C. Seville: The Internationalisation of Copyright Law

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Title
The Internationalisation of Copyright Law. Books, Buccaneers and the Black Flag in the Nineteenth Century


Author(s)
Seville, Catherine
Series
Cambridge Intellectual Property and Information Law 8
Published
Extent
354 S.
Price
£ 55.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, Universität Heidelberg

In ihrem neuen Buch nähert sich Catherine Seville den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Aufgaben, Funktionen und Grenzen geistiger Eigentumsrechte im Zeichen digitaler Medien und Vervielfältigungstechniken aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts. Einleitend erklärt sie, dass geistige Eigentumsrechte sich im Verlauf der letzten zwei Jahrhunderte als ein effektives und vor allem flexibles Rechtsinstrument erwiesen hätten. Insbesondere im 19. Jahrhundert seien Urheberrechte wegen ihrer andauernden inhaltlichen und geographischen Ausweitung und der damit einhergehenden Verteilungskonflikte mehrfach national und international ins Kreuzfeuer geraten. Aber trotz vehementer Grundsatzdiskussionen, die sich laut Seville nicht nur auf Rechtsexperten beschränkten, sondern in der Verbindung mit Themen wie Freihandel, Protektionismus, Informationsfreiheit und Verfassungsautonomie mit großer öffentlicher Resonanz diskutiert wurden, sei das geistige Eigentum aus diesen Konflikten politisch gestärkt hervorgegangen und zu einem zentralen Instrument zur Steuerung von Kultur, Medien und Bildung avanciert. Deswegen, so ihr Argument, helfe eine genaue Analyse der Argumente und Strategien der historischen Akteure, um das Urheberrecht den gegenwärtigen Herausforderungen des, wie sie es nennt, „cyberspace“ anzupassen: „Viewed from a historical perspective, many of these ‚new’ challenges may be seen simply as fresh presentations of familiar dilemmas which copyright law has attempted to address in the past. [...] Until these have been considered, it is premature to abandon existing mechanisms.“ (S. 2).

Dieser analytische Rahmen verweist auf die wesentlichen Elemente, die die Studie von Seville zu einem im hohen Maße lesens- und empfehlenswerten Buch machen. Im Unterschied zur Mehrzahl rechtshistorischer Forschungen über geistiges Eigentum, die sich dem Thema vor allem dogmengeschichtlich nähern, indem sie Gesetzgebung und Rechtspraxis fokussieren, richtet Seville ihr Augenmerk auf gesellschaftliche Kontorversen und die politische Praxis, die dem geistigen Eigentumsrecht im 19. Jahrhundert ihren Stempel aufdrückten. Dabei kommt sie zur Feststellung, dass insbesondere die britische Rechtsentwicklung, auf der ihre Aufmerksamkeit liegt, überhaupt nur nachvollzogen werden kann im Kontext des britischen Kolonialreiches (in diesem Fall vor allem Kanada) und der wirtschaftlichen Globalisierungsprozesse im 19. Jahrhundert. Denn die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Interessenskonstellationen von kolonialem und britischem Buchhandel sowie die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der europäischen und in diesem Fall insbesondere der nordamerikanischen Gesellschaften brachten die britische Rechts- und Medienpolitik so stark in Zugzwang, dass die britische Rechtsentwicklung primär als Reflex auf internationale kultur- und rechtspolitische Entwicklungen verstanden werden muss. Es ist diese Einbettung eines erst einmal klassisch rechtshistorischen Gegenstandes in kolonial-, wirtschafts- und globalhistorische Fragestellungen, die es Seville erlauben, geistige Eigentumsrechte als ein Problem mit genuin globaler Reichweite zu beschreiben und so neue Einsichten über die europäische Rechtsentwicklung und ihre Abhängigkeit von medien- und rechtspolitischen Entwicklungen in den nordamerikanischen Gesellschaften im 19. Jahrhundert zu gewinnen.

Seville setzt dieses Programm in vier Kapiteln um, die von zwei einleitenden und einem abschließenden Kapitel begleitet werden, das den Bogen vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart schlägt. Das erste Hauptkapitel widmet sich dem weltweit ersten multilateralen Urheberrechtsvertrag, der Berner Konvention von 1886. Hier zeigt Seville, dass die Einigung der den europäischen Buchhandel dominierenden Staaten wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf einheitliche internationale Schutzstandards vor allem aus der Unzulänglichkeit bilateraler Abkommen und der Einsicht zu erklären ist, dass eine rein nationale Rechts- und Kulturpolitik gegenüber einem international agierenden und vor Nachdruck oder unerlaubten Übersetzungen nicht zurückschreckenden Buchhandel machtlos war. Das zweite Hauptkapitel thematisiert den kanadischen Buchhandel im 19. Jahrhundert. Seville interpretiert seine geographische Nähe zu den USA und seine gleichzeitige politische und rechtliche Abhängigkeit von Großbritannien als das zentrale Dilemma, das die internationale Angleichung geistiger Eigentumsrechte und die zumindest partielle rechtliche Emanzipation Kanadas von der britischen Urheberrechtsgesetzgebung beschleunigte. Da die USA kein Mitglied der Berner Konvention waren und die britische Gesetzgebungen zugleich den in den Kolonien gedruckten Büchern lange Zeit keinen Rechtsschutz gewährte, wurde der kanadische Markt mit illegalen Nachdrucken überschwemmt, die die Verlage im britischen Mutterland ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzten. Nach langwierigen Auseinandersetzungen erlaubten der Imperial Copyright Act und das kanadische Urheberrechtsgesetz, beide von 1911, Kanada eine teilweise von Großbritannien eigenständige Urheberrechtspolitik. Zudem erhielt Kanada die Möglichkeit, unabhängig von Großbritannien Vorbehalte gegenüber der Berner Konvention zu formulieren, um sich auf diese Weise besser gegenüber dem US-amerikanischen Buchmarkt zu schützen. Das dritte Hauptkapitel zeichnet das konfliktreiche Verhältnis zwischen den USA und Großbritannien im Feld des geistigen Eigentums im Verlauf des 19. Jahrhunderts nach, das lange einer Lösung entbehrte, weil die USA sich erst ab den 1890er-Jahren bereit fanden, die Rechte ausländischer Autoren und Verlage auf US-amerikanischem Territorium anzuerkennen – wenn auch auf eine Art und Weise, die weiterhin Empörung unter den europäischen Zeitgenossen auslöste. Die Stärke dieses Kapitels liegt darin, dass Seville den Fortgang von Gesetzgebung und Rechtsprechung in die Geschichte der Formierung von Interessengruppen einbettet, ihre Aktivitäten analysiert und transatlantische Interaktionen nachzeichnet. Das letzte Hauptkapitel analysiert schließlich die Konsequenzen dieser internationalen, kolonialen und transatlantischen Streitigkeiten für die nationale britische Urheberrechtsgesetzgebung im 19. Jahrhundert.

Seville schließt das Buch mit der Frage, welche Aspekte dieser kontroversen und von einer Vielzahl von Kompromissen gezeichneten Geschichte der Internationalisierung von Urheberrechten im 19. Jahrhundert für die heutige Diskussion relevant sein könnten, die zwischen den Polen einer gänzlichen Abschaffung geistiger Eigentumsrechte einerseits und einer weitgehenden Beschneidung der Rechte von Nutzern und Rezipienten zugunsten von Autoren und Verwertern andererseits schwankt. Die Autorin plädiert dafür, Urheberrechte wieder viel stärker als ein Instrument wahrzunehmen, das verschiedene Funktionen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie Medien-, Kultur-, Wirtschafts- und Bildungspolitik erfüllt. Deswegen, so ihr Fazit, sollten geistige Eigentumsrechte von jeglicher Teleologie befreit und vielmehr als ein Instrument der Balance und des Ausgleichs konkurrierender gesellschaftlicher Interessen auf nationaler und internationaler Ebene begriffen werden. Mit diesem Bogen in die Gegenwart legt Catherine Seville eine Studie vor, die die Probleme und Konsequenzen der Nationalisierung und Internationalisierung geistiger Eigentumsrechte unter den Bedingungen eines weltweit expandierenden Medienmarktes und der damit einhergehenden Vervielfachung der beteiligten Interessen spannend und auf hohem Niveau analysiert. Das Buch eröffnet nicht nur thematisch interessierten Lesern neue und wertvolle Einsichten, sondern ist jedem Leser zu empfehlen, der sich für die Bedeutung von Wissen, Kultur und Medien bei der Herausbildung der modernen Informationsgesellschaften in einer internationalen Perspektive interessiert.

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30.07.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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