren sich sorgenvoll äußern. Besorgnis erregt weniger der Umstand, dass Wissen, Informationen und kulturelle Güter privates, individuelles Eigentum sein können, als vielmehr das Ausmaß der Privatisierung stoffloser Güter, das in irgendeiner Form jede Person betrifft und das teilweise große gesamtgesellschaftliche Folgekosten in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen provoziert: der Gebrauch von Software, Datenbanken und die umstrittene Beschränkung von Zugriffsrechten der Nutzer bei digitalisierter Musik und Videos mit Hilfe von Digital Rights Management, Konflikte über den Grad öffentlicher Zugänglichkeit zu wissenschaftlichem Wissen, die Erzeugung und der Verkauf von biotechnologischen und pharmazeutischen Produkten mit erheblichen Konsequenzen für das öffentliche Gesundheitswesen besonders in Entwicklungsländern, rechtliche Hürden für den Transfer von Technologien und schließlich die immer wieder in Erscheinung tretende Propertisierung von indigenem bzw. traditionellem Wissen und kulturellen Traditionen. Die kritische Diskussion dieser Entwicklungen wird vor allem in den letzten Jahren immer mit der World Trade Organization (WTO) und dem von ihr verwalteten TRIPs-Abkommen (Trade Related Aspects of Intelllectual Property Rights) in Zusammenhang gebracht, das auf der Basis europäischer und angloamerikanischer Rechtsstandards einen Mindeststandard für den Schutz geistigen Eigentums formuliert, der für jeden Mitgliedsstaat der WTO verpflichtend ist.

Christopher May und Susan K. Sell gehen mit ihrem Buch der Frage auf den Grund, wie es dahin kommen konnte, dass das TRIPs-Abkommen geistiges Eigentum primär zugunsten der Rechteinhaber modelliert, für die es starke, global gültige Exklusionsrechte festschreibt, die den Nutzern immaterieller Güter, das sind alle Mitglieder einer Gesellschaft, nur einen engen und stark eingeschränkten Handlungsspielraum lassen. Von dieser Frage ausgehend rollen die Autoren die Geschichte des geistigen Eigentums auf. Sie konzeptualisieren geistige Eigentumsrechte als einen Regelmechanismus, der historisch in dem Moment in Erscheinung tritt, sobald die Erfindung des modernen Buchdrucks die Vervielfältigung von Wissen in Form von Büchern ermöglicht und Bücher in der Folge zu einem Gegenstand von Handel, Zoll- und Wirtschaftspolitik werden. Entgegen der Auffassung, geistiges Eigentum sei ein rein technisch-rechtlicher Gegenstand, dessen Handhabe primär Juristen beschäftigen sollte, betonen Sell und May, dass geistiges Eigentum ein historisch gewachsenes Konzept ist, das sich über einen langen Zeitraum national differenziert entwickelt hat, dessen rechtstheoretische Ausarbeitung besonders im 18. und 19. Jahrhundert politisch jeweils hoch umstritten war und das je nach Raum und Zeit die individuelle Leistung des Urhebers, die mit dem geistigen Eigentumsrecht anerkannt und geschützt wird, unterschiedlich bewertete. Entsprechend widmen May und Sell ihre Aufmerksamkeit der historischen Genese der Narrative und Begründungsmuster, die in der aktuellen Diskussion über geistiges Eigentum als Argument für starke Ausschlussrechte verwendet werden, und untersuchen, wann und wie diese Narrative entstanden und in welchen historischen Konfliktfeldern sie weiterentwickelt wurden. Diese Narrative sind die auf John Locke zurückgehende, naturrechtlich begründete Arbeitstheorie, ein von der deutschen Philosophie der Aufklärung, besonders von Hegel, entlehnte Auffassung, dass die Eigentümerschaft an Dingen an die soziale Existenz eines Individuums gebunden sein muss, und schließlich ein sozioökonomischer, funktionaler Ansatz, der Eigentumsrechte als das denkbar effizienteste Verteilungsprinzip denkt. Die konkrete historische Ausformulierung dieser ideengeschichtlichen Begründungen geistiger Eigentumsrechte bewerkstelligen die Autoren, indem sie den sich wandelnden Umgang mit geistigen Eigentumsrechten seit dem 15. Jahrhundert auf materieller (Informationstechnologien), institutioneller (Verrechtlichung geistigen Eigentums) und ideologischer Ebene untersuchen.

Diesen analytischen Zugriff buchstabieren May und Sell in fünf Kapiteln aus: Ein Kapitel, das sich neben einem Schnelldurchgang durch Antike und Mittelalter vor allem auf die ersten Patent- und Druckregelungen im 15. Jahrhundert in Venedig konzentriert, ein Kapitel zur ersten europäischen Urheberrechtsgesetzgebung im 18. Jahrhundert in England, und jeweils ein Kapitel zum 19., 20. und 21. Jahrhundert. Diese Kapitel enthüllen eine erste Schwäche des Buches. Obwohl die Autoren in den einführenden Kapiteln sagen, dass die Geschichte des geistigen Eigentums primär eine Geschichte der westlichen Gesellschaften ist, die ihre wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Verteilungsmechanismus im Verlaufe des 20. Jahrhunderts mit Hilfe internationaler Abkommen global oktroyierten, und obwohl die Autoren immer wieder nationale Unterschiede und die rechtliche und ideologische Pluralität bei der Begründung geistiger Eigentumsrechte hervorheben, erreichen sie in ihrer historischen Darstellung keine Spiegelung dieser Vielfalt. Unterschiedliche nationale Entwicklungen werden nur selten verglichen und kommt es doch dazu, dann zumeist nur im Schnelldurchgang und nicht systematisch. Das Kapitel zum 19. Jahrhundert hat nur noch wenig regionalen Fokus. Es konzentriert sich stattdessen auf die internationale Rechtsentwicklung und auf die Rolle von Patenten bei der Gründung von internationalen Wirtschaftskartellen, was am Beispiel Deutschland und USA ausgeführt wird. Das Kapitel zum 20. Jahrhundert beschäftigt sich ausschließlich mit den USA und ihrem sich wandelnden Verhältnis zu geistigen Eigentumsrechten. Bis in die 1980er Jahre hinein herrschte Skepsis gegenüber diesen Rechten vor, weil sie aufgrund ihrer Verwicklung in Vorkriegskartelle politisch diskreditiert schienen. In den 1980er Jahren entdeckten dann US-amerikanische Wirtschaftsakteure, Rechtsprechung und Gesetzgebung das geistige Eigentumsrecht als ein wirkungsvolles Instrument der Wirtschaftsförderung wieder und weiteten ihre Bemühungen für die Ausweitung geistiger Eigentumsrechte auch auf die internationale Ebene aus. Entsprechend beschreiben die Autoren in dem verhältnismäßig längsten Kapitel über das 21. Jahrhundert die Ausarbeitung und Verabschiedung des TRIPs-Abkommens als eine beinahe ungebremste Umsetzung US-amerikanischer pressure groups.

Dieses Buch verdient beides, großes Lob und Kritik. Kritisch zu begutachten ist die historische Darstellung und ihre Rolle im Text. Letztlich ist das Buch ein Pamphlet gegen das TRIPs-Abkommen, indem wort- und kenntnisreich auf Fallstricke hingewiesen wird, die ein global vereinheitlichtes, nicht auf lokale Traditionen, Wirtschaftsstrukturen und Handlungsmotivationen Rücksicht nehmendes Regime geistigen Eigentums produziert. Die historische Darstellung dient dem Zweck, die Naturalisierung des TRIPs-Abkommens durch seine Befürworter zu attackieren und zu zeigen, dass geistige Eigentumsrechte ein historisch konstruiertes, sozial, wirtschaftlich, politisch und kulturell immer wieder neu definiertes Bündel von Handlungsrechten sind, die umstritten sein können und deswegen immer wieder aufs Neue gesellschaftlich ausgehandelt werden müssen. Jedoch schöpft die historische Darstellung dieses Potential nicht aus, weil sie nämlich tatsächliche nationale Differenzen nicht prägnant herausarbeitet, sondern sich gerade im hinteren Teil damit begnügt, auf die unterschiedlichen Konzeptionen geistigen Eigentums nur hinzuweisen und seine Geschichte als Beleg dafür anzuführen, dass das TRIPs-Abkommen auch mit einem anderen Inhalt denkbar wäre. Zudem birgt eine Erklärung des TRIPs-Abkommens als US-amerikanischer Wirtschaftsimperialismus gewisse Einseitigkeiten, weil sie die seit dem späten 19. Jahrhundert stattfindende Gründung internationaler Organisationen für die internationale Verregelung und Verwaltung geistiger Eigentumsrechte, auf deren institutionellen Vorbildern das TRIPs-Abkommen aufbaut, gar nicht reflektiert.

Aber dieses Buch verdient auch großes Lob. Denn es weist mit aller Deutlichkeit und Vehemenz auf die rechtssystematische und rechtstheoretische Einseitigkeit des TRIPs-Abkommens hin und erinnert stattdessen an historisch begründete, alternative Konzeptionen, die geistige Eigentumsrechte als einen Mechanismus begreifen, der eine Balance zwischen privaten und öffentlichen Interessen schaffen soll und der kurzfristige Ausschlussrechte nicht als ein exklusives Verwertungsrecht gewährt, sondern um Anreize für Innovationen und Kreativität zu schaffen, die der Allgemeinheit zu Gute kommen sollen. In diesem Sinne steckt das Buch voller wertvoller Hinweise und Argumente, die für die aktuelle politische Diskussion sehr relevant sind. So ist das Buch jedem zu empfehlen, der einen problemorientierten, reflektierten und kritischen Einstieg in die Thematik bekommen möchte.

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18.01.2008
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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