First European Congress of World and Global History - Panel 7: Transferts Culturels and Cultural Encounters

First European Congress of World and Global History - Panel 7: Transferts Culturels and Cultural Encounters

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Maria Hidvegi

Ziel dieses Panels unter der Leitung von Michel Espagne (Ecole Normale Supérieure, Paris) war, methodische Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsverfahren zu klären und einen Beitrag dieser Verfahren zur Analyse der wachsenden Konnektivität im Zuge einer voranschreitenden Globalisierung zu leisten

Michel Espagne eröffnete das Panel mit Überlegungen zu „Kulturtransfer und Globalgeschichte – Die Frage der Mitte“
Zuerst wurde der Begriff des Kulturtransfers als eine Dynamik, ein Austausch von Kulturgütern zwischen Kulturräumen festgelegt. Dabei wurden die entscheidende Rolle des Aufnahmekontextes und die der Vermittler zwischen mehreren Kulturräume hervorgehoben, denen von den Historikern größere Beachtung beigemessen werden sollte. Die Kulturtransferforschung soll mit der Untersuchung mikrologischer Verkettungen und Verflechtungen zum globalen Horizont der Geschichtsschreibung beitragen. Die Untersuchung der ‚metissage’-en wurde als ein Konvergenzpunkt der Kulturtransferforschung und der Globalgeschichte erklärt. Als Probleme der Globalgeschichte wurden einerseits die Vielfalt der Definitionen der Globalgeschichte angeführt, andererseits die Probleme der beiden Auffassungen der Globalgeschichtsschreibung (lückenlose Gesamtdarstellung oder exemplarische Öffnungen) erörtert. Die durch die erste Version entstandene Gefahr der heimlichen Theologisierung könnte durch die Einbeziehung anderer Disziplinen, wie Wirtschaft, Geographie oder Anthropologie als Leitfäden zur Gesamtdarstellung, d. h. Gesamterklärung eingeschränkt werden. Zur Frage des Perspektivenzentrums wurde festgestellt, dass es in der Geschichtsschreibung eine große Zahl von „Zentren“ gebe, trotzdem entwickelte sich grob gesagt nur in Europa eine Universalgeschichtsschreibung. Darum lässt sich fragen, inwieweit die Universalgeschichte eine Projektion dieser europäischen Gattung ist. Auch die Entstehungsgeschichte und die Legitimität des postulierten Perspektivenzentrums sollte hinterfragt werden. Der Vortragende kam zur Konklusion, dass, wenn die Globalgeschichte die von ihr bezogene Perspektive historisch dekonstruiert, die Mitte also als einen auf Widerruf ausgewählten Punkt versteht, ist sie mit der Transferforschung in Einklang zu bringen. Wenn man aber die Vielfalt der Perspektiven und der Mittelpositionen voraussetzt, muss man sich eine netzwerkartige Konstellation von Zentren vorstellen, die in einer Kettenreaktion einander ablösen oder neu interpretieren. Kulturtransferforschungen und die Globalgeschichte könnten miteinander fruchtbar vereint werden, um die Konstruktion von historischen Zentren auf Grundlage von Aneignungsmechanismen und Importen nachzuzeichnen.

Michael Geyer schloss hier mit seinem Vortrag “Develop-Man” – Variations on a Theme by Marshall Sahlins“ an.
Zu Beginn wurde das Publikum auf den Gegensatz zwischen den Auffassungen heutiger Historiker über die Homogenisierung der globalen Kultur aufmerksam gemacht. Zur ungelösten Frage der globalen Homogenisierung innerhalb der modernen Redifferenzierung kultureller Stile und Lebensführung führte Geyer einige Ansätze an. Marshall Sahlins’ Werk (Develop, Man!) wurde als Beispiel dafür zitiert, was passiert, wenn Makrokonzepte, wie Entwicklung, Industrialisierung etc. in politisch und wirtschaftlich völlig anderen Gesellschaften, in dem speziellen Fall nach Neu-Guinea kommen. Was passiert, wenn Medien die eigenen sozialen Verhältnisse aufbauen oder stärken? Eine Möglichkeit ist, dass eine Retraditionalisierung in der Modernisierung erfolgt, die aber nicht als eine Übernahme, eine Adaption, sondern nur als ein Mimikri zu verstehen ist. Zweitens wurden zum Modell des Synkretismus zwei Beispiele angeführt. Zur modernen imperialen Praxis wurde die Globalproduktion von Hollywood ins Auge gefasst und gefragt, ob das die Welt nicht in der von Bayly beschrieben Art und Weise homogenisiert hat. Dazu wurde außer Ausführungen über die heutzutage im Vergleich zum amerikanischen und europäischen Filmemachen synchrone Entwicklung der ostasiatischen und indischen Filme der Ansatz „the modern vernacular“ von Miriam Hansen aufgegriffen und hervorgehoben, dass sich unterhalb der dominanten Hollywood-Kultur eine vernakulare, urbane Kultur ausbildet, die die Sprache der modernen Hollywood-Kultur inflektiert, aber überkulturelle Differenzen mit aufnimmt. Geyer schlussfolgerte, dass das Filmemachen und -präsentieren heute neue kulturelle Verbindungen schaffe. Der Begriff der vernacular modernity ist eine Möglichkeit, dieses Phänomen zu artikulieren, aber nicht den heute gängigen Begriffen der Hybridität abzulösen.

Ulrike Lindner äußerte in „Histoire croisée als Ansatz in der Kolonialgeschichte – die gegenseitige Wahrnehmung kolonialer Praktiken im deutschen Kaiserreich und britischen Empire“ methodische Überlegungen zu ihrem transnational angelegten Forschungsprojekt, welches sich mit kolonialen Herrschaftspraktiken und dem Wandel der Selbstwahrnehmung der Mutterländer als kolonisierende Nation beschäftigt und präsentierte vorläufige Ergebnisse. Als Hintergrund für die Untersuchung dienen die benachbarten deutschen und englischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent ca. 1884-1918. Die Rezeption und Wahrnehmung kolonialer Praktiken wird im Sinne einer Verflechtungsgeschichte bearbeitet: Interaktionen zwischen Mutterländern und Kolonien (sowohl die eigenen als auch die jeweils anderen) und zwischen der beiden Metropolen werden so untersucht, dass die Überschneidungen, Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen in den Vordergrund gestellt werden, sowie für jede Fragestellung und jedes Problem mindestens zwei Blickwinkel berücksichtigt werden. Mithilfe dieses Ansatzes sollen nicht nur die vielfältigen Verflechtungen und die gegenseitigen Beeinflussungen zwischen Mutterland und Kolonie genauer bestimmt werden, sondern auch ein europäischer „imperialer Konsens“ kolonialer Praktiken nachgezeichnet werden. Konkret werden diplomatische und administrative Praktiken, militärische und politische Unterdrückungsmechanismen, Körperkonzepte und koloniales Wissen, gemischte deutsch-britische Elite von einem neuen Blickwinkel analysiert.

In der anschließenden Diskussion wurde erstens nach dem Verhältnis von Mitte und Peripherie im Falle des Panslavismus gefragt, was als eine Verknüpfung von Sprachwissenschaft und politischer Legitimierung der Herrschaft über Territorien mit slawischsprachiger Bevölkerung beantwortet wurde. Anstatt der „Einbahnstraße“ (von den USA und Europa nach Asien) beim Lernen des Filmemachens wurde Michael Geyer die Idee der untereinander netzwerkartig wirkenden kreativen Milieus der Länder vorgeschlagen, die wiederum vom Vortragenden wegen mangelnder oder mindestens sehr beschränkter Rezeption ostasiatischer Thematik, Techniken etc. zugunsten der Existenz eines stark westlich geprägten kreativen Milieu zurückgewiesen wurde. Auf die Frage über die Positionierung der Aufklärungshistoriker antwortete Michel Espagne, dass sie die ganze Welt als Gegenstand betrachtet hätten. Ihr besonderer Verdienst wäre die Globalisierung des historischen Denkens durch die schrittweise Einbeziehung der Nachbarländer und weiterer Gebieten in die Geschichtsschreibung.

Anschließend erörterte Antonis Liakos “The canon of history and the strategies of response. The transplantation of history“
Anfangs wurden Weltgeschichten als Ergebnisse einer vereinheitlichten Weltanschauung und einer Methode der Untersuchung und Darstellung der Vergangenheit definiert, die im 17. und 19. Jahrhundert in Europa entwickelt und im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von Europa mithilfe von Kolonialisierung und Nationalstaatsbildung exportiert wurden. Diese Transplantation der Weltgeschichte wurde in den bisherigen Forschungen von ihren methodologischen Konsequenzen und ihrer Einflüsse auf die Nationenbildung und auf die nationalen Geschichtsschreibungen her untersucht. Liakos hebt aber hervor, dass innerhalb dieser Methode für die Beschreibung der Vergangenheit ein auf der hierarchischen Betrachtung von Nationen und Zivilisationen beruhender, die Machtverhältnisse des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts widerspiegelnder Kanon der Weltgeschichte angeboten wurde Die Geschichte der Nichteuropäer wurde als der negative Abdruck der linearen Entwicklungslinie der modernen westlichen Zivilisation dargestellt, institutionalisiert in Disziplinen wie Orientalismus, Indologie oder area studies. Vier Strategien konnten identifiziert werden, wie die außereuropäischen Historiker mit dem Angebot des Kanons und mit dem für ihre Nation darin vorgeschriebenen Platzes umgegangen sind: 1. Adaptierung der nationalen Narrative in den europäischen Kanon (adaptation), d. h. Neuordnung der historischen Zeit und Erfindung einer klassischen Vergangenheit, einer mittleren Periode und eines Neuanfangs. 2. negative Wahrnehmung der Unterschiede, „negatives Bewusstsein“ (differences negative consciousness). Dieses negative Bewusstsein ist dadurch determiniert, was dessen Subjekt nicht ist. 3. „Verschwundene/transformierte Unterschiede“ (sublimated differerences), d. h. die Unterschiede vom Kanon der europäischen Geschichte werden als Werte betrachtet und die europäische Konzeption der Modernisierung wird nicht akzeptiert, s. den historischen Revisionismus in der arabisch-islamischen Welt. 4. Alternative Äquivalenz (alternative equivalence), d. h. die Konstruktion eines alternativen Universums außerhalb der vorgegebenen Machtverhältnisse (China, Japan). Der Vortragende plädierte für die Wahrnehmung dieses inneren Druckes in der Globalgeschichte und für die Einbeziehung der Antwort osteuropäischer Historiker auf den Kanon in diesen Diskursen.

Dirk van Laak machte in seinem Vortrag „Auf den Hochstraßen des Wirtschaftsverkehrs“. Zur europäischen Ideologie der „Erschließung“ darauf aufmerksam, dass eines der großen Themen der Weltgeschichte, die Frage nach dem Aufstieg des Westens hin zur weltweiten Hegemonie, die den zugrunde liegenden kognitiven und technischen Infrastruktur sowie die begleitende, von technokratischen Haltungen geprägte Hintergrundideologie der Erschließung, in der Geschichtsschreibung noch nicht hinreichend profiliert sei. Die auf der wissenschaftlichen und technologischen Überlegenheit basierende, spezifisch europäische Mission in Übersee bedeutete eine extensive Erkundung, Erschließung und möglichst intensive Bewirtschaftung von Räumen, die der europäischen Perspektive auf Wertschöpfung, Mehrwert, Leistung und Arbeitsteilung unterworfen und vorerst zum Nutzen der eigenen Nation in die Weltwirtschaft integriert wurden. Spätestens um 1900 war der Systemcharakter des „Weltverkehrs“ unübersehbar geworden, der die Zukunft maßgeblich bestimmen würde und dem gegenüber sich keine mehr passiv verhalten konnte. Der Gedanke der „Erschließung“ wies alle Elemente einer Ideologie auf: Welterklärungspotential, geschichtsphilosophische Grundierung, fortgesetzte Bestätigung durch Erfolge. Mit Hilfe der „weltwirtschaftlichen Hochstraßen“ (Arthur Dix, 1901) ist der moderne „homo sapiens“ befähigt, alle Teile der Erde zu erschließen und zu unterwerfen, eine Weltmachtpolitik zu betreiben. Wie es von Denkern in den Kolonien festgestellt wurde, bewiesen sich die als Lehrplan der Integration gedachten Infrastrukturen als die machtvollsten und alltagspraktisch bedeutsamsten Kräfte historischer Wandlung und Beharrung. Dirk van Laak beendete seinen Vortrag mit Analogien zwischen dem ausgehenden 19. und dem beginnenden 21. Jahrhundert und mit Fragen nach dem Erbe der Epoche der forcierten Erschließung der Welt. Etwa, wie die Übertragungen früherer „Zivilisierungmissionen“ in andere Terminologien wie „Entwicklungshilfe“ transferiert wurde oder die Überzeugung, dass technische Infrastrukturen und westliche Wissenschaft etwas unhinterfragt Wünschenswertes sind und mit deren Hilfe sich wirtschaftliche, technische und soziale Problemlagen auf einen Schlag lösen lassen.

Diskussion
Von der abschließenden lebhaften Diskussion werden einige Punkte aufgegriffen. Antonis Liakos wurde der Vorschlag gemacht, in seinen Forschungen die Rollen zu wechseln, d. h. den Westen als reactor und die anderen Teile der Welt als agency zu betrachten. Es wurde bemerkt, dass die Globalisierung nur erfolgreich werden kann, weil sie von nicht westlichen Gesellschaften enthusiastisch übernommen wird, besonders die technologischen Elementen. Dirk van Laak unterstützte die Bemerkung mit dem Hinweis auf das Vertrauen in Sachlichkeit, Sachgerechtigkeit, auf den jedem zu gute kommenden Technokratismus, auf den oft zu erlebenden Ruf nach Expertengremien als machtvolle Alternative des politischen Denkens.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Editors Information
Published on
06.01.2006
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