Dieses Buch ist eine unveränderte Neuauflage des gleichnamigen Bandes, den Donald M. McKale ein Jahrzehnt zuvor publiziert hat. Bevor Grundgedanken erhellt werden, sei eine wissenschaftshistorische Eigenheit angemerkt. Damals, also 1998, blieb die deutsche und mittelöstliche Resonanz auf dieses Hauptwerk schwach. Das war erstaunlich, denn der Historiker hat solide die beiden Seiten einer Medaille im Ersten Weltkrieg rekonstruiert: vier Jahre der Berliner und Londoner Mittelostpolitik bei dem "Krieg durch Revolution".
Der Akademiker von der Clemson University in South Carolina stützte sich hierbei nicht nur auf die Sekundärliteratur wie Memoiren und Texte damaliger Zeitgenossen sowie auf historische Werke zum Thema. Er erschloss den Fundus an deutschen Primärquellen, der meist verfilmt im Waschingtoner Nationalarchiv lagert. Wenig ist ihm dabei entgangen.
Nach wie vor fällt bei Donald M. McKale die geringe Benutzung der regionalsprachigen Quellen und Literatur auf. Doch darf zu seinen Gunsten gesagt werden, dass der Zugang zu Archiven in Mittelost lange kaum möglich war und noch heute, von Ägypten, Israel und der Türkei abgesehen, weiterhin ein Problem ist. Zudem wurzelt das schwache Echo auf die erste Ausgabe deutscherseits auch in der früheren Mauer zwischen Orientalisten und Historikern. Hoffentlich werten bald Mittelosthistoriker die regionalen Quellen aus.
Bei den Deutschen kamen noch die 40 Jahre der nationalen Teilung im Kalten Krieg und das nachfolgende Jahrzehnt der Umordnung in der Wissenschaftslandschaft hinzu. Denn die Synopse der Weltkriegsquellen wurde durch die in Ost und West getrennten Archive erschwert. Im Kalten Krieg sind überdies Hauptimpulse aus den Werken der allgemeinen Historiker wie Heinz Tilmann im Osten und Fritz Fischer im Westen durch die einst mit Mittelost befassten Regionalforscher kaum rezipiert worden. Die übergreifende Tradition gab es aber in Deutschland vor und nach 1918, darunter in Leipzig bei Karl Lamprecht und in Berlin bei Carl Heinrich Becker, der die moderne Islamforschung mitbegründete.
So viel zur Wissenschaftsgeschichte, nun zu McKales Kernthesen. Ins Auge fällt seine Hauptidee (S. XIII): Berlin und London haben antagonistische Revolutionierungen der islamischen Räume als "Krieg durch Revolution" verfolgt. Deutsche pflegten seit 1898 eine Islampolitik, die durch den osmanischen Sultan-Kalif auf islamistische Revolten für die Restauration des Osmanenreichs und Zerstörung europäischer Kolonialreiche abzielte. Briten suchten ab 1914 eine Politik der Nationalrevolten im Osmanenreich durch Araber um den Scharif von Mekka, letztlich auch die Aufgliederung ihres Empires. Während Berlin von oben durch den Sultan die panislamische Reichserhaltung wollte, betrieb London von unten über Araberfürsten die Reichsauflösung. Der revolutionäre Kaiser (S. 48), der Kalif und Max von Oppenheim kämpften gegen den Premier, den Großscharif und Thomas E. Lawrence. Schließlich siegte doch das tribale arabische Nationalkonzept gegenüber dem multiethnischen Großreich des Islam, also Stammesnation versus islamisches Imperium.
All dies vermag Donald M. McKales detailliert zu belegen. Das Betreiben des deutschen Hauptagenten des Jihads, Oppenheim, hat er ab 1908 verfolgt. Diesem Vater des Heiligen Krieges, Abu Jihad, war der sunnitisch-osmanische Argwohn gegenüber den Schiiten von Karbala, Najaf und Samara nicht entgangen. Er warnte folglich den Sultan im Folgejahr vor den möglichen "schiitischen Ansatzpunkten" der Briten am Persischen Golf durch den Scheich von Kuwait und beim Ausspielen der Stämme der Ibn Rashid und Ibn Saud. Allein hier schon enthüllt der Autor ein außerordentlich vielschichtiges Konfliktbündel, in dem vielen Berliner und Londoner Aktionen und Gegenaktionen eine Hauptrolle zugewachsen ist.
Einhundert Jahre später mag der heutige Leser dem Gedanken verfallen, dass Weltpolitik wieder mit den uralten Bruchstellen konfrontiert wird. Dazwischen ging von Europa eine weltkriegerische Urkatastrophe aus. Sie zeitigte eine durch Berlin begünstigte historische Entgleisung Russlands, die zu Polarisierungen, zum Zweiten Weltkrieg und zum kurzen Triumph der liberalen Demokratie im Kalten Krieg führte. Ein letztes Mal herrschten im 20. Jahrhundert großflächige Blöcke und Ideologien zwischen Erdregionen vor, um sich globalisiert in den einzelnen Weltregionen und Ländern umformuliert neu zu stellen. Die Konfrontationen aus der Ära vor 1914 leben jetzt global, regional und lokal auf: in einer globalen Dynamik und in Wechselbeziehungen, die nun moderne Technologien erlauben.
Gut arbeitet McKale den Start der konzertierten deutsch-osmanische Aktion heraus, mit der eine modernisierte Jihad-Doktrin in islamische Regionen adaptiert wurde (S. 47 ff.). Am 22. Juli 1914 regte der prodeutsche Kriegsminister Enver Pascha in Berlin die Allianz gegen Russland an. Zwei Tage später bejahte der Kaiser die Verhandlungen. Am 30. Juli habe er für die deutschen Konsule vom Osmanenreich über Afghanistan bis nach Indien die Anstiftung der Muslime zur "wilden Revolution" samt britischen Verlust Ägyptens und Indiens geplant. Am 2. August 1914 folgte der deutsch-osmanische Geheimvertrag.
Drei Tage später habe Stabschef Helmuth von Moltke das Auswärtige Amt ersucht, den "islamischen Fanatismus" zu entfesseln. Ein deutsch-osmanischer Angriff gegen Ägypten sollte dort die islamische Revolte auslösen. Vorbereitungen begannen sogleich. Noch am selben Tage, am 5. August, habe Enver Pascha damit seine Vierte Armee beauftragt. Er etablierte auch formell seine Spezialeinheit Tashkilat-i Makhsusa unter Sulaiman Askari als Spionage- und Terrororganisation. Überdies bildete Enver im Kriegsministerium das "Zentralbüro für die Islamische Bewegung" unter Ali Bas Hamba, der mit den Deutschen dann die revolutionierenden radikalen und panislamischen Aktionen koordinieren sollte.
Damit wirkte Ali Bas Hamba als osmanischer Pendant Oppenheims. Erstaunlich ist, dass McKales Darstellung auch in den islamischen Räumen so wenig verarbeitet worden ist. Immerhin hat das deutsche Magazin "National Geographic" 2008 "Max von Oppenheim: Abu Jihad oder Randfigur?" hinterfragt. Freilich hat die Forschung in den zehn Jahren seit McKales erster Auflage viel mehr erkundet und Oppenheims Schlüsselrolle als Architekt des Jihads erhärtet, der hinter den Kulissen auch noch in derselben Richtung im Zweiten Weltkrieg gewirkt hat. Im Gegensatz dazu betont McKale (S. 186), dass London Mitte 1916 erklärte, sich der Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthalten und die Heiligen Stätten des Islam vor jeder Aggression schützen zu wollen. Anders formuliert, London verwarf den Jihad als Kriegsideologie für sich, während Berlin ihn voll kultiviert hat. Eine breite Resonanz ist dieser Ausgabe von "War By Revolution" zu wünschen. Zumal Berlins und Londons Mittelostpolitik im Zweiten Weltkrieg bisher im Dunkeln bleibt.