First European Congress of World and Global History - Panel 19: Coercion in European Agrarian Societies of the Early Modern Period - From Comparisons to Interaction?

First European Congress of World and Global History - Panel 19: Coercion in European Agrarian Societies of the Early Modern Period - From Comparisons to Interaction?

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Luise Althanns

Anhand von vier Regionalstudien aus dem mittel- und osteuropäischen Kontext – Nordwestdeutschland, Brandenburg, der Walachei sowie Polen-Litauen – wurde die im Titel aufgeworfene Frage diskutiert. Carl-Hans Hauptmeyer (Hannover) leitete das Panel, Vorträge hielten Dariusz Adamczyk (Hannover), Heinrich Kaak (Potsdam), Udo Obal (Hannover) und Daniel Ursprung (Universität Zürich). In diesem Panel sollte diskutiert werden, inwieweit die unterschiedlichen Formen des Zwangs und der ökonomischen Entwicklung in dieser Zeit als Interaktion mit demselben Zentralraum Westeuropa erklärt werden können, ob die Ausbreitung von freier Landarbeit im Westen und unfreier im Osten ein Zentrum-Peripherie-Verhältnis wiedergibt und inwiefern Ähnlichkeiten mit anderen Zwangssystemen wie beispielsweise der Sklaverei in den Amerikas bestehen.

Udo Obal eröffnete das Panel mit seinem Beitrag über „Das Agrarsystem Nordwestdeutschlands in der Frühen Neuzeit“, wobei er sich dem Thema unter dem Gesichtspunkt der Marktstrukturen und Marktbeziehungen näherte. Die Agrarverfassung Niedersachsens und Westfalens, gekennzeichnet durch Meierrecht, Streubesitz und Bauerschutz, nahm eine Mittelstellung zwischen den freien Pachtverhältnissen Westeuropas und der ostelbischen Gutsherrschaft mir der dort vorherrschenden Schollenbindung ein und bestätigte somit die These des „Agrardualismus`“ (Georg Friedrich Knapp) entlang der Elbe nicht. Die Handelsbeziehungen und die konjunkturelle Entwicklung beeinflussten die Herausbildung der Mittelstellung zwischen den Polen Kommerzialisierung (Rentengrundherrschaft) und Refeudalisierung (Gutsherrschaft) maßgeblich. Der Außenhandel mit Agrarprodukten spielte in Nordwestdeutschland zwar nur eine geringe Rolle, doch der Handel mit anderen Produkten (Garn, Leinen), die Entwicklung zum Verkehrsdurchgangsland und Arbeitsmigration veränderten die sozioökonomische Struktur in der Region. Diese spezifischen Rahmenbedingungen sorgten für Stabilität und Krisenresistenz und begründeten die abweichende Entwicklung gegenüber den benachbarten Gebieten östlich der Elbe.

Heinrich Kaak blickte in seinem Vortrag über „Gutsherrschaft in der Mark Brandenburg“ auf eine Region, in der das Phänomen Zwang in der Agrarwirtschaft eine stärkere Rolle spielte. Eingerahmt von Agrarsystemen mit ausgeprägter Gutsherrschaft im Norden und Osten und gemäßigten landwirtschaftlichen Strukturen im Westen und Süden kam es im 15. und 16. Jahrhundert auch in Brandenburg zur Ausbildung eines gutsherrschaftlichen Systems mit Frondienst und Schollenbindung. Die Vereinigung von Grund- und Gerichtsherrschaft in der Person der lokalen Adeligen, Arbeitskräftemangel, Änderung der Agrarverfassung und Getreideproduktion für den Handel wurden als Faktoren für die Ausbildung der Gutsherrschaft in Brandenburg genannt. Die vergleichbare Stärke der Landesherren, die in Agrarfragen stets handlungsfähig blieben, bewahrte die brandenburgischen Bauern vor einer Steigerung der Gutsherrschaft zur Leibeigenschaft. Die Gutsherr schaft in Brandenburg unterschied sich von extremen agrarischen Zwangssystemen, wie der Leibeigenschaft in Russland und der Sklaverei in Nordamerika, insbesondere dadurch, dass die Untertanen stets Menschen mit persönlichen Rechten blieben und daher der Verkauf von Leibeigenen ohne ihre Scholle rechtswidrig war.

Einen weiteren Schritt nach Osten unternahm Dariusz Adamczyk in seinem Beitrag über „Die Entwicklung der Gutswirtschaft in Polen-Litauen“. Ab dem 16. Jahrhundert musste der polnisch-litauische Adel für den europäischen Markt produzieren, um seinen Lebensstandard zu steigern oder zumindest aufrecht zu erhalten. Zentral für das Ausmaß der Produktion war dabei die Verfügungsgewalt über Land und Arbeitskräfte, die neben der - tendenziell ergiebigeren - Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche auch zur Herausbildung der Gutswirtschaft führte. Dabei bildeten sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen heraus. Im Falle Polen lassen sich die Leitfragen des Panels also folgendermaßen beantworten: Der Handel mit Westeuropa trug folglich in Polen zur Weiterentwicklung des Gutswirtschaftssystems und zur Verschärfung der Fronarbeit erheblich bei, doch auch andere sozio-ökonomische und politische Bestimmungsfaktoren förderten die Ausbildung unfreier Arbeit in Polen seit dem 16. Jahrhundert. Die Einbeziehung Polens in das frühneuzeitliche Handelsnetz vergrößerte seinen Rückstand zu Westeuropa zwar, verursachte ihn jedoch nicht.

Daniel Ursprung ging in seinem Vortrag über „Agrarverhältnisse in der Walachei in der Frühen Neuzeit“ von der Frage aus, warum es in dieser Region zwischen Donau und Karpaten im Vergleich zum sonstigen Ostmittel- und Osteuropa zumindest bis ins 19. Jahrhundert ein so geringes Ausmaß an Frondienst gab. Ein wesentlicher Grund dafür lag in der Osmanischen Oberherrschaft: Zugunsten der Steuereintreibungen für die Landeskasse und der Bezahlung der umfangreichen Tribute an das Osmanische Reich zog die Landesverwaltung (Wojwode) dem Bemühen der Grundherren (Bojaren), ihren Einfluss auf die Bauern auszudehnen strikte Grenzen. So diente die Einführung der Schollenpflichtigkeit Ende des 16. Jahrhunderts primär der Bekämpfung der Steuerflucht und weniger den Interessen der Grundherren. Ökonomische Beziehungen mit dem westeuropäischen Zentrum hatten im Fall der Walachei keinen Einfluss auf die Formen der unfreien Arbeit, da sie nicht existierten. Als Zentrum fungierte das Osmanische Reich, an deren Peripherie die Walachei lag. Die Agrarverfassung der Walachei stellt somit einen „missing link“ zwischen der osmanischen Agrarverfassung und dem System der Gutswirtschaft Ostmittel- und Osteuropas dar.

In der Abschlussdiskussion wurden zunächst die Vorzüge und Schwächen der Kategorie „Zwang“ für die Einordnung eines Raums in regionale Kontexte diskutiert. Als alternatives Konzept wurde „Energiezufuhr und Energieentnahme“, daher Ressourcentransfer, vorgeschlagen, der in Handelsströmen manifest wird und koloniale Abhängigkeit sowie Zentrum-Peripherie-Beziehungen ausdrückt.
Weiterhin wurden die regionalen Grenzen eines geplanten Forschungsvorhabens zu Agrarverfassungen im Europa der Frühen Neuzeit ausgelotet. Ein Teilnehmer machte im Zusammenhang mit dem Vortrag von Daniel Ursprung die Bedeutung des Osmanischen Reichs für ein solches Vorhaben stark, was unterschiedliche Reaktionen hervorrief.
Um die Ergebnisse dieses Panels einer weiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, sollen die Vorträge in einer gemeinsamen Publikation des Historischen Seminars der Universität Hannover veröffentlicht werden.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Editors Information
Published on
06.01.2006
Contributor
Classification
Regional Classification
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English, French, German
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