Promotionskolleg "Globalisierung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive"

Promotionskolleg "Globalisierung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive"

Project owner / organizer
Universität Mannheim ()
Hosting organization
City
Mannheim
Country
Germany
From - Until
01.04.2005 -
By
Karin Fischer

Globalisierung ist einer der Leitbegriffe der gegenwärtigen Epoche, ein Schirmbegriff, der neueste Entwicklungen in der Ökonomie, den Medien, der Politik, der Kultur und der Ökologie (u. a.) umfasst. Man kann ohne Zweifel heute von der Epoche der Globalisierung sprechen, deren Schwelle man 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der bipolaren Weltordnung ansetzen kann.

Die damit einsetzenden politischen und ökonomischen Veränderungen werden begleitet von der zunehmend umfassenden Bedeutung des Internets und verwandter Informations- und Kommunikationstechnologien. Der ursprünglich aus dem Marketing stammende Begriff Globalisierung wird häufig als normativer Begriff verwendet und von den einen als Allheilmittel, von den anderen als große Bedrohung und Gefahr betrachtet. Vorausgesetzt wird dabei meist stillschweigend und unreflektiert, dass es sich um etwas absolut Neues handle; festzuhalten ist indes, dass der gegenwärtige Globalisierungsschub die radikale Verstärkung und Beschleunigung einer Entwicklung darstellt, die weit in die Geschichte (mindestens bis in die Zeit der Entdeckungen um 1500) zurückgreift. Sie ist – nicht zuletzt aufgrund dieser langen Vorgeschichte – unhintergehbar, d. h. man kann nicht hinter diese Entwicklung zurückgehen, und auch die Ablehnung oder versuchte Abkapselungen partizipieren noch (indirekt) an ihr. Mit der Globalisierung muss man daher rechnen.

Wenn dies richtig ist, dann ist damit jedoch noch keineswegs gesagt, dass das Phänomen auch schon verstanden sei. Zu unterscheiden sind zunächst zwei grundsätzliche Ebenen des Begriffs der Globalisierung: Zum einen kann man ihn als deskriptiven Begriff verwenden und damit u. a. folgendes meinen: Zusammenwachsen der nationalen Märkte, Finanztransfers in Echtzeit, amerikanische Unterhaltungskultur selbst im Dschungel, McDonald’s auf den Champs-Elysées, Englisch als Lingua Franca der Gegenwart, Vernetzung der (angeschlossenen) Weltbevölkerung qua Internet und damit Synchronisierung der Information und der Kommunikation sowie des (Welt-)Wissens, Ablösung der Produktion und des Kapitals von regionalen oder nationalen Zusammenhängen, weltweite Migrationsbewegungen, wobei die Zugehörigen einer Gruppe (via Medien, Transport, Rückkehr) weiterhin transnational verbunden bleiben etc.

Zum anderen – und hier liegt eine der zentralen Aufgaben der Wissenschaft – kann und sollte der Terminus als analytischer Begriff gebraucht werden: Was sieht man anders, wenn man die Welt durch die Optik der Globalisierung beobachtet? (Indem man eine solche Frage stellt, begibt man sich auf die Ebene einer Beobachtung zweiter Ordnung, d. h. man beobachtet nicht mehr direkt die Objektwelt, sondern den Vorgang des Beobachtens der Objektwelt und die damit verbundenen Operationen und Erkenntnisse.) Eine solche Umstellung der Betrachtungsweise macht fundamentale Konsequenzen sichtbar: Wissensformationen müssen überdacht werden, Disziplinen, die bislang das Rüstzeug der Beschreibung bereitstellen, greifen teilweise nicht mehr, weil sie national kodiert und daher zu wenig umfassend oder auch zu wenig komplex sind (Nationalökonomie, Nationalliteratur, Nationalkultur im Gegensatz zu globaler Ökonomie, Literatur und Kultur, aber auch Schriftkultur im Gegensatz zur Multimedialität der Gegenwart). Weiterhin ist zu fragen, in welcher Weise die Gesellschaftsstruktur durch Globalisierungsprozesse verändert wird. Ist beispielsweise die für moderne westliche Gesellschaften charakteristische funktionale Ausdifferenzierung noch ein gültiges Beschreibungskriterium für den Zustand weltweiter Vernetzung aller Bereiche? Schließlich ist auch nach Veränderungen und Neukonfigurationen von kulturellen Formationen, etwa der Kunst und Literatur, in diesem Kontext zu fragen. Neben der zweifellos zentralen ökonomischen Ebene müssen aus kulturwissenschaftlicher Sicht insbesondere diese drei Ebenen (Wissensformationen, Gesellschaftsstruktur, Kunst/Kultur) bearbeitet und in ihrer Interaktion sichtbar gemacht werden. Globalisierung wird hierbei als Oberbegriff für Prozesse eingesetzt, die transnational ablaufen, neue Raum-Zeit-Kontinua schaffen (Synchronisierung) und mit der Metapher der Vernetzung zu charakterisieren sind.

Was die Forschungslage betrifft, so liegen die meisten Untersuchungen zum Thema bislang in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vor. An die Befunde können die von den Mitgliedern des Kollegs zu leistenden Untersuchungen insofern anschließen, als in den vorliegenden Arbeiten zur Globalisierung schon wesentliche Entwicklungen der Gegenwart beschrieben sind. Der im vorigen Abschnitt als dritter aufgeführte Bereich der kulturellen Globalisierung, der im Mannheimer Promotionskolleg im Mittelpunkt stehen soll, ist dagegen bisher nur in einigen Ansätzen bearbeitet (u. a. JAMESON, WAGNER, TOMLINSON). Ebenso liegen bezüglich der entscheidenden Problematik einer theoretischen Fundierung (wie kann man in einer globalisierten Welt wissen und erkennen, welche Modelle gibt es bereits, was bedeutet Synchronisierung für ein immer noch sequentiell und nachträglich operierendes Wissen und Erklären?) nur einige wenige Entwürfe vor (vor allem TAYLOR, JAMESON, LUHMANN, HARDT/NEGRI); und schließlich ist auch die historische Rückschreibung (WALLERSTEIN, OSTERHAMMEL) erst in Ansätzen begonnen.

Damit ist der Fächerkontext kurz skizziert, innerhalb dessen das Promotionskolleg situiert werden ist. Ein wichtiger, oben bereits mit dem Begriff der Wissensformationen angeschnittener Kontext für das Promotionskolleg besteht darin, dass sich aufgrund der Globalisierungsbewegung und der Medienentwicklung (und damit der rapide und sich beschleunigend verändernden Formen und sich vergrößernden Mengen des Wissens – ein Internetjahr wird mit ca. vier Monaten berechnet) auch der Zuschnitt der Disziplinen der Humanwissenschaften verändert. (Die derzeit in Deutschland laufende Reform der Universitäten von den Studiengängen bis hin zu den Fachausrichtungen steht ja programmatisch im Zeichen der Internationalisierung und ist somit ein unmittelbarer Reflex auf die Globalisierung.) Inter- und Transdisziplinarität sind keineswegs nur ein modisches Spiel mit Etiketten, sondern werden vielmehr deshalb erforderlich, weil ein an immer stärker spezialisierte Teildisziplinen gebundenes Wissen in Bezug auf viele kurrente Problemstellungen nicht mehr hinreichend explikativ ist. Der Oberbegriff für den erweiterten Zugriff heißt heute (in der angelsächsisch geprägten Form) Kulturwissenschaften.

Auch wenn zweifellos nicht alles, was in den „cultural studies“ geforscht, gelehrt und gedacht wird, neu und originell ist, so lässt sich doch als Minimalkonsens festhalten, dass komplexe Prozesse und Probleme der heutigen Gesellschaften und Kulturen ohne eine Weitwinkeleinstellung, die symbolische Praktiken, unterschiedliche Medien sowie inter- und transkulturelle bzw. transnationale Fragestellungen in den Blick bekommt, nicht erfasst werden können. Weder Wissen noch Literatur, weder Fernsehserien noch Meeresströmungen, weder Finanzmärkte noch Terrorismus, weder Recht noch Sprache enden an Nationalgrenzen. Dies ist in Anschlag zu bringen. Das strukturierte Promotionskolleg versteht sich dementsprechend im Kontext einer im weitesten Sinne kulturwissenschaftlich orientierten Fokussierung der Forschung an der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim. Es möchte alle an der Fakultät versammelten Disziplinen (unter Einschluss wichtiger Disziplinen aus anderen Fakultäten, s. u.) unter einer kultur-, literatur-, sprach- und medienwissenschaftlichen Perspektive zusammenführen.

Das für das Promotionskolleg projektierte Lehr- und Forschungsprogramm kann in zwei Ebenen untergliedert werden. Zum einen sollen konkrete Untersuchungen von in den teilnehmenden Fächern jeweils angesiedelten Fragestellungen und Themen in Bezug auf den Prozess der Globalisierung vorgenommen werden . Dies betrifft sowohl Oberseminare und Vorlesungen wie auch Dissertationsprojekte. Zum anderen soll auf einer abstrakteren Ebene eine theoretische Konzeption der Beschreibung und des Verstehens von Globalisierungsprozessen sowie von Modellen entwickelt werden, mit denen unter der Perspektive der Globalisierung im weitesten Sinne kulturelle, gesellschaftliche und historische Phänomene neu beschrieben werden können.

Die zweite Ebene bildet den übergreifenden Zusammenhang des Kollegs und des Forschungsprojekts, mit dem die Arbeiten an konkreteren und spezielleren Fragestellungen verkoppelt sein und durchgängig in einem Dialog stehen sollen. Diese Fragen werden ebenfalls in dazu angebotenen Oberseminaren, aber auch in Gastvorträgen und Kolloquien verhandelt werden. Natürlich werden auch Dissertationsprojekte in diesem Zusammenhang entstehen.

Entsprechend dem schon angesprochenen Spektrum an Forschungsbereichen werden folgende Fragen zu verfolgen sein:

a) In Lehrveranstaltungen (Oberseminaren sowie Diskussionen, Gastvorträgen, Ringvor-lesungen, Kolloquien, Dissertationsprojekten etc., zur konkreten Planung s. u.) soll ein nicht-trivialer und anspruchsvoller Begriff der Globalisierung erarbeitet werden, der auch das Phänomen des Transnationalismus einbezieht. Mit Beck ist zunächst zwischen Globalisierung, Globalismus und Globalität zu unterscheiden. Eine Definition, die als Minimalkonsens anzusehen ist, könnte diejenige von van Elteren sein: „Globalization refers to those processes, operating on a worldwide scale, which cut across national boundaries, integrating and connecting communities and organizations in new space-time combinations, making the world objectively and in the experience of people, more interconnected. Globalization implies a movement away from the classical sociological idea of a ‚society‘ conceived as a well-bound system – geographically identified with the territory of a nation or region – and its replacement by a perspective which concentrates on ‚how social life is ordered across time and space.‘“ (54-55)

In diesem Zusammenhang sollen (auch diskursgeschichtlich und mit den Mitteln der historischen Semantik) Definitionsversuche zusammengetragen und begriffsanalytisch untersucht werden, wobei Gemeinsamkeiten und Differenzen zu früheren Formen internationalen Austauschs genauso reflektiert werden müssen wie Unterschiede gegenüber früheren Migrationsbewegungen, Handelsdiasporen und deren transnationalen Verbindungen und kulturellen Mischungen (die es in unterschiedlicher Dichte immer schon gegeben hat).
Außerdem soll die historische Dimension der Entwicklung untersucht werden – ein möglicher erster Punkt wären der Beginn der Neuzeit um ca. 1500 (Renaissance, Buchdruck, Entdeckung der Neuen Welt, Reformation) und die zu dieser Zeit einsetzenden transatlantischen Austauschbewegungen zwischen Europa, Afrika und Amerika, ein weiterer die Entstehung der Nationalstaaten seit dem späten 18. Jahrhundert, dann ein wichtiger Globalisierungsschub im späten 19. Jahrhundert und bis zum 1. Weltkrieg, und schließlich die jüngeren Entwicklungen seit 1945.

Die aktuelle Phase der Globalisierung beginnt ca. 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer (vgl. Osterhammel/Petersson ).
Schließlich soll der Begriff der Kultur differenziert auseinandergefaltet werden ( Williams, Geertz , Kulturanthropologie, Kultursemiotik, historische Semantik, Systemtheorie), um dann zur Frage der kulturellen Globalisierung übergehen zu können. Hier sind bereits vorliegende Modelle zu diskutieren, wie dasjenige des „Kampfs der Kulturen“ ( Huntington ), „Dschihad versus McWorld“ ( Barber ), der „Glokalisierung“ ( Robertson ) sowie das vielleicht erfolgversprechendste Erklärungsmodell der kulturellen Mischung im Kontakt, der Hybridisierung und der Kreolisierung. Dabei muss ein weit gefasster, anthropologischer Kulturbegriff angesetzt werden, der nicht nur das Spektrum von hoher über die populäre bis zur Massenkultur erfasst – in globalisierten Konstellationen kann man sich nicht mehr allein mit der Höhenkammkultur befassen –, sondern auch einen anspruchsvollen Begriff der Funktionen kultureller Formen und kulturellen Handelns zugrunde legt.

b) Wenn der Begriff mehr bezeichnen soll als nur einen weiteren Modernisierungsschritt, dann müssen auch qualitativ andere und neue Formen / Strukturen / Prozesse beschrieben werden. Globalität impliziert ein den ganzen Globus umfassendes System, in dem, zumindest potentiell, jedes Element mit jedem anderen verkoppelt ist. Dabei entsteht eine Form der Ganzheit , die nicht totalisiert . Die Teile werden keineswegs dem Ganzen subordiniert; vielmehr bilden sie in ihrer Gesamtheit das System, das so einerseits in Bezug auf seinen Aufbau komplett auf die Elemente zurückgeführt werden kann, zum anderen jedoch auch in seinen Operationen und Operationsmöglichkeiten mehr als die Summe der Teile darstellt. Um globale Prozesse denken zu können, sind Theoriemodelle am meistversprechenden, die die neuen Verhältnisse als Netzwerk verstehen.

Damit lassen sich Prozesse des Austauschs, der Interdependenz und der Interpenetration beschreiben, die als nicht-triviale Prozesse rekursiv, d. h. über Rückkopplungsschleifen verbunden sind, die somit nicht mehr mit einfachen Vorstellungen von Linearität und Kausalität zu begreifen, die also im strengen Sinne komplex sind. Wie Luhmann schreibt, ist die Welt der modernen Gesellschaft „Korrelat der Vernetzung von Operationen und von jeder Operation aus gleich zugänglich.“ Luhmann begründet die Notwendigkeit eines globalen Blickwinkels, er spricht von der Weltgesellschaft , indem er argumentiert, dass, wenn man auf regionale Unterschiede abstelle, man über eine Aufzählung von deren Besonderheiten nicht hinauskomme. „Geht man dagegen von der Weltgesellschaft und ihrer funktionalen Differenzierung aus, ergeben sich Anhaltspunkte für die Probleme, mit denen die einzelnen Regionen sich konfrontiert finden ... das wird sicher nicht zu linearen Kausalzurechnungen führen ... Man wird aber ein besseres Verständnis für überraschende, nicht prognostizierbare, nicht-lineare Kausalitäten gewinnen können, etwa für ‚dissipative Strukturen‘, für ‚Abweichungen verstärkende Effekte‘, für das Verschwinden von anfänglich bedeutsamen Unterschieden und umgekehrt: für gewichtige Auswirkungen minimaler Differenzen, darunter nicht zuletzt des Zufallsfaktors regionaler ‚policies‘.“ (164)

Komplexität und durchgängige, unhintergehbare Vernetzung implizieren darüber hinaus auch Emergenz als eine Form der Veränderung. Die Ergebnisse von hochgradig vernetzten Interaktionen sind nicht vorhersehbar; ein Netz ist hochkomplex, das heißt, es gibt zu viele Variablen, um präzise voraussagen zu können, was geschehen wird. Daher kann und wird durch die Interaktion der Elemente unvorhersehbar Neues entstehen, Neues, das sich nicht auf die schon vorhandenen Elemente direkt zurückführen lässt, sondern durch das Zusammenspiel erst entsteht. Die entscheidenden Begriffe eines Denkens in Netzwerken sind also: Interdependenz und Interpenetration, Emergenz, Komplexität und Adaptibilität. Ein solches System basiert ausschließlich auf internen Vorgängen bzw. Operationen; es gibt kein Außen, das die inneren Vorgänge steuern könnte. Wichtig ist dabei, dass die Elemente Informationen austauschen bzw. kommunizieren. Das sind die maßgeblichen Operationen, über die sich das System selbst reproduziert.

Die wichtigsten Unterscheidungen, mit denen globale Phänomene erklärt werden können, sind nach van Elteren : Universalisierung versus Partikularisierung, Homogenisierung versus Differenzierung, Integration versus Fragmentierung, Zentralisierung versus Dezentralisierung, Nebeneinanderstellen bzw. Addition des Differenten (Juxtaposition) versus Synkretisierung, Einheitsbildung und Gleichförmigkeit versus neue Differenzierung. Etwas abstrakter formuliert geht es also um (philosophische) Fragen bezüglich Konstellationen von Einheit und Vielheit und, kulturell betrachtet, um Konstellationen des Eigenen und des Fremden . Gefragt werden muss dann, wie Differenz und beobachtungsermöglichende Unterscheidungen mit der heterarchisch organisierten, plural-komplexen Welt zusammenzudenken sind. Begriffe, mit denen man hier weiterkommt, sind a) derjenige der „Glokalisierung“ , der auf die konstitutive Komplementarität von gleichzeitigen, gekoppelten und dabei auch gegenläufigen Prozessen der Globalisierung und Lokalisierung hinweist (bekanntlich wurden einige Regionen bzw. lokale kulturelle Identitäten erst in Reaktion auf medial vermittelte globale Identitäten erfunden) und b) derjenige der Hybridisierung (Kreolisierung bzw. kulturellen Mischung), der nicht nur den Kulturkontakt im allgemeinen charakterisieren kann, sondern besonders denjenigen in einer global verbundenen Welt. Beide Erklärungsmuster müssen jedoch auf einer abstrakteren Ebene im Modell der dezentrierten und rekursiv verkoppelten Vernetzung gedacht werden.

Entscheidend sind außerdem veränderte Raum-Zeit-Relationen (Abnehmen oder Veränderung der Bedeutung des Raumes, radikale Beschleunigung): Potentiell ist die Gegenwart aller (vernetzten) Erdenbewohner (medial) synchronisiert, virtuelle Partizipation in Echtzeit ist möglich und wird (etwa auf den Finanzmärkten, in der Wissenschaft oder in der Kunst) auch erwartet. Dies führt jedoch auch zu einer Zunahme der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (kulturell, Entwicklungsstand ...) bei gleichzeitigem Ansteigen der Vernetzung und daher auch des beschleunigten Austausches (von Informationen und Kommunikationen, Geld, Gütern, Wissen, Menschen, aber auch von Terror und Viren). Temporal betrachtet verliert innerhalb dieser Entwicklung die Vergangenheit an Einfluss, während die Gegenwart und die Zukunft zu den bestimmenden Zeithorizonten werden. Ein signifikantes Beispiel für die Dominanz der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit besteht darin, dass in wenigen Jahren mehr Menschen in der Gegenwart leben werden als jemals in der Vergangenheit gelebt haben. So wird bezüglich jeder Art von tradierbaren Formen deren Anschließbarkeit in der Gegenwart weit wichtiger als ihre Bedeutung als Tradition.

c) Es ist unsere These und auch eines der Ziele der im Promotionskolleg projektierten Forschung, nachzuweisen und zu zeigen, dass in Globalisierungsprozessen kulturelle Komponenten einen entscheidenden Faktor darstellen, der der Wirtschaft keineswegs nachgeordnet ist. Jameson argumentiert in „Notes on Globalization as a Philosophical Issue“: „The becoming cultural of the economic, and the becoming economic of the cultural, has often been identified as one of the features that characterizes what is now widely known as postmodernity.“ (60) Er fragt dann weiter, „whether, in our time, the relationship between culture and economics has not fundamentally altered…. It does seem to me that fresh cultural production and innovation … are the crucial index of the centrality of a given area and not its wealth or productive power.“ (67). Wenn es so ist, dass die Globalisierung die entscheidende Entwicklung der Gegenwart darstellt, und wenn es weiterhin korrekt ist, dass in dieser neuen Weltordnung kulturelle Mischung und kulturelle Konfrontation genauso ausschlaggebend sind wie ökonomische Prozesse, dann wird auch klar, dass die Erforschung genau dieser kulturellen Dimension der Globalisierung im Zentrum aktueller Forschungsdesiderate stehen muss. Damit wird jedoch auch der auf symbolischen Medien wie Sprache basierende Weltzugang und ein interpretierender, nicht-quantifizierender Wissenschaftsansatz zu einem wesentlichen Weg, um die sich schnell verändernde Welt zu verstehen. Ohne die kulturelle Komponente kann auch die ökonomische und die politische, ja selbst die ökologische Seite der Globalisierung nicht vollständig verstanden werden (vgl. etwa das obige Zitat von Hardt/Negri).

Eine der am häufigsten gestellten Fragen bezüglich der Globalisierung betrifft die Dominanz der USA sowohl in ökonomischer, politischer als auch in kultureller Hinsicht. Auch wenn diese Vorherrschaft ohne Zweifel besteht, so ist doch im Sinne einer Theorie der nicht-hierarchischen Vernetzung zu untersuchen, wie amerikanische gesellschaftliche und kulturelle Modelle und Formen und selbst Produkte jeweils in anderen Ländern und Kulturen aufgenommen werden. Hier bietet sich das Erklärungsmodell der selektiven Appropriation und Adaptation an. Im Kontext des Promotionskollegs wird diese Perspektive auch die Frage nach der Bedeutung und (kulturellen) Positionierung Europas in einer globalisierten und stark amerikanisch geprägten Welt implizieren. Literarische, kulturelle, ethisch-moralische und rechtliche Fragen in multikulturellen Gesellschaften gehören ebenfalls in diesen Zusammenhang.

Zusammenfassend sind folgende Untersuchungs- bzw. Beobachtungsebenen zu unterscheiden:
1) die Phänomenalität der Globalisierung (Geschichte, Begriff, aktuelle Erscheinungen – also Deskription);

2) die Theorie der Globalisierung / Globalität als Beobachtungsebene zweiter Ordnung (Ansätze bei Luhmann, Taylor, Hardt/Negri );

3) Selbstreflexion der Kultur und der Kulturwissenschaften im Zeichen der Globalisierung.

4) Die vierte Ebene ist jeweils auf die ersten drei bezogen und enthält konkrete Untersuchungen von Objektbereichen unter der Perspektive von Globalisierungsprozessen.

English Summary:
The graduate program "Globalization and Cultural Studies" offers doctoral students the opportunity to study globalization processes within a uniquely transdisciplinary context. As an interdisciplinary research forum, located in the Humanities Division of the University of Mannheim, the graduate program is designed to introduce cultural studies perspectives to the burgeoning field of globalization studies. Within a cultural studies framework, globalization can be understood as an irreversible process that influences not only economic developments and inter-, or transnational political relations but also systemic developments, cultural dynamics, and diverse other areas of experience.

It is a phenomenon which on the one hand needs to be investigated in its concrete manifestations, in such distinct areas as economics, the arts, literature and culture, politics, media, social developments, migration movements etc., and which on the other hand also implies a "new" or at least modified paradigm of observation. Do we see differently when we look at well-known events, developments, and artefacts through the perspective of global, transnational, or cosmopolitan networks of dynamic relationships? Does this require some form of "paradigm shift" or does it merely involve an extension of existing angles of description and research?
While globalization processes have been at the center of investigations in economics, politics and international relations as well as the social sciences and, furthermore, have come to take center stage in recent public debates, researchers in the humanities have paid scant attention to the phenomenon and the complex cultural, political, and critical issues it raises.

The analysis of "globalization" - understood here as an umbrella term for transnationalism, cosmopolitanism, network culture, dynamic interactive and emergent systems etc. - within the framework of cultural studies and the humanities constitutes a field of inquiry yet to be explored on a wide range of levels. This includes research concerning specific and concrete areas as well as theoretical explorations that seek to combine models from literary and cultural theories, philosophy, the natural sciences, information and media theory as well as the social sciences. Such research is pertinent because, as several authors have claimed, in a post-industrial information and network world society, economic, political, and cultural developments have become inextricably bound. While economic and political changes can no longer be understood without taking cultural dynamics into account, cultural transformations have to be considered in the context of economic and political processes. The forms and functions of knowledge in a global system, then, are at stake and might well have to be radically rethought. Accordingly, the graduate program "Globalization and Cultural Studies” regards itself as an open and emergent project. It adopts an interdisciplinary approach while remaining based in a humanities and cultural studies environment.

Participating disciplines include American Studies, English, German Studies, History, Media and Communications Studies, Philosophy, Romance Studies, and Slavic Studies; in addition, these fields will cooperate with the social sciences and the economics and law departments of the University of Mannheim.
Applicants should provide an exposé outlining a transdisciplinary research project that maintains strong ties to one of the participating disciplines in the Humanities Division of the University of Mannheim. The scholarships cover two years of studies, with the possibility of a one-year extension. We expect participation in the scholarly curriculum of the Graduate Program, enthusiasm for intense discussion, and the presentation of research results on a frequent basis.
Every fellow will work with one supervisor and two further mentors with which s/he discusses her or his ongoing work. Sufficient knowledge of the German language is required. Each scholarship is in the amount of 820 € per month.