I. G. Simmons: Global Environmental History

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Title
Global Environmental History 10.000 BC to AD 2000.


Author(s)
Simmons, Ian G.
Published
Extent
271 S.
Price
£ 24.99
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Joachim Radkau, Universität Bielefeld

Bei diesem Überblick über laut Titel volle 12.000 Jahre globale Umweltgeschichte handelt es sich um das Alterswerk eines renommierten Vertreters der historischen Geographie in England, der schon seit Jahrzehnten die Ökologie als Bundesgenossen der Geographie erschlossen hat. Bereits 1994 verfasste er, den Historikern vorauseilend, eine Einführung in die Umweltgeschichte.1 Er versteht das vorliegende Opus als Abschluss einer von der Regional- zur Globalgeschichte aufsteigenden Trilogie.2 Insofern lässt sich das neue Buch als Probe aufs Exempel studieren, wieweit sich ein in regional-geographischem Rahmen entwickelter Wissenschaftsstil auf die ganze Welt übertragen lässt, und auch als Experiment dafür, wieweit das Instrumentarium der historischen Geographie in der Universalgeschichte trägt.

Ein vergleichbares Opus hat bereits 17 Jahre davor die britische Geographin Antoinette M. Mannion vorgelegt 3; es ist aufschlussreich, beide Bücher zu vergleichen. Von allen Disziplinen außerhalb der Geschichtswissenschaft ist die historische Geographie der Umweltgeschichte am engsten benachbart; und doch wissen beide Fächer bislang nur wenig voneinander. Der Mangel an Kooperation ist für beide von Nachteil. Aber die Überblickswerke von Mannion und mehr noch Simmons machen bewusst, dass es nicht ganz einfach ist, eine gemeinsame Basis zu finden, auf der sich Historiker und Geographen etwas zu sagen haben.

Antoinette Mannion beschränkte sich auf ein Themenspektrum im Umkreis der Geographie; ihr Opus ist von Inhalt und Stil her weit geschlossener und zum Nachschlagen brauchbarer als der Zwölftausend-Jahresüberblick von Simmons. Dessen gesamtes Werk ist von einer inneren Spannung durchzogen: Einerseits will er – weit über die longue durée der Annales-Schule hinausgehend – die sich über Jahrtausende erstreckenden Langzeit-Prozesse erfassen; andererseits will er jedoch auch die Reize der Mikro-Ebene, die Spiegelungen der Geschehnisse in der menschlichen Wahrnehmung auskosten. Ein durchaus respektabler Ehrgeiz! Eine Synthese dieser himmelweit auseinander liegenden Ebenen ist gleichwohl nur ganz begrenzt gelungen, und, nachteiliger noch: Die allzu grobe Struktur der Großgliederung erhebt sich weithin beziehungslos über die Details. Diese enthalten gewiss eine Fülle von feinen Beobachtungen, dienen jedoch insgesamt eher als Füllsel für das vorgegebene Korsett denn als Inspiration, die neue Sichtweisen der Umweltgeschichte aufschließt.

Mit sympathischer Offenheit bekennt der Verfasser im Vorwort, methodologische Ambitionen hege er nicht; und er gibt gleichfalls zu erkennen, dass er eine spezifisch umwelthistorische Periodisierung nicht zu bieten hat, sondern lediglich eine Grobgliederung nach gewissen technischen Kriterien, insbesondere der Nutzung von Energiequellen. Aber mit der viel zu pauschalen Periodisierung „solares – fossiles Zeitalter“ bzw. „Jäger-Sammler-Zeitalter – traditionelle Landwirtschaft – Industriezeitalter“ lässt sich die Fülle des Materials nicht organisieren. Die Verknüpfung ist denn im Detail auch vielfach assoziativer Art.

Der Umwelthistoriker, der – ohne gezielt etwas zu suchen – in dem Buch nach Lust und Laune herumliest, wird manchen Überraschungsfund machen und auf anregende, ja amüsante Gedankensplitter stoßen – der Leser spürt, der Verfasser ist viel in der Welt herumgekommen und hat sich neugierig und ohne Scheuklappen umgeschaut. Neuartige Einsichten fundamentalerer Art zur Umweltgeschichte freilich sucht man vergeblich. Verbindungen zwischen Geistes- und Technikgeschichte werden mehr im Stil des Smalltalk als mit wissenschaftlicher Akribie hergestellt. „Darwin’s desacralisation of nature was a fertile bed that could be tilled by steam technology“ (S. 119): Das klingt hübsch; aber begann der Siegeszug der Dampfmaschine nicht lange vor Darwin? Musste erst Darwin kommen, damit man mit der Natur robust-utilitaristisch umging?

Zugleich der Mangel an kritischer Überprüfung gewisser Kausalkonstrukte: „States such as Tokugawa Japan, which had deliberately cut itself off from the world for 200 years (1603-1868), had faced the consequences of famine, tsunami and earthquake without any outside assistance …” (S. 152). Hätte den Japanern irgendeine auswärtige Macht bei Erdbeben und Tsunami geholfen, wenn Japan sich nicht von der Außenwelt abgeschlossen hätte? Hat den Iren etwa die enge Verbindung mit England bei ihrer großen Hungerkatastrophe genützt? Gibt es nicht längst eine ökologische Rehabilitation der Tokugawa-Ära, da gerade die Abschließung die Grenzen des Wachstums zum Bewusstsein brachte und zu Fortschritten in der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder führte? Aber es wäre schade, wenn Umwelthistoriker die historische Geographie weiterhin ignorierten. Simmons’ Buch ist am nützlichsten vielleicht dadurch, dass es zu erkennen gibt, wie viel auf dem Weg zu einer gelungenen Kooperation noch zu tun ist.

Anmerkungen:
1 Ian G. Simmons, Environmental History. A Concise Introduction, Oxford 1994.
2 Voraus gingen – über ähnlich viele Jahrtausende zurückgreifend: Ian G. Simmons, An Environmental History of Great Britain. From 10.000 Years Ago to the Present, Edinburgh 2001; sowie: ders., The Moorlands of England and Wales. An Environmental History 8000 BC – AD 2000, Edinburgh 2003.
3 Antoinette Mannion, Global Environmental Change. A Natural and Cultural Environmental History, Harlow 1991 (2. Auflage 1997).

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Published on
25.09.2009
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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