Armenier in Wirtschaft und Kultur Ostmitteleuropas (14.-19. Jahrhundert)

Armenier in Wirtschaft und Kultur Ostmitteleuropas (14.-19. Jahrhundert)

Projektträger
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO) ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.01.2008 - 31.12.2010
Von
Stefan Troebst

Vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert waren drei historisch allochthone Großgruppen von besonderer grossregionaler Prägekraft für Wirtschaft und Kultur Ostmitteleuropas - Juden, Deutsche und Armenier. Während aber Juden und Deutsche im östlichen Mitteleuropa seit Jahrzehnten Gegenstand intensiver internationaler Forschung sind, ist dies bei den Armeniern nur sehr eingeschränkt der Fall. Mittels Bündelung disziplinär unterschiedlicher regionalwissenschaftlicher Forschungsbemühungen in Ostmitteleuropa, Russland, Armenien, Iran, Libanon, Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und den USA soll diese Lücke geschlossen werden.

Arbeitshypothese des Projekts ist, dass Armenier ungeachtet ihrer im Vergleich zu Juden und Deutschen deutlich geringeren Zahl in Polen-Litauen und im Habsburgerreich ebenfalls eine „imperiale Minderheit“ bildeten und somit über eigene Aktionsmacht verfügten. Entsprechend haben sie die Städtelandschaft zwischen Triest und Lemberg, Elisabethstadt/Erzsébetváros (heute Dumbraveni) und Kamjaniec’-Podil’skyj, Stanislawów (heute Ivano-Frankivsk) und Narva bis heute sichtbar mitgeprägt und in historischen Landschaften wie Siebenbürgen, Pannonien oder Galizien zahlreiche Spuren hinterlassen.

Von besonderer Spezifik ist die Rolle Ostmitteleuropas in den transkontinentalen Handelsnetzwerken der Armenier, die vom Iran und dem Osmanischen Reich über Russland, Polen-Litauen und Schweden ins nordwesteuropäische Handelszentrum Amsterdam reichten. In der frühen Neuzeit vermittelten armenische Fernkaufleute persische Rohseide sowohl über die Schwarzmeer-Moldau-Route als auch über die Kaspi-Volga-Ostseeroute an die europäischen Verbraucher. Und im Habsburgerreich des 18. und 19. Jahrhunderts war der armenisch vermittelte Viehhandel von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt besaß die armenische Diaspora Ostmitteleuropas große Relevanz für die Armenier im eigentlichen armenischen Siedlungsgebiet selbst sowie in anderen Diasporaregionen, so vor allem im kirchlich-theologischen Bereich sowie auf den Gebieten von Buchhandel und Buchdruck. Gleichfalls in das Erkenntnisinteresse des Projekts fällt die Frage nach der ebenso friktionsarmen wie weitreichenden Assimilation der Armenier Ostmitteleuropas in die Mehrheitsgesellschaften im 19. Jahrhundert.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wird erstmals eine umfassende bibliographische Bestandsaufnahme der verstreut und vielsprachig publizierten Forschungsliteratur unternommen sowie ein Netzwerk von Forschungskooperationen geknüpft werden. Ein erster internationaler Workshop ist für das Frühjahr 2009 in Leipzig geplant.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Zeitraum 2008-2010 geförderte Projekt wird von dem Neuzeithistoriker Prof. Dr. Stefan Troebst und dem Mediävisten Prof. Dr. Christian Lübke geleitet. Projektbearbeiter sind der Habsburgspezialist Dr. Andreas Helmedach und der Armenologe Bálint Kovács M. A..

Redaktion
Veröffentlicht am
04.03.2008
Beiträger