Zwei zeithistorische Bände liegen hier vor, deren Autoren den Akzent jeweils auf die Entfaltung der Bonner Beziehungen zu Nahost gelegt haben. Das ist erfreulich, zumal im zweiten Fall eine Lücke klaffte. Freilich war so ein Ansatz zur Zeit der deutschen Teilung üblich; und nicht anders möglich: man versuchte, die Geschichte getrennt aufzuarbeiten.
Heute aber, da die internen Dokumente aus den beiden deutschen Entscheidungszentren für die gewählte Periode bis 1973 gleichwohl einsehbar sind, bringt dies Probleme. Kann diese zweierlei deutsche Historie denn noch hinreichend nur von einer Seite her erklärt werden? Und was folgt daraus im Verhältnis von Primär- und Sekundärquellen? Ist es in Ordnung, Bonner Akten zu ergründen, sich aber auf der Seite Ostberlins lediglich mit den dortigen offiziellen Editionen oder gar den einst gleichgeschalteten Medien zu begnügen?
Beiderseits galt Nahost - nach den Bündnispartnern - als erstrangige Konfliktregion. War die deutsche Geschichte nicht derart verzahnt, dass man rückblickend nur zu gesicherten Erkenntnissen gelangen kann, wenn man synoptisch, ja gleichrangig die Quellenbestände aus dem Westen und aus dem Osten durchforstet? Und wenn sich solcherlei "doppelte" Nahostbeziehungen im dynamischen Viereck entwickelt haben - West- und Ostdeutsche hier, Israelis und Araber dort - inwieweit sind sie dann nur aus einer Ecke erklärbar?
Katja Engler hat ihre Arbeit auf Bonn und zwei arabische Länder zugeschnitten, auf Irak und Jordanien. Damit verfolgt die Autorin der Technischen Universität Chemnitz eine reizvolle Idee. Denn bekanntlich wollten die Briten Ostarabien nach dem Ersten Weltkrieg in drei Königreiche teilen. Zwar schlug ihr syrisches Projekt fehl, doch ebnete Kolonialminister Winston Churchill zwei haschimitischen Monarchien den Weg: heute herrscht diese Dynastie noch in Amman, während in Bagdad sie die Militärs 1958 stürzten.
Dieser Coup sorgte in Bonn für Bauchweh, in Ostberlin für Jubel. Mit Jordanien war es umgekehrt. Wieso? Das kann Engler, die ihr Werk als klassisch diplomatiegeschichtliche Studie einordnete, in Grundzügen erhellen. Also auch, wie sich die Deutsche Frage - ein wieder vereinigtes Deutschland oder auf längere Zeit zwei deutsche Staaten - gegenüber Arabien ausnahm. Aus den Antworten, ob es länger zwei deutsche Staaten geben würde oder eine Wiedervereinigung unter Bonner Regie wünschenswert wäre, wurde in jenem Vierecksverhältnis jeweils auch die konkrete auswärtige Politik hergeleitet.
Engler übersah viel Literatur, zumal Jordanien und der Irak in zwei Bänden "Deutsche in Nahost: 1946-1965" mit erhellt worden sind. Hinzu kommt der methodische Stolperstein: Sie erkundete Bonns Kurs gegenüber Amman und Bagdad allein nach westlichen Akten. Überdies hätte dort der "Nachlass Dr. Hermann Voigt (1889-1968)" ausgewertet werden müssen; denn er leitete ein Jahrzehnt das Referat Vorderer Orient („Naher Osten“ 1958-1963) im Auswärtigen Amt. Beides, die mangelnde Literaturkenntnis und das einseitige Quellenstudium, schlagen sich nunmehr in diversen fraglichen Einschätzungen nieder.
So berücksichtigt die Autorin nicht den frühen Alleinvertretungsanspruch, den Ostberlin ideologisch verfolgt hat. Ohne ihn lässt sich wenig erklären, auch nicht die Rivalität ab 1953, jenem Jahr, in dem in Nahost zweierlei deutsche Gesandte auftauchten, die je ihren Anspruch auf Alleinvertretung erhoben haben. Bonner Manöver zielten auf die Abwehr Ostberlins. So kam es zur Nahost-Initiative im Frühjahr 1956 gegen die ostdeutschen Vorstöße in Syrien, deren Hintergrund Engler ohne das Wissen aus Akten der anderen Seite verkennt. Dies trifft auch auf die Aussage zu, Kairo hätte eine mögliche Anerkennung Ostberlins nicht offen angesprochen (S. 94). Nein, es betrieb damit offen ab 1953 seine Politik und brachte es auch fertig, Delegationen aus dem deutschen Osten und Westen zugleich in die Nilmetropole einzuladen - und somit gegeneinander auszuspielen.
Gut stellt Engler die Pionierrolle dar, die Bonn bald als westlicher Interessenvertreter in Nahost zu erfüllen begann. Dies um so mehr, als der britische und französische Stern dort infolge der Kriege in Algerien und Sues zu sinken begann. Freilich wiederholt sie einige alte Wertungen, die angefochten worden sind: nach dem Wiedergutmachungsabkommen mit Israel von 1952 sei von Arabern "kein nennenswerter Protest" mehr gekommen (S. 67, 102). Das Gegenteil war der Fall. Die Kritik der Autorin an Niels Hansens Urteil (S. 71) hingegen leuchtet ein. Bonn schwankte aber in der Suezkrise und trat gar zeitweilig für eine Internationalisierung des Suezkanals ein (S. 97). Das nutzte Ostberlin aus, zumal es 1954 Militärkontakte zu Kairo aufnahm. Das half dabei, dass Ägypter erstmals 1955 Waffen aus dem Ostblock importiert und im Sommer 1956 in Kairo vorgeführt haben.
Zu unkritisch nimmt Engler Stellung zum außenpolitischen Debakel der Bonner Republik, als 1965 zehn der 13 arabischen Staaten ihre Beziehungen zu Bonn abbrachen, dass aus dieser Krise heraus die Flucht nach vorn antrat und Israel anerkannt hat. Die unflexible Alleinvertretung wurde fraglich. Ostdeutsche Akten hätten ihr gezeigt, wie Ostberlin ab 1957 seine volle Anerkennung durch eine Ländergruppe der Paktfreien mit Indien oder der Araber mit Ägypten an der Spitze gesucht hat. Dem diente Otto Grotewohls Reise in sechs afro-asiatische Länder 1959. Der Ministerpräsident erhielt aus dem Irak die öffentliche Zusage einer Anerkennung zur gegebenen Zeit. So hoffte man in Ostberlin, angedrohte Bonner Boykotte zu entkräften. Dieser Plan ging auf: Bagdad erkannte Ostberlin 1969 an und Amman 1973. Da die Autorin kein Arabisch liest, konnte sie auch von der Seite nicht erhellen, wie das Bonner Kind in diesen Nahostbrunnen fiel.
Zur Zeit der Zweistaatlichkeit kann man nicht von "Deutschland" (S. 40 ff.) oder vom "deutschen Außenministerium" (S. 89) reden, wenn man Bonn meint. Einen speziellen Wortschatz wie "Führerbefehl" (S. 55) mag man als solchen markieren. Darf man bei diesem Thema die Rolle der Bonner Ehemaligen aus der Wilhelmstraße ausklammern? Es gab keine "Republik Israel" (S. 63) wie auch keine "unbelastete Vergangenheit der BRD" (S. 91). Arabische Namen sind oft falsch geschrieben (S. 74 ff.). Der Botschafter hieß Wolfgang, nicht Walter Kiesewetter (S. 135). Keine Mittel der Wiedergutmachung sind in Waffen geflossen (S. 137). Ulbricht war nicht Ministerpräsident (S. 162). Das seltsame Fazit, der "Western" (S. 123) habe in Nahost an Boden verloren, gibt Rätsel auf.
Ähnlich angelegt ist Daniel Gerlachs Arbeit zum Bonner Vorgehen im Nahostkonflikt zwischen den Kriegen 1967 und 1973. Auch er sieht sein Werk, das er an der Universität Hamburg anfertigte, als Diplomatiegeschichte. Drei Ebenen sind es, die er ins Zentrum rückt: internationale Beziehungen, institutionelle oder Innenebene sowie Wahrnehmung. Zehn Kapitel sind chronologisch und thematisch geordnet. An die Stelle der Diskussion des Forschungsstandes rückten Leitfragen, etwa wie sich der Nahostkonflikt auf die Bonner Republik auswirkte, ob es dort eine spezifische Nahostpolitik gab und welche Rolle Akteure in Washington und Ostberlin gespielt haben.
Kapitel sechs ist der Ostberliner Nahostpolitik gewidmet. Inhalt und Fußnoten erhellen, dass Gerlach für Ostberlin keine eigene Archivarbeit geleistet hat. Er beschränkt sich auf Sekundärliteratur und Quelleneditionen. Daraus folgen Fehlanalysen. Ostberlin hielt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, keineswegs gegenüber der PLO und Ahmad ash-Shuqairi zurück (S. 124). Im Gegenteil lud der Ostberliner Parteichef Walter Ulbricht eben diesen ersten PLO-Führer zum Empfang in Kairo im Frühjahr 1964 ein. Dies war der Beginn der bilateralen offiziellen Beziehungen. Jedoch gibt es dazu Literatur. Ein Teil ist davon im Web zugänglich. Es würde hier zu weit führen, die vielen faktischen Ungereimtheiten darzutun. Wenn man sich vornimmt, Schnittstellen wie Parteien, Diplomatie, Militär und Geheimdienste zu ergründen, dann kommt man doch nicht umhin, auch die ostdeutschen Primärquellen zu erschließen. Immerhin zeigt sich, wie man es nicht mehr machen kann.
Für seinen Zeitraum besteht keine Sperrfrist mehr. Sogar der Bundesnachrichtendienst hat sich nach dem Millennium entschlossen, Bestände zur Einsicht aufzubereiten. Und sie sind auch schon benutzt worden und erste Ergebnisse im Internet verfügbar. Da reicht es nicht hin, wenn man einerseits vor den Memoiren warnt, aber andererseits allein aus den Erinnerungen des ostdeutschen Spionagechefs Markus Wolfs zitiert ohne nicht zugleich anhand von Primärquellen zu erhellen, was er hinter den Kulissen wirklich getrieben hat. Das DDR-Kapitel wie auch manche andere Texte halten jedenfalls keiner Prüfung stand.
Einst legten Vertreter der Diplomatiegeschichte ihre gediegenen Arbeiten nur aufgrund eines soliden Quellenstudiums vor. Sie haben erst eingehend den Literaturstand erörtert und dann daraus ihren Themenzuschnitt hergeleitet. Sie würden heute nur noch den Kopf darüber schütteln, wie allein junge Forscher bei ihrer Themenwahl gelassen werden. In beiden Fällen ist der Mangel an methodischen wie fremdsprachlichen Voraussetzungen offenkundig, das von ihnen selbst als Diplomatiegeschichte eingeordnete Werk mit dem adäquaten Handwerkszeug auszuführen. Beide Male waren die Primärquellen zugänglich.