D. Rothermund: Die globale Verortung der Geschichte

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Dietmar Rothermund, Dossenheim

In den letzten Jahrzehnten hat die Geschichtswissenschaft mehrfach einen Wandel erlebt. Nach einer Betonung von Sprache (linguistic turn) und Kultur (cultural turn) wurde der Raum (spatial turn) hervorgehoben. Dabei ging es nicht nur um den Raum als gegebene Dimension, sondern als Beziehung zwischen Orten. Diese Orte (places) wiederum wurden von einigen Theoretikern als die eigentlichen Stätten der Geschichte betrachtet. Geschichte fand statt (took place)1; um sie darzustellen, musste man sie „verorten“. So verortet, konnte man die Geschichte „kartieren“ (mapping) und ihre Ordnung erfassen. Wenn man sich der Geschichte in diesem Sinne näherte, musste man schließlich an die globale Dimension denken. So lief der Raumbezug der Geschichte auf die Globalgeschichte hinaus. Dieser Zusammenhang wurde von den Globalhistorikern nicht unbedingt gesehen. Andere Beweggründe legten ihnen die Beschäftigung mit globalen Themen nahe. Man denke nur an den Klimawandel, der gar nicht anders als global betrachtet werden konnte, oder die ungemein rasche Ausbreitung der sozialen Medien, die durch das Internet verbreitet wurden. Solche globalen Phänomene erregten unmittelbare Aufmerksamkeit und bewirkten einen Bewusstseinswandel, der dann in dem Schlagwort „Globalisierung“ seinen prägnanten Ausdruck fand.

Der Prozess der Globalisierung

„Globalisierung“ ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Meist ist von diesem Prozess im Singular die Rede. Damit wird impliziert, dass es sich um ein umfassendes Phänomen handelt, das wie eine Schicksalsmacht alles prägt. Es wäre jedoch sinnvoller von Globalisierungen zu sprechen, die jeweils nur gewisse Bereiche erfassen.2 Globalisierungen in einem Bereich können unbeabsichtigte Folgen in einem anderen haben. So etwa die Verbreitung des ertragreichen mexikanischen Weizens in Indien: eine sehr erfolgreiche Globalisierung, die Hungersnöte abwendete, aber dann eine rasante Bevölkerungsvermehrung verursachte.3 Die Geschichte der Globalisierung wird über viele solche Beispiele zu berichten haben. Bereichsglobalisierungen können sich überschneiden und Interferenzerscheinungen verursachen oder geradezu gegenläufige Prozesse hervorrufen. Dazu gehören auch Kontraste verschiedener Lebensformen. Man denke nur an das Bild in einer indischen Zeitung, das einen nackten Asketen zeigt, der ein Smartphone benutzt. Es wäre falsch, von der Globalisierung eine allgemeine Konvergenz der Lebensformen zu erwarten. Interaktionen können unerwartete Konsequenzen haben. Der „arabische Frühling“, der 2011 plötzlich ausbrach und sich von Tunis über Libyen und Ägypten bis nach Syrien verbreitete, enttäuschte die Erwartungen derer, die eine Ablösung der diktatorischen Regime durch freiheitliche Regierungen erhofften. In seiner frühen Phase verdankte der „arabische Frühling“ viel der Vernetzung junger Rebellen mithilfe der sozialen Medien. Doch diese Art der Vernetzung kann Strohfeuer entfachen, daraus entsteht selten eine stabile Ordnung. Soziale Bewegungen können zu gewalttätigen Unruhen führen und diese wiederum lösen Flüchtlingsströme aus. Im Zeitalter der Globalisierung sind Millionen auf der Flucht.

Das Zeitalter des Anthropozän

Historiker und Politologen, die sich mit der Globalisierung beschäftigen, haben versucht, den Beginn dieser Epoche zu definieren. Sie sind sich weitgehend einig, dass sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzt.4 Parallel zu diesem Zeitalter der Globalisierung ist ein neues Erdzeitalter, das „Anthropozän“, proklamiert worden, das ebenfalls in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginne. Der Begriff wurde von dem niederländischen Chemiker P. J. Crutzen (2000) in Umlauf gebracht und fand ein begeistertes Echo.5 Er bezieht sich darauf, dass der Mensch einen rasch wachsenden Einfluss auf die Gestaltung der Erde hat. Die Erderwärmung, der Rückgang der Artenvielfalt, die rasante Vermehrung der Menschen und vieles andere mehr sind die Signaturen des Anthropozäns. Als deutliche Markierung seines Beginns dient das Auftreten künstlicher Isotope nach den Atomtests. Der Abwurf der Atombombe zeugt von der Möglichkeit der totalen Vernichtung der Menschheit durch den Menschen, die der Geschichte eine ganz neue Qualität verleiht. Naturwissenschaftler, die sich mit dem Anthropozän beschäftigen, denken nicht nur an eine Klassifizierung seiner Symptome, sondern auch an gezielte Eingriffe zur Korrektur der bisher stattgefundenen schädlichen Entwicklungen. So wäre etwa an Strahlungsmanagement durch Spiegel im All zu denken oder die Produktion künstlicher Wolken usw. Mit einer Konvergenz von Forschungen zur Geschichte der Globalisierung und zum Anthropozän ist zu rechnen.

Einige Autoren wollen den Beginn des Anthropozän schon früher datieren. Charles Mann sieht den „Columbian Exchange“, die Übertragung amerikanischer Pfanzen (Kartoffel, Mais, Tomate, etc.) nach Europa als Anfang des Anthropozän an, das er Homogenozän nennt.6 Er beruft sich auf die globalen Auswirkungen dieses Phänomens auf die Lebensbedingungen der Menschen und stellt das sehr anschaulich dar. Man kann dies bereits als einen Beitrag zur Konvergenz der Forschung betrachten.

Die frühe Globalisierung, 1850-1950

Eine Beschränkung der Geschichte der Globalisierung auf die Zeit nach 1950 trifft auf berechtigte Kritik. Bereits die Zeit von 1850 bis 1950 kann als eine frühere Epoche der Globalisierung reklamiert werden. Es zeigten sich in diesen hundert Jahren sowohl positive, zukunftsweisende Tendenzen von globaler Dimension als auch neuartige Konflikte von bisher ungeahnter Brisanz und Reichweite. Zu den positiven Phänomenen gehört zum Beispiel die alle nationalen Grenzen überschreitende Kommunikation, die in der Gründung der International Telegraph Union (1865) und des Weltpostvereins (1874) ihren Ausdruck fand. Es ist bezeichnend, dass diese Organisationen ihre Zentralen in der neutralen Schweiz hatten. Die Telegraphenkabel umspannten sehr rasch den ganzen Globus. Unterseekabel durchquerten die Weltmeere.

Der amerikanische Unternehmer Cyrus Field schaffte es 1866, das Kabel durch den Atlantik zu verlegen, nachdem ihm ein früherer Versuch misslungen war. Danach wollte er auch den Pazifik bezwingen, aber er starb 1892 bevor es dazu kam. Briten und Amerikaner rüsteten schließlich zu einem Wettrennen durch den Pazifik. Die Briten verlegten ihr Kabel von Kanada nach Australien und Neuseeland und erreichten ihr Ziel 1902. Die Amerikaner vollendeten ihre Verbindung von San Francisco über Hawaii und die Midway Islands nach den Philippinen nur wenige Monate später.7 Die britische Nachrichtenagentur Reuters und die amerikanische Associated Press (AP) waren stark an dieser Verbindung interessiert. Reuters versorgte vor 1903 auch die USA mit Nachrichten aus Asien, die über London mit einiger Verzögerung in New York eintrafen. Nach 1903 musste Reuters die Nachrichten aus Asien zum großen Teil von AP beziehen.8

Die telegraphische Nachrichtenübermittlung diente in erster Linie kommerziellen Zwecken. Sie erleichterte auch Regierungen ihre Arbeit. Instruktionen aus London erreichten den Vizekönig in Indien nun in wenigen Minuten und konnten ebenso schnell beantwortet werden, während zuvor Monate vergingen, bis die Depeschen eintrafen und dann die Antwort ihr Ziel erreichte. Doch der kulturelle Einfluss der Telegraphie war vielleicht noch bedeutsamer. Der rasche Nachrichtenverkehr prägte die Presse und schuf eine neue Öffentlichkeit. Im Hinblick auf das koloniale Indien kann man sogar argumentieren, dass der Telegraph zur Nationsbildung beitrug.9 Während die Nationsbildung in Ländern, die der Kolonialherrschaft unterworfen waren, wohl positiv zu bewerten ist, hatte der wachsende Nationalismus in den imperialen Ländern, die miteinander konkurrierten, gefährliche Konsequenzen, zumal die technischen Möglichkeiten in dieser Epoche der frühen Globalisierung rasant zunahmen. Der Erste Weltkrieg demonstrierte dies auf katastrophale Weise. Doch war dieser Krieg nur der Beginn einer fatalen Sequenz, die nach einer globalen Wirtschaftskrise rasch in einem noch schrecklicheren Krieg mündete.

Die Sequenz Krieg-Krise-Krieg

Die Sequenz Krieg-Krise-Krieg bezeichnete das Ende der ersten Phase der Globalisierung, sie soll daher hier ausführlicher behandelt werden. Einer einflussreichen Analyse zufolge, sollen die Staatsmänner wie „Schlafwandler“ in den Ersten Weltkrieg hineingeraten sein.10 Es gab jedoch bereits lange zuvor konkrete Kriegsvorbereitungen. Sowohl bei den Landstreitkräften als auch zur See wurde aufgerüstet. Der technische Fortschritt, vor allem bei der Artillerie und den Kriegsschiffen, zwang zum Wettrüsten. Detaillierte Schlachtpläne lagen schon geraume Zeit in den Schubladen. Man denke nur an den Schlieffen-Plan, den der deutsche Generalstabschef bereits 1905 entworfen hatte. Graf von Schlieffen war ein umsichtiger Mann und hatte eine globale Perspektive. Seiner Ansicht nach konnte die Welt aufgrund ihrer Verflechtung keinen langen Krieg ertragen. Er musste also für einen Blitzkrieg planen, der sich gegen Frankreich und Russland richtete. Der japanische Sieg über das Zarenreich in dem Jahr, in dem er seinen Plan konzipierte, ermutigte ihn dazu, den Blitzkrieg gegen Frankreich vorzusehen, und Russland erst danach anzugreifen. Frankreich hatte jedoch seine Ostgrenze im späten 19. Jahrhundert mit einem Festungsgürtel versehen, der die „Eiserne Barierre“ genannt wurde.11 Daher plante Schlieffen einen Vorstoß durch das neutrale Belgien, um der französischen Armee in den Rücken zu fallen.12 Die Verletzung der belgischen Neutralität drohte jedoch einen britischen Kriegseintritt herbeizuführen. Hier ergänzte die Flottenpolitik des Großadmirals Alfred von Tirpitz die deutschen Kriegspläne. Tirpitz war als junger Marineoffizier oft in England zu Gast, sprach fließend Englisch und sandte seine Töchter auf englische Schulen. Er wurde ein Günstling von Kaiser Wilhelm II., der seinen Plan, die deutsche Flotte mit Schlachtschiffen auszurüsten, unterstützte. Tirpitz war politisch sehr geschickt und brachte den Reichstag dazu, den Flottenbau langfristig und großzügig zu finanzieren. Tirpitz hatte nicht das Ziel, die Briten zu besiegen, er wollte sie nur von einem Kriegseintritt abhalten, indem er das Risiko eines Angriffs auf die deutsche Flotte erhöhte. Er kannte die Sorge der Briten um ihr Empire, zu dessen Verteidigung sie ihre Flotte brauchten. Die Briten betrachteten den deutschen Flottenbau mit Argwohn und rüsteten ihrerseits kräftig auf. Als der Weltkrieg begann, hatten sie eine Flotte, die der deutschen zahlenmäßig weit überlegen war, und traten schließlich doch in den Krieg ein, nachdem deutsche Truppen in Belgien eingefallen waren. Das Aufeinandertreffen der beiden Flotten bei Skagerrak im Mai 1916 endete unentschieden, aber mit besonders hohen Verlusten auf der britischen Seite. Die britischen Schiffe waren in der Überzahl, aber die deutsche Schiffsartillerie hatte die besseren Granaten. Einige britische Schlachtschiffe explodierten geradezu und sanken blitzschnell mit ihrer ganzen Mannschaft. Die beiden Flotten trennten sich schließlich und sollten sich nie wieder begegnen. Tirpitz trat in diesem Jahr zurück. Er hatte sich inzwischen der U-Boot-Produktion verschrieben und war entrüstet, weil die Regierung den unbegrenzten U-Boot-Krieg nicht billigte. Als sie es 1917 dann doch tat, führte dies zum Kriegseintritt der USA. Obwohl die britische Flotte 1916 große Verluste erlitten hatte, konnte sie doch weiterhin die Seeblockade aufrechterhalten, die Deutschland empfindlich traf.

Schon wenige Monate nach Kriegsbeginn hätte der durch diese Blockade verursachte Mangel an Salpeterimporten, die für die Schießpulverproduktion erforderlich war, dem Krieg ein Ende setzen können. Deutschland wäre schon 1915 wegen Mangel an Munition dazu gezwungen gewesen, zu kapitulieren, doch die deutsche Industrie fand einen Ausweg. Deutschland hatte in den Jahren vor dem Krieg große Fortschritte in der chemischen Industrie gemacht. Das Haber-Bosch Verfahren ermöglichte die Ammoniaksynthese. So konnte der Salpeter ersetzt, aber auch Kunstdünger hergestellt werden.13 Der Kunstdünger führte später zu einer globalen Steigerung der Weizenernte und zur Bevölkerungsvermehrung. Im Krieg war zunächst die Schießpulverproduktion von Bedeutung, die Millionen von Menschen den Tod brachte. Ohne Zweifel war diese technische Errungenschaft ein Vorbote des Anthropozän. Entgegen der Annahme, dass der Weltkrieg aufgrund der globalen Situation nur kurz sein könnte, zeigte sich, dass die Industrienationen wider Erwarten enorme Ressourcen mobilisieren konnten, die dem Krieg eine lange Dauer verliehen.

Die USA gingen als der eigentliche Sieger aus diesem Krieg hervor. Ihr Präsident Woodrow Wilson machte sich denn auch anheischig, die Nachkriegsordnung zu bestimmen. Der Völkerbund verdankte ihm seine Gründung, doch leider traten die USA dieser Organisation nicht bei. Während Amerika sich so jeder politischen Verantwortung entzog, blieb es doch auf finanziellem Gebiet sehr präsent, denn es hatte Großbritannien als Weltkreditgeber abgelöst. Vor dem Krieg flossen Großbritannien jährlich 170 Millionen Pfund an Zinsen und Dividenden zu und davon konnte es den größten Teil wiederum im Ausland investieren. Nach dem Krieg waren es nur noch 40 Millionen, die die Briten im Ausland investieren konnten. Großbritannien hatte Kriegsschulden bei den USA in Höhe von 4,1 Milliarden US Dollar, weitere 6,2 Milliarden schuldeten andere europäische Kriegsteilnehmer den Amerikanern, die keineswegs bereit waren, auch nur den geringsten Teil davon zu erlassen. Daneben hatten die europäischen Nationen auch noch Schulden bei den eigenen Staatsbürgern, die Kriegsanleihen gezeichnet hatten. In Großbritannien waren dies rund 2 Milliarden Pfund, die zum Teil erst nach hundert Jahren zurückgezahlt wurden. Das Deutsche Reich hatte 164 Milliarden Reichsmark Kriegsschulden in Form von Anleihen, die aber bereits 1923 durch die Hyperinflation gelöscht wurden. Diese Inflation blieb jedoch ein Trauma für die Deutschen, von denen viele ihre Ersparnisse verloren. Besonders die Mittelklasse war davon betroffen. Bürgerliche Parteien verloren Unterstützung. Linke und rechte Parteien wuchsen an. Es kam zu einer Polarisierung, die die Weimarer Republik zerstörte.

Die Weimarer Republik war von Anfang an durch die hohen Forderungen von Reparationen belastet.14 Die Alliierten waren auf sie angewiesen, weil sie mit ihnen die Kriegsschulden bei den USA bezahlten. Deutschland hätte die Reparationszahlungen durch erhöhte Exporte verdienen müssen. Doch diese Möglichkeit gaben die Alliierten Deutschland nicht. Der britische Ökonom J.M. Keynes publizierte eine treffende Analyse der Zwangslage, die sich so ergab.15 Das Buch wurde in zwölf Sprachen übersetzt und machte Keynes weltberühmt. Er prophezeite, dass die deutsche Reaktion in 20 Jahren zu einem zweiten Weltkrieg führen würde – und so kam es dann auch. In den 1920er-Jahren wurde das Dilemma von Kriegsschulden und Reparationen zunächst dadurch gelöst, dass amerikanische Kapitalisten enorme Summen in Deutschland investierten, das durch den Zufluss von Devisen in der Lage war, Reparationen zu zahlen, so dass die Alliierten ihre Kriegsschulden in Amerika begleichen konnten. Der Kreislauf hätte andauern können, doch 1928 wurde er von den Amerikanern unterbrochen, die Deutschland keine weiteren Kredite mehr gaben.

Die USA stürzten Ende der 1920er-Jahre die Welt in eine globale Wirtschaftskrise. Verschiedene Ursachen trugen dazu bei. Eine davon war die Perversion des internationalen Goldstandards, eine weitere die Überproduktion von Weizen, die zu einem Zusammenbruch des Weltagrarmarkts führte, schließlich auch die Aktienspekulation, die 1929 zu einem Börsencrash in New York führte, der wiederum eine Finanzkrise auslöste, die viele amerikanische und dann auch europäische Banken hinwegfegte. Das wiederum bewirkte die weltweite Depression, die lange andauerte. Die Globalisierung zeigte zum ersten Mal ihre gefährlichen Konsequenzen. Der Goldstandard, der zu einem weltweiten wirtschaftlichen Aufschwung vor dem Ersten Weltkrieg beigetragen hatte, erwies sich nun als trügerisch, nicht zuletzt weil er von den USA pervertiert wurde. Dort war 1913 eine Zentralbank (Federal Reserve Board = Fed) gegründet worden, die eigentlich nur der Kreditsicherung („lender of last resort“) dienen sollte, aber im Ersten Weltkrieg sich auch die Sicherung der Preisstabilität zur Aufgabe machte.16 Nach dem Krieg strömte viel Gold in die USA. Nach der Theorie des Goldstandards hätte das dort eine Inflation auslösen müssen, die dann zu einem Rückfluss des Goldes und damit zu einer Wiederherstellung des Gleichgewichts geführt hätte. Die Fed thesaurierte jedoch das Gold, um die Preisstabilität zu wahren, gewährte dann aber ihrerseits den Ländern großzügige Kredite, die zum Goldstandard zurückkehrten, um das Niveau der Vorkriegszeit wieder zu erreichen. Die Fed stimulierte so aber auch das Wirtschaftswachstum in den USA und regte zur Börsenspekulation an, die sie dann durch Erhöhung der Zinsen wieder eindämmen wollte. Spekulanten wurden dadurch nicht entmutigt, weil sie auf höhere Kurse ihrer Aktien hofften. Sie konnten zudem ihre Aktien bei Banken hinterlegen und sich Geld für weitere Aktienkäufe besorgen. Die Agrarkredite funktionierten ähnlich. Getreidehändler konnten ihre vollen Lagerhäuser den Banken als Sicherheit für ihre Kredite anbieten und so den Preis halten. Als die Fed die Zinsen erhöhte, verteuerte sie damit auch die Agrarkredite. Es kam zu Panikverkäufen und die lösten eine Weizenlawine aus, die sich auf dem Weltmarkt ergoss. In Indien fiel der Weizenpreis 1930 um die Hälfte, obwohl es dort keine Überproduktion gab. Im nächsten Jahr folgte der Reispreis – auch in den anderen Ländern Asiens. Er fiel 1933 sogar tiefer als der Weizenpreis, obwohl der Reispreis sonst stets höher gewesen war als der Weizenpreis. Der Agrarpreisverfall blieb nicht auf das Getreide beschränkt, die Baumwollpreise fielen sogar noch mehr.17

Die Bauern wurden weltweit zu Globalisierungsverlierern. Das galt auch für viele Arbeiter der Industrieländer, von denen man eher Notiz nahm als von den Bauern. Für Arbeiter, die ihren Arbeitsplatz behielten, waren die Krisenjahre freilich eine gute Zeit, weil bei fallenden Preisen ihre Reallöhne stiegen. Aber die wachsende Zahl der Arbeitslosen litt unter der Krise. Sie gaben radikalen Parteien Auftrieb. Die Ökonomen waren ratlos. Sie betrachteten den Arbeitsmarkt als einen Markt wie jeden anderen. Auf diesem Markt hätte jedes Angebot an Arbeit beim richtigen Preis (Lohn) seinen Absatz finden müssen. Warum gelang es den Arbeitgebern nicht, die Löhne zu drücken? Ben Bernanke, der später einmal Chef der Fed wurde, hat sich als Wissenschaftler mit diesem Problem der „sticky wages“ beschäftigt. Er erklärte es damit, dass die Arbeitgeber lieber Arbeiter entließen, aber ihre fähigsten Arbeiter zu den alten Bedingungen hielten, um bei einem erhofften Aufschwung wieder produktiv zu sein („hoarding of labour“).18 Er hätte hinzufügen können, dass die Gewerkschaften einen entscheidenden Beitrag zu den „sticky wages“ leisteten. Sie kümmerten sich notgedrungen nicht um die Arbeitslosen, sondern konnten nur um die Erhaltung der Löhne der Arbeitenden kämpfen. Für die Arbeitgeber war es leichter, Arbeiter zu entlassen, als Löhne zu drücken. In Deutschland gab es in den Jahren der Krise Millionen von Arbeitslosen, die für Hitler stimmten, der versprach, die Krise zu bewältigen. Dies gelang ihm, weil er in Hjalmar Schacht einen kreativen Wirtschaftspolitiker an seiner Seite hatte, der, lange bevor Keynes dies empfahl, die Nachfrage stimulierte, indem er eine kontrollierte Inflation betrieb. Dabei blieben die deutschen Löhne verglichen mit den britischen und französischen in den 1930er-Jahren sehr moderat.19 Hitler konnte auf dieser Grundlage seine Kriegsvorbereitungen vorantreiben. Darüber kam er mit Schacht in Konflikt, der ihn 1939 vor einer Inflation warnte. Schacht war ein konservativer Nationalist, der mit Hitler darin übereinstimmte, dass Deutschland den Diktatfrieden von Versailles überwinden müsse. Das hatte Hitler nach Schachts Ansicht nun erreicht, Rüstungsausgaben waren nicht länger nötig und erhöhten nur die Inflationsgefahr. Hitler aber wollte den Krieg und entließ Schacht und den gesamten Vorstand der Reichsbank. Er konnte keine unbequemen Mahner gebrauchen.20

Ein besonderer Trumpf der deutschen Rüstung war die große Zahl mächtiger Panzer. Im Ersten Weltkrieg hatte Deutschland auf Panzer verzichtet, weil die deutschen Generäle meinten, sie seien auf dem Schlachtfeld zu nichts nütze. Die Briten schlugen dann das deutsche Heer mit ihren Panzern auf den französischen Schlachtfeldern, doch da war es für die Deutschen zu spät, um sich noch mit Panzern zu versorgen. Erst gegen Kriegsende gab es ein paar deutsche Panzer, die aber nicht mehr zum Einsatz kamen. Hitler dagegen zog mit Tausenden von Panzern in den Zweiten Weltkrieg. Bei seinem Überfall auf die Sowjetunion war er der russischen Armee auf diesem Gebiet haushoch überlegen. War bereits der Erste Weltkrieg von Materialschlachten geprägt, die die Leistungsfähigkeit der Industrie bewiesen, so war der Zweite Weltkrieg noch sehr viel gewaltiger in seiner zerstörerischen Dimension. Der amerikanische Kriegseintritt, der auch diesmal wieder mit einer Verzögerung von einigen Jahren erfolgte, steigerte dann die Schlagkraft der Alliierten enorm. Hitler unterschätzte die Amerikaner zunächst, erlebte aber dann, wie die USA Truppen und eine Woge von Kriegsgerät über den Atlantik sandten. Ihre industrielle Produktivität war unschlagbar. Nachdem die Europäer sich selbst zerfleischt hatten, trugen die Amerikaner geradezu mühelos den Sieg davon. Diesmal zogen sie sich nicht wieder zurück und blieben in Europa. Sie prägten die nun einsetzende zweite Phase der Globalisierung.

Diese zweite Phase war gekennzeichnet durch eine enorme Vermehrung der Nationalstaaten nach der raschen Dekolonisierung in den Jahren von 1947 bis 1960.21 Zugleich wuchs die Weltbevölkerung bis 2016 auf über sieben Milliarden an, während sie um 1945 weniger als drei Milliarden betragen hatten. Erst aufgrund dieses enormen Anstiegs konnte man vom „Anthropozän“ sprechen. Doch die Globalgeschichte beschränkt sich nicht auf die Epoche der Globalisierung, sondern umfasst auch die früheren Epochen der Geschichte der Menschheit.

Die früheren Epochen der Globalgeschichte

Der Bericht des Historikers muss auf Quellen basieren – und dies sind in erster Linie schriftliche Dokumente. Alles was nicht schriftlich belegt werden kann, gilt als prähistorisch. Doch nach den jüngsten Fortschritten von Archäologie, Paläobiologie und Genforschung lassen sich auch über sehr frühe Zeiten der Menschheitsgeschichte Aussagen machen, die wissenschaftlich nachprüfbar sind. Die so genannte „Neolithische Revolution“, die Zeit, in der die Menschheit in der Jungsteinzeit sesshaft wurde und Ackerbau und Viehzucht betrieb, kann als der Beginn der Globalgeschichte bezeichnet werden. Die räumliche Differenzierung dieser frühen Globalgeschichte ist bemerkenswert. Sie beruht auf der verschiedenen Gestalt der großen Kontinente. Jared Diamond, der zuerst Physiologe war jetzt aber Professor für Geographie ist, hat darauf hingewiesen, dass der eurasiatische Kontinent, der sich über ca. 150 Längengrade und 75 Breitengrade erstreckt, besonders gut für eine horizontale Diffusion der Errungenschaften der „Neolithischen Revolution“ geeignet war, während der amerikanische Kontinent, der sozusagen vertikal über viele Breitengrade und Klimazonen verläuft, für eine solche Diffusion äußerst ungeeignet war.22 In Eurasien bot der „Fruchtbare Halbmond“ den Ansatzpunkt für die „Neolithische Revolution“, die sich dann in einer ähnlichen Klimazone nach Westen und Osten ausbreiten konnte. Amerika war dagegen in viele Klimazonen unterteilt. Außerdem lebten in Eurasien viele Tierarten, die sich wie Rind und Pferd für die Domestizierung eigneten. Amerika fehlte es an solchen Tieren.

Die „Neolithische Revolution“ war kein plötzliches Ereignis, sondern vollzog sich vom 10. bis 6. Jahrtausend v.Chr. in mehreren fruchtbaren Gegenden. Große Flusstäler (Nil, Euphrat und Tigris, Indus) waren dafür besonders günstig. Diese Flüsse überschwemmten Jahr für Jahr große Ebenen und lagerten dabei Erde ab, die hohe Erträge lieferte. Der Indus führt doppelt so viel Wasser wie der Nil. Die Pioniere der „Neolithischen Revolution“ machten ihre landwirtschaftlichen Experimente aber zunächst in kleineren Nebentälern der großen Flüsse, ehe sie sich trauten, die großen Schwemmländer unter den Pflug zu nehmen. Zu diesen Experimenten gehörte auch das Finden der Getreidesorten. Es waren dies Mutanten von Gräsern, deren Samenkörner am Halm blieben, statt sich selbst auszusäen. Nur die am Halm verbliebenen Körner konnte der Mensch ernten und ausdreschen. Die Menschen, die das entdeckten, waren die eigentlichen „Revolutionäre“. Dann kam es darauf an, die geeigneten Mutanten zu kultivieren. Das wiederum zwang zur Sesshaftigkeit und diese wiederum erzeugte menschliche Gesellschaften. Die Bevölkerungsvermehrung führte dann zur Intensivierung der Landwirtschaft durch Pflügen, Bewässerung, Felderwechsel etc.23 Dabei konnten global mehrere Agrarsysteme koexistieren, da der technische Wandel sich den lokalen Bedingungen anpasste.24 Dem Ackerbau folgte die Viehzucht. Das Pflügen erforderte Zugvieh. Die Domestizierung des Rindviehs ging der des Pferdes voraus, das nicht wie der Ochse an ein Joch geschirrt werden konnte, sondern allenfalls einen Sattel tragen oder mit einem Brustblattgeschirr einen leichten Wagen ziehen konnte. Erst das Kummet, ein Kragen, der um Brust und Schultern gelegt wurde, machte das Pferd zum Zugvieh, das schwere Böden pflügen konnte. In China war das Kummet bereits 500 v.Chr. bekannt. In Europa verbreitete es sich erst im Mittelalter. Die Induskultur kannte das Pferd nicht, das erst von den einwandernden Ariern mitgebracht wurde, die auch den Streitwagen verwendeten, der in Ägypten und Westasien bereits lange bekannt war. Der Streitwagenkampf erforderte erfahrene Wagenlenker, die zu einer Art niederem Adel wurden. Sie wurden meist vom König ernannt und waren Angehörige einer Garde. In Indien gehörte auch der Wagenbauer zu dieser Elite. Er wurde in den vedischen Texten besonders erwähnt.25 In Ägypten wurde der Streitwagen um 1500 v.Chr. von fremden Eroberern, den Hyksos, eingeführt. Hyksos bedeutet „Königsschäfer“26 und scheint auf die Herkunft von einem Hirtenstamm hinzuweisen. Sie kamen wohl aus Palästina und errichteten ihre Herrschaft zunächst im östlichen Nildelta. Nachdem die Ägypter die Herrschaft der Hyksos wieder abgeschüttelt hatten, übernahmen sie deren Militärtechnik. Der Pharao Ramses II. (1304-1237 v.Chr.) wurde als Streitwagenkrieger abgebildet.27

Die sesshaften Bauerngesellschaften boten die Grundlage für die Königsherrschaft, ein globales Phänomen, das in den alten Kulturen jedoch sehr verschiedene lokale Ausprägungen zeigte. Die ägyptischen Pharaonen sind der Nachwelt meist gut bekannt, sogar ihre Namen sind überliefert. Für sie wurden große Paläste und monumentale Gräber erbaut. Auch die mesopotamischen Reiche von Ur und Babylon und das Reich der Assyrer hatten namhafte Könige, die in großen Palästen wohnten.28 Über das riesige Reich der Induskultur wissen wir dagegen weit weniger. Seine Schrift ist noch nicht entziffert. Es hat dort große Städte gegeben, aber keine Paläste und Königsgräber.29 Vermutlich wurde es von einer priesterlichen Elite beherrscht. Ein über das riesige „Staatsgebiet“ gleichförmiges System von Maßen und Gewichten zeugt von mächtigen Kontrollinstanzen. Dieses Reich trieb mit Mesopotamien einen regen Seehandel, war aber offenbar von ganz anderer Struktur. Eine besondere dürreresistente Weizensorte (Triticum Sphaerococcum) und Gerste waren die wichtigsten Nahrungsgetreide. Der Reis ist nur an wenigen Stellen und in kleinen Mengen von den Archäologen gefunden worden. Die Blütezeit dieses Reichs war um ca. 2500-1500 v.Chr. Sein Untergang wurde wohl vom Klimawandel und tektonischer Veränderung der Flussläufe verursacht. Ausgrabungen in Mehrgarh am Bolan-Pass in Baluchistan haben gezeigt, dass die „Neolithische Revolution“ hier schon im 7. bis 6. Jahrtausend einsetzte. Die Induskultur hatte offenbar lokale Wurzeln und war nicht aus Mesopotamien „importiert“ worden. Sie hatte auch ihre eignen Haustiere wie das indische Buckelrind (Bos Indicus), das die Siegel der Induskultur ziert.30 Während Diamonds Darstellung der eurasiatischen Diffusion eine Gleichförmigkeit nahelegt, zeigt das Beispiel der Induskultur doch deutliche lokale Eigenheiten. Diamond hat sich übrigens in seinem Buch nicht mit der Induskultur beschäftigt.

Für die Globalgeschichte war der von Diamond betonte Kontrast zwischen Eurasien und Amerika auch später noch von großer Bedeutung. Als die Europäer mit Kolumbus nach Amerika kamen, brachten sie ihre Seuchen mit, die die Eingeborenen dort dezimierten. Die Europäer hatten sich über lange Zeiten bei ihren Haustieren angesteckt und gegen die Seuchen immunisiert. Bei den Indianern gab es praktisch keine Haustiere, sie hatten sich nicht gegen Seuchen immunisieren können und starben wie die Fliegen. Dazu kamen die Europäer hoch zu Ross. Die Indianer aber hatten damals noch keine Pferde. Die Europäer wiederum übernahmen viele amerikanische Nahrungsmittel.

Sprache und Schrift

Nachdem die Menschen sesshaft geworden waren und Gesellschaften bildeten, intensivierte sich auch ihre Kommunikation. Sprache und Schrift bildeten sich sehr differenziert aus und traten global auf, zeigten aber viele lokale Varianten. Sie gingen ohne Zweifel nicht von einem Ursprungsort aus, sondern waren räumlich getrennt jeweils neu erfunden worden. Die weiteren Entwicklungen verliefen dabei nicht von einfachen Strukturen zu größerer Komplexität, sondern eher umgekehrt. Man vergleiche nur einmal das alte Sanskrit mit der modernen Weltsprache Englisch. Sanskrit hat einen großen grammatischen Formenreichtum, das Englische dagegen nicht, dafür hat es jedoch ein sehr umfangreiches Vokabular. Die frühen Sprachschöpfer konzentrierten sich wohl auf die semantischen Zusammenhänge und die präzise Wiedergabe der zeitlichen Folge des Geschehens und der Beziehungen der Handelnden, während später die Bezeichnung der beobachteten Phänomene das Vokabular vermehrte.

Die Gestaltung der Schriften war ähnlich komplex. Die frühen Schriften bestanden aus Piktogrammen (Hieroglyphen, alte chinesische Schriftzeichen). In einem nächsten Schritt entstanden aus Piktogrammen zusammengesetzte Ideogramme. Es konnten auch Piktogramme in Lautzeichen verwandelt werden, indem man Laute des Wortes, das das Piktogramm abbildete, durch dieses wiedergab. Diese Art der Verwandlung entsprach der gedanklichen Gestaltung einer Synekdoche (Segel für Schiff). Es gab auch merkwürdige Interaktionen verschiedener Schriftsprachen, so ist zum Beispiel die mongolische Schrift, die alphabetisch ist, als Interlinearversion zu chinesischen Schriftzeichen entstanden und wird daher auch vertikal geschrieben. Es wird gesagt, dass sie auf Befehl Dschingis Khans geschaffen wurde.

Eine besonders eindrucksvolle Entwicklung erlebte die Keilschrift, die von den Sumerern im 4. Jahrtausend v.Chr. erfunden wurde und zunächst auch aus Piktogrammen bestand, aber dann in eine Lautschrift verwandelt wurde, die ganz verschiedenen Sprachen (Akkadisch, Assyrisch, Hethitisch) dienen konnte, so wie später die von den Phöniziern eingeführte alphabetische Schrift in abgewandelter Form noch den Griechen und Römern dienen konnte. Die Erforschung der Entwicklung von Sprache und Schrift ist ein besonders interessantes Feld der Globalgeschichte. Aus globaler Perspektive ist besonders die „raumgreifende“ Qualität von Schrift und Sprache interessant. Sprache und Schrift haben keine natürlichen Grenzen. Sie haben ein Verbreitungspotenzial, das aber durch verschiedene Bedingungen eingeschränkt werden kann.

Die Eroberung der Weltmeere

Die raumgreifendste Aktivität der Menschen in historischer Zeit war die Eroberung der Weltmeere. Der Bau von hochseetüchtigen Schiffen war eine wichtige Voraussetzung dafür, aber auch die nautischen Kenntnisse, die eine Orientierung auf See ermöglichten. Dass selbst ein primitives Floß mit einem Segel hochseetüchtig sein konnte, wurde 1947 von dem Norweger Thor Heyerdahl mit der „Kontiki“ bewiesen. Er segelte von Peru über 6.000 km westwärts über den Pazifik und landete auf einer Südseeinsel. Er wollte zeigen, dass Eingeborene Südamerikas die Oster-Inseln besiedeln konnten. Heyerdahl hatte etliche Nachahmer, die in den folgenden Jahren ähnliche Expeditionen erfolgreich durchführten. Die Polynesier hatten bereits Jahrtausende zuvor von Osten kommend mit ihren Kanus den Pazifik bezwungen. Diese Boote waren mit Auslegern versehen, die sie stabilisierten. So konnten die Polynesier die meisten pazifischen Inseln und zuletzt auch Neuseeland erreichen. In Europa und Asien wagte man sich zunächst nicht aufs offene Meer, sondern beschränkte sich auf die Küstenschifffahrt. Die erste historisch belegte Hochseefahrt war die des griechischen Kapitäns Hippalos, der es wagte um etwa 100 v.Chr. vom Roten Meer mit dem Südwestmonsun über den Indischen Ozean an die südindische Küste zu segeln. Man hatte zuvor geglaubt, dass die indische Westküste von Westen nach Osten verlief. Erst zur Zeit des Hippalos wurde bekannt, dass sie von Nord nach Süd verläuft. Indische Seefahrer dieser Zeit fuhren oft mit leichten Schiffen, deren Planken nicht mit Nägeln, sondern mit Seilen zusammengehalten wurden, an der Küste entlang und mieden den Monsun. Die einzige Quelle, die über die Aktivitäten der indischen Seefahrer jener Zeit aber auch über den intensiven Handel Roms mit Indien berichtet, ist der von einem anonymen Autor ca. 50 v.Chr. verfasste „Periplus des eriträischen Meeres“.31 Der Name „eriträisches Meer“ bezog sich ursprünglich nur auf das Rote Meer, wurde aber von diesem Autor bereits auf das Meer bis zur indischen Ostküste angewandt. Parallel dazu nannten die Chinesen das Meer bis zur indischen Ostküste „Nan Hai“ (Südmeer), ein Name, der sich zunächst nur auf das Meer vor der chinesischen Küste bezog.32 Das ist ein interessantes Beispiel für den historischen Wandel der Raumwahrnehmung.

In der Neuzeit waren die Portugiesen die Pioniere der Seefahrt. Nach den Zeiten der Pest im 14. Jahrhundert hatten die Portugiesen sich hauptsächlich an der Atlantikküste niedergelassen und waren zu Hochseefischern geworden. Ihre Schiffe (Karavelle) waren sehr wendig und konnten gegen den Wind kreuzen. Sie wurden später mit Geschützen bestückt. Auch Kolumbus überquerte den Atlantik mit einer Karavelle. Die portugiesische Seefahrt wurde entscheidend von Prinz Heinrich, dem Seefahrer, gefördert. Er war gar kein bedeutender Seefahrer. Seine Fahrten beschränkten sich auf kurze Ausflüge, aber er war ein großer Unternehmer, der als Großmeister des Christusordens über beträchtliche Mittel verfügte. Er errichtete in Sagres an der Südwestspitze Portugals eine „Akademie“, in der seine Kapitäne eine nautische Ausbildung erhielten. Man sieht dort noch heute eine riesige Windrose, die wohl als eine Art nautischer Exerzierplatz diente. Bei den Fahrten entlang der Atlantikküste Afrikas, die Prinz Heinrich energisch vorantrieb, konnten sich die Kapitäne nicht mehr am Polarstand orientieren, sondern mussten ihre Position anhand des Sonnenstands ermitteln. Hierfür waren sie auf Tabellen angewiesen, die den täglichen Sonnenstand (Ephemeriden) errechnen ließen. Der deutsche Astronom Regiomontanus veröffentlichte 1474 solche Tabellen, die Kolumbus bei der Überquerung des Atlantiks benutzte. Die Tabellen von Regiomontanus waren die besten, aber schon vor ihm hatten die Kapitäne entsprechende Tabellen zur Hand. Prinz Heinrich starb 1460. Zu seinen Lebzeiten war das Werk des Regiomontanus noch nicht verfügbar. Aber die von König Joao II. 1483 gegründete Junta dos Matematicos hatte die Aufgabe, die Ephemeriden weiterhin zu berechnen. Ihr gehörte auch der deutsche Seefahrer Martin Behaim an, der ein Schüler des Regiomontanus war und an den portugiesischen Fahrten entlang der afrikanischen Küste teilgenommen hatte. Behaim stellte 1492 in Nürnberg den ersten Globus her, der allerdings noch nicht Amerika zeigte. Er kehrte dann an seinen Wohnort auf den Azoren zurück, wo sein Schwiegervater Statthalter war. Die Azoren war ebenso wie Madeira von Prinz Heinrich in Besitz genommen worden.

Der Genuese Kolumbus, der sich in Lissabon niedergelassen hatte, bat zunächst die portugiesische Krone um Unterstützung für seine Expedition, die nach Westen übers Meer nach Asien führen sollte. Doch die Junta dos Matematicos lehnte den Plan ab, weil Kolumbus sich verrechnet und eine viel zu geringe Entfernung angenommen hatte. Die Junta ermittelte die genaue Entfernung. Die spanische Krone, an die sich Kolumbus danach wandte, gewährte ihm die Unterstützung. Als er dann Amerika entdeckte, hielt er es für Asien. Die Portugiesen glaubten das nicht, beeilten sich aber, einen neuen Vertrag mit Spanien zu schließen, der die vom Papst vorgenommene Aufteilung des Globus zwischen Portugal und Spanien revidierte. Dieser neue Vertrag, der 1494 in Tordesillas geschlossen wurde, verschob die ursprüngliche Grenze bis zum 46°30’ westl. Länge.33 Damit fiel Portugal der größte Teil Brasiliens zu. Die Spanier hatten von der Existenz Brasiliens noch keine Ahnung, auch die Portugiesen entdeckten es offiziell erst 1500, aber sie hatten wohl schon zuvor davon Kenntnis. Sie hatten bereits 1488 Afrika umrundet, nachdem sie den widrigen Winden getrotzt hatten, die ihnen an der Küste Südafrikas entgegenwehten. Der Kapitän, der das Kap umrundet hatte, nannte es Cabo Tormentoso, der glückliche König, der die widrigen Winde nicht erlebt hatte, nannte es dankbar „Kap der Guten Hoffnung“, denn nun hatte man die Aussicht darauf, Indien zu erreichen. Doch es dauerte ein Jahrzehnt, bis Vasco da Gama tatsächlich Kalikut in Kerala erreichte, über dessen Bedeutung als Handelshafen, wo es den begehrten Pfeffer gab, man schon durch Reisende, die es auf dem Landweg besucht hatten, gut unterrichtet war. Was war in den Jahren von 1488 bis 1498 geschehen? Die Quellen schweigen darüber. Die Portugiesen hielten ihre Unternehmungen streng geheim. Sie müssen in dieser Zeit den südlichen Atlantik erforscht haben, um eine Route jenseits der widrigen Winde zu finden. Dabei wichen sie weit nach Westen aus und könnten dabei schon Brasilien gesichtet haben. Als Vasco da Gama dann nach Indien aufbrach, nahm er ein Proviantschiff mit, das am Kap verbrannt wurde, weil seine Ladung nach dreimonatiger Fahrt aufgezehrt war. Das zeigt, dass die Erkundungsfahrten eine genaue Berechnung des Fahrplans und des entsprechenden Proviantbedarfs ermöglicht hatten.

Vasco Da Gama fand in Ostafrika einen fähigen arabischen Lotsen, der ihn sicher nach Kalikut brachte, wo er eine wertvolle Pfefferladung erwerben konnte, die bei der Ankunft in Lissabon großen Gewinn erbrachte und die Venezianer in Schrecken versetzte, die bisher ganz Europa über das Mittelmeer mit Pfeffer versorgt hatten. Die Rückreise hatte aber lange gedauert, weil Vasco da Gama diesmal keinen kundigen Lotsen hatte und im Indischen Ozean in eine Windstille geriet. Erst nach Umrundung des Kaps ging es zügig voran, weil es nun starken Rückenwind gab. Es folgte 1500 rasch eine weitere Expedition unter Pedro Cabral, der auf dem Hinweg Brasilien entdeckte. Vermutlich war er mit dieser offiziellen Entdeckung beauftragt worden, weil die Portugiesen nun ihre Geheimniskrämerei aufgeben konnten.

Die Eroberung der Weltmeere brachte einen harten Konkurrenzkampf mit sich – zunächst zwischen Portugal und Spanien, bald kamen aber auch die Niederländer und die Briten hinzu.34 Der nächste portugiesische König, Manuel I., kannte sich in den Meeren, die die Portugiesen durchquert hatten, recht gut aus. Er hatte wohl auch die Traktate gelesen, die weitgereiste Autoren geschrieben hatten, um die europäischen Herrscher zu neuen Kreuzzügen aufzurufen. Einer dieser Autoren war der Dominikaner Gullielmus Adam.35 Er war um 1300 bis an die indische Küste gekommen und nannte die Häfen Cambay, Div, Thane, und Kullum (Quilon in Kerala). Er hatte sich auch längere Zeit auf der Insel Sokotra aufgehalten, die vor dem Eingang des Roten Meeres liegt, allerdings nicht nah genug, um von dort aus das Rote Meer zu blockieren. Dazu musste man einen Stützpunkt in Aden suchen. Genau das riet König Manuel seinem Seefahrer Afonso de Albuquerque, den er 1503 mit genauen Instruktionen nach Indien entsandte. Er sollte auch Goa und Malakka erobern, was er 1510 und 1511 tat. Nur die Belagerung Adens scheiterte und die Blockade des Roten Meeres blieb unvollkommen. Albuquerque eroberte auch Hormus im Persischen Golf und die Insel Sokotra, die bereits Adam besucht hatte.

Wenige Jahre nach Albuquerque brach der Apotheker Tomé Pires nach Asien auf, wo er als Botschafter in China dienen sollte. Von 1512 bis 1515 verfasste er seine berühmte „Suma Oriental“.36 Er zeigte ein bemerkenswertes geostrategisches Bewusstsein. Vom Hafen Cambay sagte er, dass von hier die gujaratischen Händler wie mit zwei Armen nach Westen und Osten greifen, und über Malakka schrieb er, dass wer diesen Hafen besitze, die Hand an der Kehle Venedigs habe. Pires kam in China ums Leben, aber die Portugiesen errichteten einen Stützpunkt in Macao in der Mitte des 16. Jahrhunderts, der bis Ende des 20. Jahrhunderts in ihrem Besitz blieb.

Während die Portugiesen von Westen nach Osten vordrangen, wählten die Spanier den Weg vom Atlantik über den Pazifik und landeten in den Philippinen. Der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan (Maghelaes), der an der Eroberung Malakkas teilgenommen hatte, segelte wenige Jahre später im Auftrag der spanischen Krone über den Pazifischen Ozean, dem er diesen Namen gab, und nahm die Philippinen in Besitz, die er nach dem spanischen Kronprinzen nannte. Er fiel dort 1521 in einer Schlacht, aber ein Kapitän seiner Flotte, Sebastian Elcano, setzte die Reise nach Westen fort und wurde so der erste Weltumsegler. Der zweite Weltumsegler war der Spamier Andrés de Urdaneta. Er war zunächst zu den Gewürzinseln gereist und dort von den Portugiesen gefangen genommen worden, die ihn nach Lissabon transportierten und ihm so die Weltumsegelung ermöglichten. Eine weitere Reise, nun aber wieder im Dienst der spanischen Krone, führte ihn 1565 wieder zu den Philippinen, von wo er die Rückreise nach Acapulco über die Nordroute fand. Er wusste um die atlantischen Strömungen und vermutete, dass auch im Pazifik ein Luftstrom zu finden sei, der die Schiffe mit starkem Rückenwind von Osten nach Westen bringt. Er musste dazu nahezu bis zum 38. Breitengrad nach Norden vordringen und kam dann entlang der kalifornischen Küste bis nach Acapulco. So entstand die berühmte „Volta do Mar“, die dann jährlich von der spanischen Galeone befahren wurde, die Silber von Mexico nach Manila brachte. Die Europäer hatten so von 1492 bis 1565 alle wichtigen Ozeanrouten erkundet. Es fehlte nur noch eine Route über die südliche Hemisphäre nach Westen, die es erlaubte, sich vom Monsun unabhängig zu machen. Diese Route fand der Niederländer Henrik de Brouwer 1611, der vom Kap der Guten Hoffnung mit den „Roaring Forties“, den stürmischen Winden, die entlang des 40. Grades südlicher Breite bis nach Australien wehen, die Fahrt nach Java um die Hälfte der Zeit verkürzte. Damals konnte man die Längengrade noch nicht bestimmen. Brouwer hatte das Glück, zur rechten Zeit den Kurs nach Norden zu nehmen und dann durch die Sundastrasse zwischen Sumatra und Java den Hafen Batavia zu erreichen. Einige, die nach ihm dieselbe Route nahmen, zerschellten an der Küste Australiens.

Die Erkundung der Meere führte zu einem enormen Kenntnisgewinn in Europa. Es entstand ein neuer Beruf, der des Kosmographen, der Bücher über die Entdeckungen schrieb, die durch den zu gleicher Zeit aufkommenden Buchdruck weite Verbreitung fanden. Diese Horizonterweiterung trug zum Kulturwandel im Zeitalter der Renaissance bei.37

Wissenschaft als Public Domain

Für die Globalgeschichte war der Durchbruch der modernen Wissenschaft im 17. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung.38 Der Buchdruck und die europäischen Akademien und Universitäten trugen dazu bei, dass die Erkenntnisse der verschiedenen Wissenschaften Verbreitung fanden. Es entstand so eine Public Domain (Wissensallmende), die Interaktionen ermöglichte. Während die physische Allmende durch Übernutzung zerstört werden kann („tragedy of the commons“), kann die Wissensallmende durch Nutzung nur bereichert werden. Der einzelne Wissenschaftler oder Erfinder, der zur Mehrung der Wissensallmende beiträgt, mag jedoch einen Gewinn aus seinem Beitrag ziehen wollen. Das kann er aber nur, wenn er sein Eigentumsrecht an seinem Beitrag durch ein Patent schützen lässt. Solche Patente wurden von der Republik Venedig seit 1450 gewährt. Zu dieser Zeit nahm in Europa der Schutz des Eigentumsrecht seinen Anfang. Dieses Recht wurde von Wirtschaftshistorikern als Grundlage für das Wirtschaftswachstum Europas angesehen.39 Doch dabei sollte nicht vergessen werden, dass zumindest auf dem Gebiet der Wissenschaft die umfassende Wissensallmende immer weit bedeutsamer blieb als der durch Patente begrenzte Bereich. Patentierbare Erkenntnisse konnten überhaupt erst in diesem Umfeld entstehen. Der Wissenschaftler sah den Lohn für seine Bemühungen meist in der Anerkennung durch Seinesgleichen. Er fand diese in den gelehrten Vereinigungen und Akademien seiner Zeit. Die Accademia dei Lincei in Rom, gegründet von dem jungen Aristokraten Frederico Cesi im Jahr 1603, war eine der ersten Akademien dieser Art. Sie nannte sich nach dem scharfsichtigen Luchs, weil sie sich der genauen Beobachtung der Natur widmete. Galilei wurde 1611 ihr Mitglied und war sehr stolz darauf. In Deutschland wurde 1652 eine naturwissenschaftliche Akademie gegründet, die nach ihrer Anerkennung durch den Kaiser den Namen Leopoldina erhielt. In Großbritannien wurde 1660 die Royal Society ins Leben gerufen, deren prominentestes Mitglied bald darauf Isaac Newton wurde. Die „Philosophical Transactions“ der Royal Society sind die älteste kontinuierlich erscheinende wissenschaftliche Zeitschrift. Publikationen wie diese zeugen von der Vitalität der Wissensallmende.

Galilei war in vieler Hinsicht der Vater der modernen Wissenschaft. Er war Mathematikprofessor und Astronom, erfand ein Fernrohr, dessen Linsen er selber schliff, und war auf vielen Gebieten bahnbrechend. Wie viele Gelehrte hatte er freilich auch die Eigenheit, unliebsame Kollegen totzuschweigen. Sein Zeitgenosse, der kaiserliche Astronom Tycho Brahe, wurde von ihm so behandelt. Auf dessen genaue Sternbeobachtungen stützte dann sein Nachfolger im Amt, Johannes Kepler, seine berühmten Berechnungen der Planetenbahnen, die nicht Kreise, sondern Ellipsen sind. Galilei, der mit Kepler korrespondierte und ihn schätzte, war jedoch nicht bereit, die Ellipsen zu akzeptieren. Doch der Fortschritt der Wissenschaften wurde durch solche Debatten vorangetrieben.

Wissenschaft ist ein Prozess, der sich in Wechselbeziehungen mit seinem Umfeld vollzieht.40 Er gedeiht am besten in einer offenen Wissensallmende. Für eine globale Wissenschaftsgeschichte ist es wichtig, dies zu berücksichtigen. Es ist freilich auch wichtig, zu verfolgen, wie die Ergebnisse der Wissenschaft von der Gesellschaft genutzt wurden und welche Rückwirkungen sie wiederum auf sie hatten. Eine intensive Interaktion kam erst zustande, nachdem im 19. Jahrhundert Naturwissenschaften und Technologie unmittelbar zusammenwirkten, wie es zuvor am Beispiel der Telegraphie gezeigt worden ist. Damit wurde auch das Eigentumsrecht an technischen Erfindungen in der Form von Patenten immer bedeutsamer. Die Technologie gab dem Wissenschaftler auch neue Instrumente an die Hand. Die Instrumente, die heute zur Forschung eingesetzt werden, verlangen große Investitionen. Galilei schliff noch die Linsen seines Teleskops mit eigener Hand. Heute wird selbst das Schleifen der Linsen von computergesteuerten Automaten bewältigt. Damit wären wir wieder im Zeitalter der Globalisierung angelangt, mit dem wir uns zu Anfang beschäftigt hatten.

Epilog: Der Funktionswandel der Umwelt

Während der langen Lebenszeit der Menschheit auf der Erde. spielten die Menschen die meiste Zeit nur eine sehr marginale Rolle. Die Umwelt dominierte sie. Wenn sie überleben wollten, mussten sie sich an sie anpassen. Doch im Unterschied zu anderen Lebewesen waren sie nicht an ein spezifisches Biotop angepasst. Sie konnten ihre Intelligenz dazu benutzen, sich an viele verschiedene Umwelten anzupassen. Aber für Jahrtausende waren das noch immer Methoden der Anpassung an die Umwelt und nicht solche der Verwandlung der Umwelt, um sie dem Menschen zu unterwerfen. Frühe Formen des Gebrauchs von Werkzeugen oder von Ackerbau und Viehzucht waren bereits Eingriffe in die Umwelt, aber es dauerte lange bis die Menschheit ein Stadium erreichte, in dem sie die Umwelt völlig umgestalten konnte. Die starke Vermehrung der Menschheit, die bald über 8 Milliarden zählen wird, zeigt bereits die Emanzipation von den durch die Umwelt gesetzten Grenzen an. Viel davon ist dem technischen und medizinischen Fortschritt zu verdanken. Aber der Fortschritt wird von unbeabsichtigten Folgen begleitet, wie der Klimawandel sehr deutlich zeigt, der durch die Menschen verursacht aber nicht beabsichtigt wird. Die Menschheit muss sich nun bemühen, solche unbeabsichtigten Folgen zu erkennen und zu korrigieren. Das ist nicht leicht, weil die Grundausstattung des Menschen aus einer Zeit stammt, als seine Vorstellungswelt von einer dominanten Umwelt geprägt wurde, die ihm als unveränderlich erschien. Die Beschäftigung mit der globalen Geschichte kann dazu beitragen, diese Vorstellungswelt zu wandeln.

Anmerkungen:
1 Philip J. Ethington, Placing the Past: ‚Groundwork’ for a Spatial Theory of History, in: Rethinking History II,4 (December 2007), S. 465-493.
2 Jürgen Osterhammel, Die Flughöhe der Adler. Historische Essays zur globalen Gegenwart, München 2017, S. 39.
3 Dietmar Rothermund, Contemporary India, New Delhi 2013, S. 136, 178.
4 Wolf Schäfer, The New Global History. Toward a Narrative for Pangea Two,in: Erwägen – Wissen – Ethik 14 (2003), S. 75-88; Bruce Mazlish / B.Buultjens (Hrsg.), Conceptualizing Global History, Boulder,Col. 1993.
5 Hans Gebhardt, Das „Anthropozän“ – zur Konjunktur eines Begriffs, in: Heidelberger Jahrbücher Online 1, 2016, S. 28-42.
6 Charles C. Mann, Kolumbus’ Erbe. Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen, Reinbek bei Hamburg, 3.Aufl. 2013.
7 Jeffrey K. Lyons, The Pacific Cable, Hawai’i , and Global Communication, in: The Hawai’ian Journal of History 39 (2003), S. 35-52.
8 Lyons, Pacific Cable, S. 43.
9 Michael Mann, Wiring the Nation. Telecommunication, Newspaper-Reportage, and Nation Building in British India, 1850-1930, New Delhi 2017.
10 Christopher Clark, Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013.
11 Philippe Truttmann, La Barrière de Fer. L’Achitecture des Forts de Général Séré de Revières, Luxembourg 2000.
12 Dietmar Rothermund, War-Depression-War: The Fatal Sequence in a Global Perspective, in: Thomas W. Zeiler u.a. (Hrsg.), Beyond 1917: The United States and the Global Legacies of the Great War, New York 2017.
13 Rothermund, War-Depression-War.
14 Dietmar Rothermund, The Worldwide Depression, 1929-1939,. New Delhi 2016, S. 47 f.
15 John Maynard Keynes, The Economic Consequences of the Peace, London 1919 (New York 1920).
16Keynes, Economic Consequences, S. 36.
17 Keynes, Economic Consequences, S. 56.
18 Ben Bernanke, Essays on the Great Depression, Princeton 2004.
19 Rothermund, Worldwide Depression, S. 180.
20 Rothermund, Worldwide Depression, S. 179.
21 Dietmar Rothermund, The Routledge Companion to Decolonization, London 2006.
22 Jared Diamond, Arm und Reich: Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, Frankfurt am Main, 9.Aufl. 2005.
23 Ester Boserup, The Conditions of Agricultural Growth: The Economics of Agrarian Change under Population Pressure, London 1965, S. 105.
24 Boserup, Conditions, S. 46.
25 Wilhelm Rau, Staat und Gesellschaft im alten Indien, Wiesbaden 1957.
26 Amelie Kuhrt, The Ancient Near East c. 3000-330 B.C., London 1965 (2 Bde.), S. 175.
27 Kuhrt, Ancient Near East, S. 211.
28 Kuhrt, Ancient Near East, S. 109 f., 348 f.
29 Gregory L. Possehl (Hrsg.), Harappan Civilization (2. Aufl.), New Delhi 1991.
30 Possehl, Civilization, S. 509.
31 Lionel Casson (Hrsg.), The Periplus Maris Erythraei, Princeton 1989.
32 Roderich Ptak, Chinesische Wahrnehmungen des Seeraums vom Südchinesischen Meer bis zur Indischen Ostküste, in: Dietmar Rothermund / Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Hrsg.), Der indische Ozean. Das afro-asiatische Mittelmeer als Kultur- und Wirtschaftsraum, Wien 2004, S. 37-60.
33 Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion, Band 1: Die Alte Welt bis 1818, Stuttgart 1983, S. 48 f.
34 Dietmar Rothermund, Violent Traders. Europeans in Asia in the Age of Mercantilism, New Delhi 2015.
35 Giles Constable (Hrsg.), William of Adam. How to defeat the Saracens, Guillelmus Ade, Tractatus quomodo Saracenos sunt expugnandi, Washington 2012.
36 Armando Cortesao (Hrsg.), The Suma Oriental of Tomé Pires, London 1944.
37 Dietmar Rothermund, Kultur des Wissens: Die europäische Expansion als Kenntnisgewinn, in: Thomas Fuchs / Sven Trakulhun (Hrsg.), Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen, Berlin 2003, S. 291-307.
38 H. Floris Cohen, How Modern Science Came into the World, Amsterdam 2010.
39 Douglas C. North / Robert P. Thomas, The Rise of the Western World: A New Economic History, Cambridge 1976.
40 David Hull, Science as a Process. An Evolutionary Account of the Social and Conceptual Devlopment of Science, Chicago 1988.