Vormoderne Herrschaftsformen wurden bisher überwiegend im europäischen Kontext untersucht; transkulturell vergleichende Fragestellungen sind eher selten behandelt worden. Ausgehend von diesem Desiderat unternimmt unsere interdisziplinär zusammengesetzte Netzwerkgruppe einen solchen Vergleich aus epochen-, kultur- und fächerüberschreitender Perspektive; dabei greifen wir Ansätze historischen Komparatistik auf. Unsere Tagungen verfolgen das Ziel, Strategien der Begründung, Legitimation und Inszenierung von Herrschaft sowie Praktiken der Machtausübung, insbesondere der Interaktion monarchischer Herrscher mit unterschiedlichen sozialen Gruppen, in verschiedenen kulturellen Kontexten zu analysieren. Dabei fragen wir danach, ob und inwieweit Strategien und Praktiken monarchischer Herrschaft kulturspezifischen Prägungen folgen und in welchen Punkten oder unter welchen Voraussetzungen kulturübergreifende Muster konstatiert werden können.
Unser Projekt leistet einen Beitrag zur aktuellen Methodendiskussion in der historischen Komparatistik, zur transkulturellen Ausrichtung der Geschichtswissenschaft und zur interdisziplinären Kooperation historisch arbeitender Disziplinen der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung. Zugleich reflektiert die kulturübergreifende Fragestellung Probleme, die aus der gegenwärtigen Lebenswirklichkeit heterogener Gesellschaften an die Geistes- und Kulturwissenschaften herangetragen werden. Ein weiteres Ziel der Netzwerkgruppe besteht darin, speziell für die Neuere Geschichte entwickelte Modelle historischer Komparatistik auf die Vormoderne anzuwenden, zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.
Nach einem konstituierenden Treffen in Heidelberg im Rahmen einer im Dezember vom Sonderforschungsbereich „Ritualdynamik“ veranstalteten Tagung veranstaltete das Netzwerk seine konstituierende Arbeitstagung vom 25. bis 27. Februar 2008 an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema „Globalgeschichte, Vergleich und Transkulturalismus. Impulse für die Erforschung vormoderner monarchischer Herrschaftsformen“. Auf Einladung des Direktors, Michael Borgolte, waren wir drei Tage lang Gäste des Instituts für Vergleichende Geschichte Europas im Mittelalter.
Zwei Gastvorträge erörterten grundlegende Probleme des historischen Vergleichs und aktuelle Versuche, eine Welt- oder Globalgeschichte zu entwerfen. MATTHIAS MIDDELL (Leipzig / Duke University) umriss einleitend das aktuelle internationale Panorama einschlägiger Ansätze. Für die Thematik des Netzwerk besonders ertragreich ist die sogenannte neuere Globalgeschichte, die im Zeichen einer empirischen Wende keine allumfassende Theorie entwirft, sondern die Perspektive eines globalen Zusammenhangs entwirft. So sind es nach Michael Geyer und Charles Bright die Historiker selbst, die in ihrer Praxis die Einheit der Welt herstellen. Doch wurde in der Diskussion kritisch angefragt, ob man mit Geyer und Bright den Beginn einer derartigen „Weltgeschichte“ tatsächlich erst um 1850 ansetzen kann, indem man für die Jahrhunderte zuvor nur von „cultural encounters“ spricht.
Anschlussfähig für Forschungen zur Vormoderne sind insbesondere Ansätze, die sich gegen den „discourse of newness“ wenden und die Globalisierung nicht nur als Prozess, sondern gerade auch als Perspektive verstehen. Ein solches Paradigma polyzentrischer Geschichtsschreibung erkennen manche Vertreter aktueller globalgeschichtlicher Ansätze bereits beim Begründer der antiken Historiographie, dem kleinasiatischen Griechen Herodot, womit dieser zum Archegeten der globalgeschichtlichen Perspektive avanciert. Gerade wenn Vertreter der Globalgeschichte, wie Matthias Middell weiter ausführte, die heutige Weltordnung gekennzeichnet sehen durch Synchronizität in globalen Krisen, Polyzentrismus und Unterschiede in der Handlungsmacht, wird deutlich, dass diese Kriterien auch für eine Globalgeschichte der Vormoderne zugrundegelegt werden können. Middell betonte in diesem Zusammenhang, dass die unterschiedlichen zeitlichen Ansätze für den Beginn des Globalisierungsprozesses auch darauf beruhen könnten, dass hierüber bisher zu wenig bekannt ist, da die Forschung in der Vergangenheit zu sehr nationalen Paradigmen verpflichtet war.
JAN RÜDIGER (Berlin) rekurrierte in seinen Ausführungen zum Thema „Der Vergleich in Zeiten des Kulturalismus. Zur Methodendiskussion in der Mediävistik“ auf die von Marc Bloch eingeführte Unterscheidung von Nahvergleich und distantem Vergleich. Rüdiger wies einerseits darauf hin, dass diese Unterscheidung problematisch ist; andererseits warf er die Frage auf, ob sich der distante Vergleich im Blochschen Sinn für das Mittelalter nur global durchführen lässt, weil für nahezu alle kulturellen Lebensäußerungen im mittelalterlichen Euromediterraneum eine „origine commune“ angenommen werden muss, was nach Bloch die Voraussetzung für einen Nahvergleich darstellt. Rüdiger warnte des weiteren vor einer Hypostasierung des Kulturbegriffs und plädierte zugleich dafür, das Bewusstsein für die Konstruiertheit der Vergleichseinheiten zu bewahren.
Für die weitere Arbeit der Netzwerkgruppe wegweisend sind die auf dem Workshop begonnenen Überlegungen zur Konzeptualisierung einer globalgeschichtlichen Perspektive für die Vormoderne. Notwendig sind des weiteren Präzisierungen am gedanklichen Konstrukt des transkulturellen Vergleichs, der durch die Verwendung des Kulturbegriffs und die damit verbundenen Vorannahmen in methodische Aporien führen kann. Das Anliegen der Netzwerkmitglieder, die Kompetenzen der Fächer Geschichtswissenschaft, Byzantinistik, Islamwissenschaft und Indologie zusammenführen, besteht darin, die Grenzen herkömmlicher Räume (etwa „Europa“) und „Kulturen“ (bzw. „Zivilisationen“) zu überschreiten, um anhand ausgewählter Punkte einen Fernvergleich (im Sinne Blochs) anzustellen und auf diese Weise einen Beitrag zur Konzeptualisierung einer globalen Kulturgeschichte des Politischen in der Vormoderne zu leisten.
Zur Vorbereitung des als Abschluss der ersten Phase der gemeinsamen Arbeit geplanten Sammelbandes sind weitere Arbeitstreffen zu folgenden Themen geplant:
1) Sakrales Herrschertum als vormoderne Weltordnung? Grundlegende Parameter der Herrschaftslegitimation im diachronen und interkulturellen Vergleich (zwei Panels auf dem 2. Europäischen Kongress für Welt- und Globalgeschichte, Dresden, 3. - 5. Juli 2008)
2) Vormoderne Herrscher, soziale Gruppen und Höfe (Oktober 2008)
3) „Sakralität“ und ihre Bedeutung für Legitimation und Repräsentation vormoderner Herrschaft (Frühjahr 2009)
4) Die Bedeutung der memoria für die Konstruktion dynastischer Zusammenhänge und die Markierung von Herrschaftsräumen (Sommer 2009)