Jüngere Konflikte haben der Beziehungsgeschichte zwischen Deutschland und Mittelost neues Gewicht verliehen. Das spiegelt auch ein Streit wieder, in dem René Wildangel in seinem Werk über Palästina und den Nationalsozialismus den Historikern Klaus-Michael Mallmann, Martin Cüppers und dem Politologen Matthias Küntzel 1 vorwirft "den Arabern kollektive Sympathien für die Nazis" anzulasten.
Abgesehen davon, dass dies einige von ihnen selbst in der Rückschau wie Sami al-Gundi so gewertet haben, nämlich "rassistische Anhänger des Nationalsozialismus gewesen zu sein"2, meint Wildangel, die Angegriffenen gingen einseitig vor, zumal sie ohne Arabischkenntnis die regionalen Quellen nicht erkundet hätten.3 Küntzel wiederum kritisiert Nahosthistoriker in seiner Einleitung zu Klaus Gensickes politischer Biographie über den Palästinenser und Jerusalemer Großmufti Amin al-Husaini, und beklagt eine "Verschluderung der Geschichts- und Islamwissenschaften".
Umgekehrt bedauert Mallmann das geringe Echo von Arabisten auf sein oben erwähntes Buch, das sich ebenfalls mit den Nazis und Palästina befasst. Neben dem Streit um die Notwendigkeit zureichender Arabischkenntisse geht es um den Vorwurf der arabischen Kollaboration mit den Nazis, der sich gerade an Amin al-Husaini entzündet, einer damaligen Schlüsselfigur der Palästinenser und Muslime. Die provozierende These lautet, der Holocaust sei kein rein deutsches Projekt gewesen. Dies müsse klar gesagt werden, ohne dass damit Deutsche entlastet würden. Viele Täter aus anderen Nationen hätten mitgewirkt, zum Teil sogar an Ermordungen.4 Hingegen behauptete Wildangel: jener Großmufti habe bei der Planung und Durchführung der Vernichtungspolitik keine Rolle gespielt. Er sei nur Propagandist gewesen. Der arabische Antisemitismus wäre ursprünglich europäischer Herkunft.5 Die letztere These verkennt allerdings den religiösen Judenhass, der im Islam von Anbeginn steckt. Daher scheint mir die Behauptung der Inkompatibilität von Nazismus und Islamismus fragwürdig.
Beginnen wir mit der ersten Dimension des Streites und unterscheiden einige Gruppierungen unter den Autoren, die sich mit Mittelost befassen: Aus der individuellen Sicht eines Arabisten und Nahosthistorikers fragt es sich hierbei, ob Autoren an einer Universität Regionalstudien6 belegt und sich in Forschung und Lehre ausgewiesen haben. Von dieser Warte bilden die Fachleute Gruppen: Regionalexperten, Generalisten und Praktiker, letztere nicht professionell als Historiker oder Regionalwissenschaftler tätig in der Profession.
Zur Gruppe der Regionalwissenschaftler zählte Gerhard Höpp. Seine Studie über Araber im Holocaust als vergessene Opfer liegt erstmals in arabischer Sprache vor. Sie ist eine multiregionale Analyse und adäquate Synthese. Dieser Arabist und Islamwissenschaftler konnte aufgrund seiner Ausbildung historische Prozesse in Mitteleuropa und Mittelost vergleichen. Auch als er "nur" die Geschichte von Arabern und Muslimen im europäischen Exil in deren Beziehung zu Mittelost erhellt hat, bezog er sich nicht nur auf deutschsprachige Quellen, sondern auch solche in Sprachen des Islam. Er selbst arbeitete in drei solcher Sprachen, von großen Mundarten Europas ganz abgesehen. Das erlaubte ihm multilaterale Synthesen, nicht zuletzt zur komparativen Erforschung von Amerika-Mittelost-Europa.
Diese vielseitige Erkundung von Beziehungen zwischen Regionen ist jenen verschlossen, die nicht in den Regionalstudien linguistische und methodische Mittel erwarben. Dies meint Höpp, wenn er einigen Autoren "Eurozentrismus" vorwarf. Insofern hat auch Wildangel recht, wenn er deren Einseitigkeit betont. Sie mögen deutsche Quellen erkunden, können dies aber nicht gleichrangig mit deren arabischen und hebräischen "Kehrseiten" tun. Man kann ja nicht die internationalen Beziehungen nur von einer Seite her erklären. Wer würde Werke zu deutsch-britischen Belangen oder deutsch-französischen Beziehungen akzeptieren, ohne Englisch- und Französischkenntnisse ihrer Autoren?
Damit komme ich zur zweiten Gruppe, den Generalisten, die sich mit Mittelost befassen. Oft sind es allgemeine Historiker oder Politologen, die keinerlei Regional- und Sprach-Ausbildung absolviert haben. Trotzdem wenden sie sich der Politik und Geschichte von Beziehungen zwischen Deutschland und Mittelost zu. Sie können nur vage die regionalen Quellen und Diskurse erfassen, denn diese liegen nur zu einem Bruchteil in europäischen Sprachen vor.
Gruppe drei bilden Praktiker außerhalb von Lehre und Forschung wie etwa Diplomaten, Journalisten, Juristen oder andere, die in ihren Beiträgen gewisse Sprach-, Länder- sowie Regionalkenntnisse vorweisen. Ein Beispiel ist der Diplomat Max von Oppenheim. Er studierte Jura und erlernte als Diplomat in Kairo Ägyptisch. Oder der Gesandte Dr. Fritz Grobba, der neben Jura zwei Regionalsprachen studiert hat. Gensicke nennt ihn fälschlich Arabist, aber dies hieße, er hätte Arabistik meist im Verbund mit einem weiteren Hauptfach studiert und Kenntnisse des Arabischen, weiterer Regionalsprachen wie Persisch und Türkisch, sowie des Islam, der Geschichte und Kultur nachgewiesen.
Natürlich gibt es Wechsel zwischen den drei Gruppen. Der Mitbegründer der modernen Islamwissenschaft, Carl Heinrich Becker, verließ Gruppe I, um dann zum Kultusminister Preußens aufzusteigen. Umgekehrt gab es auch Autoren der Gruppen II und III, die sich in den Regionalstudien weiterbildeten und in die erste Gruppe avancierten. Manche Autoren der ersten Gruppe gingen in die Praxis, wo Medien ein weites Feld bilden. In den ersten beiden Gruppen wird Wissen geschaffen, in der dritten Gruppe wird es oft angewandt. So manche Grenzen dieser Arbeitsteilung vergehen dabei im Zuge der Medienrevolution, die auch von Regionalwissenschaftlern und Generalisten ein stärker marktorientiertes Herangehen erzwingt.
Diese Gruppierung sagt etwas über die mögliche, nicht aber über die tatsächliche Qualität von Werken aus. Insofern sollte eine fragliche Kompetenz in den Regionalstudien nicht, wie es Wildangel tut, dazu dienen, Bände von vornherein abzutun: es sei erschreckend, dass Küntzels Buch öffentlich wahrgenommen werde. Es gibt immer bunte Zugänge zu Themen, die je ihren Wert haben. Weder sind Monopolisierungen wünschenswert noch Beiträge so genannter Außenseiter von der Hand zu weisen. Wissenschaftshistorisch haben auch sie zuweilen wichtige Impulse gegeben. Wenn nun Autoren durch ihre Beiträge Wissen erweitern, wie Gensicke, Mallmann und Cüppers, muss es eher darum gehen ihre Beiträge herauszuarbeiten und die Schwächen im öffentlichen Diskurs kenntlich zu machen.
Zurück zu Inhalten. Höpps arabisches Buch entstand posthum. Sein Schüler Ziyad Muna hat es ediert. Höpp erhärtet darin, dass im Lagersystem der Nazis sowohl Araber als auch Muslime umkamen. Er konnte für Juni 1944 in den Lagern 1.130 Muslime belegen wie auch eine Ermordung von Arabern, so etwa des Marokkaners Muhammad Bouazad noch im April 1945 in der Mauthausener Gaskammer. Alle Häftlinge stammten aus Mittelost, wurden aber meist in Frankreich gefangen. Diese Opferkategorie erhellt zu haben, ist unstreitig ein Verdienst Höpps. Ihrer wurde weder auf französischer noch auf arabischer Seite bisher gedacht.
Doch haben die Nazis Araber nicht als solche verfolgt, sondern als Teile anderer Armeen oder des Widerstandes. Für die Nazis galten Araber als "hochwertig". Darüber gibt es Texte, von Hitlers "großer Vorliebe, die er aufgrund seiner Lektüre von Jugend auf stets für das Arabertum gehabt" habe (wie er dem saudischen Berater Khalid Al Hud im Juni 1939 mitteilte), über die bilateral betonte "natürliche Partnerschaft" bis zu den 1942 gegebenen und 1944 edierten Worten von Professor Groß aus dem "Rassenpolitischen Amt der NSDAP", Araber seien eine "hochwertige Rasse, streng vom rassenbiologisch anormalen Judentum" und anderen semitisch sprechenden Völkern des Nahen Orients zu trennen." Die semitisch-arabischen Völker, Sprachen und Kulturen erfreuten sich stets liebevollen Interesses" der Forschung.
So gut es ist, Opfergruppen zu erhellen, so kann man all dies nicht mit dem rassistischen Judenhass gleichstellen. Den Nazis galten Araber nicht, wie Gensicke sagt, "als Semiten wie Juden". Er benutzt öfter "semitische Araber". Würde man dem folgen, so akzeptierte man "Semit", wo nur das Adjektiv für eine Sprachgruppe zutraf. Dies war gar den Nazis des "Rassenpolitischen Amts" klar. Gensicke bleibt auch den Beweis einer "14. Stelle in Hitlers Rassenlehre" schuldig, auf der Araber "noch hinter Juden" angeblich standen. Mit solchen Äußerungen arbeitet er einem Problem zu, dass andere aus Höpps Buch herleiten. Es ginge darum die "jüdische Monopolisierung der Opferrolle" zu stoppen: Nach dem arabischem Vorwort zu Höpps Buch seien die Araber auch Opfer der Nazizeit gewesen. Sie waren es wie viele andere auch, aber nicht im engeren Sinn jener rassistischen Lehre, die den Mord an den europäischen Juden legitimieren sollte.
Ein weiteres Problem entspringt aus der Übersetzung. Im Grunde kann das Buch nur jemand mit der Kenntnis von vier Sprachen verstehen, vor allem aber der Lingua Tertii Imperii. Wie begreift man im Arabischen etwa "Austauschjuden", "Stammlager", "Schutzstaffeln", "Nacht und Nebel", "Umerziehung", "Schutzhaft", "niedrige Rasse", "Rheinlandbastarde" oder "artfremdes Blut"? Ein Riesenbedarf an Erklärungen. Ich bin sicher, dass Höpp mit einer arabischen Übersetzung im Auge vieles anders formuliert hätte. Ob Muna ihm und seinem Anliegen in dieser Form den gewünschten Dienst geleistet hat, steht dahin. Erste arabische Stimmen, "Wir waren Opfer, nicht nur Zionisten", stimmen eher nachdenklich. Man kann nur hoffen, dass das Buch einen Impuls für die lange überfällige arabische Holocaust-Rezeption gibt.
Zweifel weckt auch Gensicke mit der wenig überarbeiteten Auflage seiner 1988 erstmals erschienen Dissertation. Einst kam sie nicht so gut an, weil er weder Nahostkonzepte noch die arabischen Texte studiert hat. Wieder tut er den Stand von einst dar, ohne neuere Literatur hinreichend zu verarbeiten. Und dennoch: Gensicke hatte die erste Arbeit zum Großmufti vorgelegt, die solide den deutschen Aktenbestand erhellte. Zum anderen konnte er auch in der Neuausgabe Mängel nicht beheben, die seiner mangelnden Kenntnis der Region geschuldet sind. Beim Mufti kennt er oft nur "Entweder-oder-Positionen". Dabei erfasste dessen Komplexität vielleicht ein deutscher Bericht aus Kroatien am Besten, wo er 1943 Muslime in die SS warb: Dort heißt es, der Mufti habe vier Gewänder getragen, ein kroatisches, ein deutsch-italienisches, ein arabisches und ein islamisches.
Er spielte mithin meisterlich auf dem Klavier der multiplen Identität, die Gensicke oft verkennt. Gensickes Grundtenor lautet: Der Mufti wusste als Hitlers arabischer Partner um den Holocaust und war daran beteiligt. Wenn Gensicke meinte, dass der Mufti die Zahl ermordeter Juden nicht kannte, so empfiehlt sich ein Blick in dessen arabische Autobiographie. Demnach sagte ihm Heinrich Himmler Mitte 1943, bis jetzt etwa drei Millionen Juden vernichtet zu haben. Der SS-Führer erklärte ihm zur selben Zeit, in drei Jahren über die Atombombe zu verfügen, die den Endsieg sichere. Auch so etwas speiste des Muftis Aktivitäten ganz bis zum Schluss.
Wie Gensicke haben auch Mallmann und Cüppers so ihre Last mit arabischen wie hebräischen Worten und Konzepten. Einiges sei hier kurz erwähnt. Alija kommt vom Hebräischen "alit", aufsteigen, hinauf ins bergige Jerusalem. Fatwa ist eine empfehlende Rechtsmeinung, aber nicht bindend. Mufti ist ein Ausleger des Rechts, kein Entscheider. Die kommunistische Nutzung von Jihad-Aufständen kam schon Mitte 1920 in Baku beim Congress of the Peoples of the East auf, nicht erst 1929.
Der Djihad war nie nur als "gottgefällige Anstrengung" (das wäre Ijtihad) "relativ offen", sondern meint in seinem Hauptsinn den militanten Kampf gegen Ungläubige. "Intifada" heißt Erhebung. Dies galt für viele, etwa 1921 und 1929, womit Izz ad-Din al-Qassams Taten 1935 nicht die "eigentlich erste Intifada" waren. Er gilt auch nicht als der "erste Jihadist". Diesen mag man ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Reich der Osmanen finden und mehr im modernen Sinne bei den Jungtürken und ihren deutschen Partnern vor 1914.
Jihad und Paramilitarisierung sind kein Signum des palästinensischen Nationalismus, da beide speziell nach 1914 viele Bewegungen aufwiesen. Die Drohung, sollte eine Politik nicht realisiert werden, dann trete man zu einer anderen Macht Europas über, prägte Mittelost seit 150 Jahren. Die Araber konnten sich unter dem Mandat keineswegs "des Rechtsstaates entledigen", da es einen solchen da ebenso wenig gab wie ein tiefgehendes Konzept von Staatlichkeit, Demokratie und Nation. Diese sind echte Importe aus Europa.
Nicht nur in Gentilordnungen ist das "Führerprinzip" eines der ursprünglichsten. Parteien wie Jugendvereine haben in einer Stammesgesellschaft oft einen undemokratischen Sinn. Der Mufti legte 1937 sein Bündnisangebot vor, ittifaq oder agreement, nicht erst 1941. Der Inhalt der Aussage Dieter Wislicenys von 1946 über den Mufti und Eichmann kann nicht einfach als Faktum dargetan werden, da es seine Erinnerung aus der Rückschau wiedergab. Der zum Islam konvertierte Nazi-Ideologe Johann von Leers alias Umar Amin hat Abd an-Nasir 1957 "Die Protokolle der Weisen von Zion" unterbreitet. Der Mufti benutzte sie wohl ab 1929. Die NSDAP-Ortsgruppe Kairo trieb bereits ihr Unwesen beim "Judenprozess" ab 1933.
Es gibt nur eine Hand der Fatima. Worte wie "Mohammedaner" sollten für Muslime nicht mehr übernommen werden. "Khanjar" heißt einfach nur Dolch. "Sächsisch" war Guben lange nicht mehr. Der Mufti hatte in Anlehnung an eine Jüdische Brigade bereits 1941 eine Arabische Legion vorgeschlagen, so dass es sich hernach um Varianten dieser Idee handelte. Rashid Ali al-Kailani ging nach dem Umsturz von 1958 in den Irak, lebte auf, wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und Mitte 1961 entlassen. Er starb vier Jahre später.
Aber solche Einzelkritik, die sich noch fortführen ließe, soll nicht verhüllen, dass Mallmann und Cüppers schon eine Entdeckung gelungen ist, die das Bild erweitert: Demnach stand im Rücken der Rommelschen Invasion in Nordafrika ein SS-Kommando unter Walther Rauff zur Ermordung von Juden dort und in Palästina bereit. Lediglich der Kriegsverlauf zuungunsten der Nazis und die Nähe der Alliierten stoppten diesen Ansatz zum mittelöstlichen Holocaust (den Hitler dem Mufti bereits Ende 1941 angezeigt hatte). Um diesen in der Tat neuen Befund haben sie ihr gesamtes Buch angeordnet.
Die beiden Historiker haben gründlich nicht nur SS-Akten erschlossen und den Versuch einer Synopse unternommen. Da sie aber keine arabischen Quellen einzubeziehen vermochten, ist ihr Werk mit drei Problemen behaftet. Erstens sind sie über weite Strecken allzu stark der autosuggestiven Propaganda verfallen, so zum angeblich enormen Aufstandswillen in Ägypten. Da war viel Schaum für Vorgesetzte darin. Dies hätten sie durch britische und amerikanische Lageberichte und weitere Fachliteratur abgleichen können. Anders als Küntzel, dem allerdings ebenfalls verschiedene Fehler im Detail unterlaufen sind7, haben sie wie auch Gensicke Einsichten in "Germany and the Middle East, 1871-1945" übersehen. Die Einordnung in den größeren Rahmen der deutschen Mittelostpolitik seit 1898 bleibt deshalb schwach. Was bei ihnen oft "einheimische" Aufstandspläne in Nahost sind, war doch ein Echo auf deutsch-osmanische Jihadisierungen als islamistischer Urimpuls vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg.
Mallmann und Cüppers erwähnen die ideellen Kontakte des Muftis zu Hasan al-Banna mit seinen Muslim-Brüdern. Diese entstanden nicht zufällig, sondern waren von Deutschen und Osmanen bereits 1914 als antichristliche Bruderschaften und Geheimbünde umhegt. Sie bündelten als Prototyp moderner Terrorvereine viele Ansätze und Ideen aus jenem ersten großen Krieg. Damals war der Mufti ein osmanischer Offizier. Als solcher hatten ihn die deutsch-osmanische Jihad-Aktionen tief geprägt. Übrigens auch Hitler, den die Osmanen jedoch im Ersten Weltkrieg enttäuschten wie auch überzogene Erwartungen an den Jihad. Folglich hegte er Vorbehalte gegen die Jihad-Idee, ließ sich dazu aber im Oktober 1941 auch durch die ihn besuchenden türkischen Generale Hüsnü Erkilet und Fuat Erden sowie durch die Riesenzahl gefangener Muslime umstimmen, die nun wieder einen Jihad gegen das sowjetische Asien führen sollten. Die Idee griff Himmler auch für andere Räume auf.
Ab und an lehnen sich Mallmann und Cüppers zu sehr an Gensicke an. Sie übernahmen von ihm manche Unschärfen wie Fehler. Nur ein Beispiel: Gensicke zitiert, dass Hitler die ausgestreckte Hand des Muftis bei der Begrüßung in ihrem Treffen Ende 1941 glatt übersehen habe und gleich zur Sache gekommen sei. Mallmann und Cüppers setzen den Fehler fort. Wer es genau wissen will, der betrachte nur diesen Teil der "Wochenschau"8: der Mufti entbietet den "deutschen Gruß", den Hitler wie auch den Handschlag erwidert.
Das zweite Problem des Bandes von Mallmann und Cüppers besteht darin, dass es auf eine Spekulation hinausläuft: im deutschen Siegesfalle hätte es hinreichend arabischen "Vernichtungswillen" besonders auch in Palästina gegeben, um durch die Rauff-Truppe mit bis zu 100 Mann, aber tausenden willigen Arabern dort den Holocaust zu vollziehen. Wir wissen durch Höpps Analysen allein von Juden auf der tunesischen Insel Garba, die im Widerstand nach Europa verschleppt und umgebracht worden sind. Alles andere sind für Mittelost zum Glück Pläne geblieben. Daher und weil auch der Gang der Dinge einen anderen Lauf nahm, haben die Autoren stärker ihren Generalverdacht der Kollaboration gegenüber Arabern erhalten, den sie laut eigenem Bekunden am Beginn des Buches eigentlich nicht erheben wollten.
Problem drei folgt daraus, dass die Autoren nicht den inneren Diskurs der Region zeigen konnten. So behaupten sie, dort fehlten alle Belege für eine wachsende Feindschaft gegen Deutschland aufgrund von dessen Förderung der illegalen jüdischen Einwanderung. Hier muss auf Israel Gershonis Studien und Wildangels Buch verwiesen werden, dass trotz der einstigen Lage im Mandatsgebiet manche Kritik herausfiltert. Zudem hatten nicht wenige Intellektuelle, darunter der ägyptische Poet Taufiq al-Hakim und viele Linke, die hier fast völlig unter den Tisch fallen, die Nazis durchschaut und das in ihren Beiträgen erklärt. In einem weitgehenden illiteraten Umfeld hielt sich ihr Einfluss freilich in Grenzen. Das deutsche Mittelostradio hingegen hat breitere Schichten erreicht. Laut Mallmann und Cüppers war der Holocaust kein rein deutsches Projekt; viele andere Täter wirkten auch bei Ermordungen mit. In manchen Regionen ist dies klar, für Mittelost steht es im Raum. Obzwar kein Zweifel an den Absichten Hitlers und des Muftis besteht, bleibt es bei einer These. Immerhin vermögen die Autoren überzeugend die Planungen und Ansätze zu enthüllen.
Anmerkungen:
1 Küntzel, Matthias, Djihad und Judenhaß, Freiburg 2002
2 Sami al-Jundi, Al-Ba'th, Beirut 1969, S. 27; vgl. http://www.trafoberlin.de/pdf-dateien/Liam%20Anderson%20Future%20of%20Iraq.pdf
3 Wildangel, René, Zwischen Achse und Mandatsmacht. Palästina und der Nationalsozialismus, Berlin 2007, S. 21, 45
4 Mallmann, Klaus-Michael, Der Holocaust war auch in Palästina geplant, in: Jungle World, 01.11.2006
5 Wildangel, a.a.O., S. 409
6 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu den Regionalstudien (area studies) in den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Mainz, 07.07.2006: Darin wird auch historisch das Verhältnis zwischen den so genannten Regionalwissenschaften, Regionalstudien als Fachdisziplin und den eigentlichen Wissenschaftsdisziplinen aufgehellt.
7 Der deutsche Botschafter hieß Fritz, nicht "Franz" Grobba, sein Chef Ribbentrop, nicht "Rippentrop". Die Folgen eines Siegs der Nazis bei al-Alamain für Juden der Region wurden "nächster Holocaust" genannt. Berlin hat mit seinem Kurs in Afghanistan im Ersten Weltkrieg kein Kolonialreich gesucht und insofern auf der Seite der Zukunft gestanden. Zudem ritt Wilhelm II. nicht stolz in Jerusalem ein, sondern aus. Vgl zudem Matthias Küntzel, in: Literaturkritik.de, Nr. 1, 2006.
8 Hitler Meets With Amin al-Husaini, History Channel: http://www.youtube.com/watch?v=h2dUpoeyqwE.