Das zu besprechende Buch stellt ohne Zweifel die bislang bedeutendste Leistung eines deutschsprachigen Neuzeithistorikers im 21. Jahrhundert dar. Worin besteht sie? Zunächst und vor allem etabliert der umfangreiche Band gleichsam aus dem Stand eine erneuerte Weltgeschichtsschreibung als Praxis, nachdem sich die intensive Diskussion der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum doch zumeist auf Programmatik und Historiographiegeschichte konzentriert hatte. Und diese praktizierte Weltgeschichtsschreibung, deren Notwendigkeit angesichts der vielfältigen Verflechtungen der Welt des neunzehnten Jahrhunderts schlichtweg unbestreitbar ist, erreicht mühelos das Niveau der besten angelsächsischen Arbeiten auf diesem Gebiet, von denen C.A. Baylys "The Birth of the Modern World 1780-1914" (2004) wegen des behandelten Zeitraums einen naheliegenden, wegen des sehr viel geringeren Umfangs aber einen nur bedingt geeigneten Vergleichspunkt abgibt.
Osterhammel baut seine Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts in drei Schritten auf. Nachdem er einleitend seine Vorgehensweise erläutert und insbesondere seinen in bewusster Absetzung von Bayly vorgenommenen Verzicht, die verschiedenen Untersuchungsstränge zu einer Meistererzählung zusammenzuziehen, plausibel gemacht hat, behandelt er zunächst in einem mit "Annäherungen" überschriebenen Teil von etwa 160 Seiten Medien der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung sowie die zeitlichen und räumlichen Dimensionen seines Unternehmens. Hier finden sich z.B. wunderbare Vignetten zur Oper, zu den Weltausstellungen oder zum „bunten kalendarischen Pluralismus“ (S. 90). Hinsichtlich des Untersuchungszeitraums arbeitet der Verfasser zunächst heraus, dass ein von den Eckdaten 1789 und 1914 definiertes „langes“ neunzehntes Jahrhundert nicht einmal gesamteuropäische Geltung beanspruchen kann und für große Teile der Welt kaum plausibel scheint. Er plädiert stattdessen für eine globale Sattelzeit von 1770 bis 1830, gefolgt von einem als viktorianisch gekennzeichneten Epochenkern und einer als Fin de Siècle gefassten erneuten Übergangsphase nach 1880. Das wird überzeugend begründet und hat den zusätzlichen Charme, im Adjektiv viktorianisch die epochenspezifische „Zentralität Europas“ (S. 20) ebenso festzuhalten wie die überragende Bedeutung Großbritanniens. Eng auf die Zeit bezogen erscheint der Raum zugleich als vorgängig gegenüber kulturellen Interpretationen. Das hindert Osterhammel nicht, diese kulturellen Interpretationen, wie etwa den Begriff des „Fernen Ostens“, sorgsam zu dekonstruieren und zu historisieren. Zugleich verbindet er aber diese Historisierung der Raumbezeichnungen mit einer Beschreibung der wichtigsten Interaktionsräume, die seinem Buch ein hohes Maß an Anschaulichkeit sichert, obwohl es ohne eine einzige Karte oder Abbildung auskommt.
Mit mehr als 700 Seiten und damit mehr als der Hälfte des Textteils beansprucht der zweite Teil der "Verwandlung der Welt" den meisten Platz. Er ist mit "Panoramen" überschrieben und behandelt acht Wirklichkeitsbereiche in einer wahrhaft weltumspannenden Perspektive. Das erlaubt dem Verfasser, die je eigene Logik und Zeitstruktur dieser Bereiche zu respektieren, was großzügige Rück- und Ausblicke mit einschließt, und zugleich ein immer dichteres Bild von seinem Gesamtgegenstand entstehen zu lassen – Osterhammel selbst beschreibt seine Vorgehensweise als „konsekutive Umkreisung“ (S. 19). Ein erstes Großkapitel über „Sesshafte und Mobile“ macht den Auftakt und ist besonders geeignet, die hohe und sich gegen Ende des Jahrhunderts nochmals beschleunigende Verflechtung der Welt anschaulich zu machen. Auf sicherer demographischer Grundlage wird hier das Wanderungsgeschehen des neunzehnten Jahrhunderts in seinen vielfältigen Formen – vom Sklavenhandel über Deportation bis zum Nomadentum - nachgezeichnet und in seiner räumlichen Struktur und Dynamik analysiert. Auf den ersten Blick weniger raumaffin scheint das zweite, den „Lebensstandards“ gewidmete Panorama zu sein. Aber auch in den Verbreitungsprozessen von Hygiene und Seuchenprophylaxe sind nicht nur Stadt-Land-Differenzen sorgsam eingezeichnet, selbst Naturkatastrophen wie der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora 1815 werden bis zu den Konsequenzen für Klima und Ernten in Mitteleuropa verfolgt. „Raum“ hat in diesem Buch immer auch eine ganz unmittelbar ökologische Dimension, und so hält der Verfasser z.B. mit Blick auf agrarische Produktionszuwächse in verschiedenen Weltregionen, die vor allem durch Urbarmachungen ermöglicht wurden, nüchtern fest: „In den Reisökonomien Ost- und Südostasiens gab es für eine solche Expansion buchstäblich keinen Spielraum.“ (S. 314) Ganz explizit tritt der Raumbezug dann wieder im folgenden Kapitel über Städte in den Vordergrund, die gleich im ersten Satz als „Weise, Raum gesellschaftlich zu organisieren“ (S. 355) definiert werden. Auch hier kann der Reichtum an Informationen und Perspektiven allenfalls angedeutet werden. So tritt gerade im weltgeschichtlichen Vergleich Europas einzigartige Prägung durch ein seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts immer enger geknüpftes Netz von Städten verschiedenster Größe deutlich hervor, ein Netz, das die Kolonialstädte mit umfasste. Aufgrund ihrer Knotenfunktion im Netz interessiert sich Osterhammel besonders für den epochentypischen Aufstieg der Hafenstädte, die um 1850 weltweit vier Zehntel aller Großstädte ausmachten und in Shanghai wie in Odessa oder Triest von besonderer ethnischer Vielfalt geprägt waren. Die in nordwesteuropäischer Perspektive häufig privilegierten Industriestädte treten dagegen in den Hintergrund.
Formen der Raumorganisation sind auch das Thema der beiden folgenden, eng aufeinander bezogenen Kapitel. Den Gegenstand des siebten definiert der Autor folgendermaßen: „Eine Frontier ist ein sich großräumig, also nicht bloß lokal begrenzt manifestierender Typus einer prozesshaften Kontaktsituation, in der auf einem angebbaren Territorium (mindestens) zwei Kollektive unterschiedlicher ethnischer Herkunft und kultureller Orientierung meist unter Anwendung oder Androhung von Gewalt Austauschbeziehungen miteinander unterhalten, die nicht durch eine einheitliche und überwölbende Staats- und Rechtsordnung geregelt werden.“ (S. 471) Und er verknüpft ihn zugleich mit dem Thema des achten Kapitels, wenn er Frontier-Räume als Grenzen von Nationalstaaten ausschließt und sie für geradezu typisch für Imperien erklärt. Doch bleiben wir zunächst bei den unseren Autor besonders faszinierenden Frontiers, lassen sich an ihrer Behandlung doch zwei Grundcharakteristika des Buches aufzeigen: Typisch ist zunächst das Operieren mit vergleichsweise abstrakten Begriffen und Definitionen, die überhaupt erst global angelegte Vergleiche ermöglichen. In diesem Falle werden neben Nord- und Südamerika auch Südafrika, Australien, Neuseeland, China und das Zarenreich einbezogen und der Vergleich fördert immer wieder anregende Thesen zutage, sei es zur Mentalität burischer Siedler im Vergleich zu den Pflanzern der Südstaaten der USA, sei es zur Tendenz semi-autonomer Staatsbildung in Siedlerkolonien. Typisch ist aber auch die hohe ökologische Sensibilität, wie sie nicht nur in der Darstellung des Untergangs der indianischen Pferd-Bison-Kultur zum Ausdruck kommt. Über typische Grenzsituationen ist das Kapitel mit dem über Imperien und Nationalstaaten eng verknüpft. Sein Hauptergebnis, wonach im neunzehnten Jahrhundert „das Imperium, noch nicht der Nationalstaat, die im Weltmaßstab dominante territoriale Organisationsform von Macht“ (S. 606) war, wenngleich gegen Ende des Jahrhunderts die Imperien stärker nationalisiert waren, wird einmal mehr in einer eindrucksvollen, stets typologisch gebändigten Rundumschau entfaltet und um theoretische Überlegungen zur imperialen Integration ergänzt. So ist das Kapitel über „Mächtesysteme, Kriege und Internationalismen“ bestens vorbereitet. Kolonialismus und Imperialismus, die beiden alle Kapitel verbindenden roten Fäden des Buches, sind hier besonders präsent und Osterhammels Bewertung etwa der Kolonialkriege ist frei von jedweder Schönfärberei, zugleich aber stets bemüht, durch Vergleiche angemessene Bewertungsmaßstäbe zu gewinnen.
Die beiden letzten Panoramen sind den Revolutionen und dem Staat gewidmet. In weltgeschichtlicher Perspektive sind die atlantischen Revolutionen von besonderem Interesse und Osterhammel verbindet darstellerisch geschickt knappe, aber präzise Skizzen der besser bekannten Amerikanischen und Französischen Revolutionen mit einer ausführlicheren Behandlung der Revolution in Saint-Domingue und den vom Zusammenbruch des spanischen Imperiums ermöglichten Unabhängigkeitsrevolutionen Lateinamerikas. Und dementsprechend gibt es auch keinen Grund, den nicht über Europa hinaus ausstrahlenden Revolutionen von 1848/49 breiteren Raum als der Taiping-Revolution in China, dem großen indischen Aufstand oder dem Amerikanischen Bürgerkrieg zu geben. In einem letzten Abschnitt behandelt der Verfasser dann die Revolutionen des Jahrzehnts vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Russland, im Iran, im Osmanischen Reich und erneut in China. Sie waren zwar nicht ursächlich miteinander verbunden, gleichwohl aber durch die Kenntnis der europäischen Revolutionsgeschichte und stärker noch der dortigen Verfassungsdiskussionen geprägt. Letztere verbinden das Kapitel mit dem über den Staat. An den Anfang stellt Osterhammel einige Grundtendenzen der Entwicklung von Staatlichkeit im neunzehnten Jahrhundert wie auch die erneut typologisch überzeugend gebändigte Vielfalt der Typen politischer Ordnung. Vor allem der vergleichende Blick auf die Monarchien erlaubt ihm neben ihren unterschiedlichen Ausprägungen auch wichtige Interaktionen einzufangen, wie die Schwächung der einheimischen Monarchien durch die Kolonialmächte oder die deutlich empfundene Zurücksetzung des osmanischen Sultans durch die meisten der von ihm 1867 besuchten europäischen Monarchen. Einmal mehr ist es unmöglich, die Vielfalt differenzierter Einsichten zu Demokratie und Bürokratie (nicht zuletzt in Asien) auch nur anzudeuten. Zentral ist zweierlei: „Im 19. Jahrhundert begann etwas ganz Neues: Die westeuropäische Zivilisation wurde zu einem Modell für große Teile der übrigen Welt.“ (S. 896) Und die dadurch angestoßenen, von ganz unterschiedlichem Erfolg gekrönten Reformanstrengungen resultierten zweitens in einer regionalen Verschiebung von Macht zugunsten Europas, Nordamerikas und Japans, die zugleich die ganz ungleichmäßige Verbreitung der Industrialisierung spiegelt.
Hätte an dieser Stelle, und damit nach mehr als 900 Seiten, das Buch enden können? Einerseits ja, haben doch die verschiedenen Panoramen ein dichtes Bild der Verwandlung der Welt im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entstehen lassen. Andererseits ist die Entscheidung Jürgen Osterhammels gut nachvollziehbar, noch einige systematische Kapitel anzufügen, die auf etwa 400 Seiten wichtige Aspekte hinzufügen oder Kernprobleme klarer herausarbeiten, dabei aber, wie ihm selbst bewusst ist, nicht ohne Wiederholungen auskommen. So ist etwa von der im Zusammenhang der Migration bereits ausführlich behandelten Sklaverei sowohl im Kapitel „Arbeit“ als auch im Kapitel „'Zivilisierung' und Ausgrenzung“ nochmals die Rede. Das fällt auf, weil die Lektüre dieses anspruchsvollen und gut geschriebenen Werks ohnehin einen langen Atem erfordert, ist aber vermutlich unvermeidlich. Und inhaltlich verschieben die systematischen Themenkapitel die Gewichte innerhalb des Gesamtbildes doch ganz erheblich. Verzichtbar sind sie also keineswegs. Am Anfang dieses dritten Teils stehen „Energie und Industrie“, ein Thema, das nicht zuletzt Gelegenheit bietet, den Gründen für die Auseinanderentwicklung der um 1800 ökonomisch in etwa gleichauf liegenden Kontinente Asien und Europa nachzugehen. Der Verfasser veranschlagt für diese "great divergence" die Erschließung und die Nutzungsformen fossiler Energien in den Industrieländern sowie politische und kulturelle Blockierungen erfolgreichen Technologieimports in weiten Teilen Asiens und Lateinamerikas hoch, betont aber zugleich, dass die rasante Entwicklung in einigen wenigen westlichen Industrieregionen auch im späten neunzehnten Jahrhundert keinen geeigneten Vergleichsmaßstab für die durchaus beträchtliche Vitalität asiatischer Produzenten abgebe. Ohnehin will er noch für die Zeit um 1910 allein Großbritannien, die USA und Deutschland als wirkliche Industriegesellschaften gelten lassen. Das sich anschließende Kapitel über „Arbeit“ liefert hierfür eindrucksvolle Belege und zeigt, wie exzeptionell im Weltmaßstab das Stahlwerk, aber auch die Fabrik insgesamt als Arbeitsort blieb. Stattdessen stellt er die Landarbeit an den Anfang und spürt den verschiedenen Emanzipationspfaden aus Sklaverei, Leibeigenschaft etc. nach.
Unter der Überschrift „Netze“ behandelt Osterhammel sodann die „Vervielfältigung und Beschleunigung solch wiederholter Interaktionen“ (S. 1011) im Bereich des Verkehrs und der Kommunikation überhaupt sowie im Handel und im Finanzwesen, also das, was nach gängigem Verständnis den Kern des nach der Jahrhundertmitte unübersehbaren Globalisierungsschubs ausmachte. Wie der Blick auf die Eisenbahnnetze deutlich macht, umspannten diese Netze keineswegs den gesamten Globus und wiesen insbesondere beim Kapitalexport deutliche Asymmetrien zwischen Zentren und Peripherien auf. Ungleichheiten und Hierarchien stehen auch im Mittelpunkt des folgenden Kapitels, das die Möglichkeiten einer globalen Sozialgeschichte auslotet. Wenngleich der Verfasser zunächst eindringlich belegt, dass gängige Verlaufsfiguren wie vom Stand zur Klasse nicht einmal gesamteuropäisch greifen, wagt er sich doch an eine behutsame vergleichende Skizzierung sozialer Großgruppen wie des Adels und der bürgerlichen Mittelschichten. Es ist einmal mehr ungemein erhellend, den Wandel europäischer Adelsgruppen mit dem japanischer Samurai und chinesischer shenshi verglichen zu sehen, wodurch Wesensmerkmale in den Blick geraten, die ein innereuropäischer Vergleich nicht sichtbar machte.
Den Abschluss des dritten Teils bilden drei Kapitel, die einer weit gefassten Kulturgeschichte zugerechnet werden können. Am Anfang steht der Aufstieg der Wissenschaften, deren Entstehung Osterhammel wie die der kohlebasierten Industrien als europäisch charakterisiert. „Nur wenige Elemente nichteuropäischer Wissensbestände“, so die Bilanz seiner breit angelegten und äußerst facettenreichen Umschau, „gingen in die großen Ordnungsschemata dessen ein, was um 1900 universell gültige Wissenschaft war.“ (S. 1147) Zu dieser westlich dominierten Wissenschaft gehörten auch Disziplinen wie die Orientalistik, die Archäologie, die Ethnologie und die Geographie, deren Charakterisierung als „Handlangerwissenschaften von Kolonialismus und Imperialismus“ (S. 1163) er umsichtig, nüchtern und urteilssicher prüft. Diese Erörterungen leiten fast schon über zu den im vorletzten Kapitel diskutierten europäischen Zivilisierungsmissionen, deren Voraussetzung der europäische Überlegenheitsanspruch, deren Implikation aber auch die Teilhabe der zu „Zivilisierenden“ an dieser vermeintlich überlegenen Zivilisation war. Der Verfasser vergleicht die ganz unterschiedlichen britischen und französischen Ausprägungen dieser Missionsvorstellungen und der jeweils eingesetzten Mittel zu ihrer Realisierung. Vor allem aber thematisiert er noch einmal im Weltmaßstab die Sklavenemanzipation, ließ sich doch die vor allem in Großbritannien breite Antisklavereibewegung als Teil und Legitimierung der Zivilisierungsmissionen interpretieren. Zeitlich greift er aber über den Abolitionismus hinaus und fragt vergleichend nach den postemanzipatorischen Rassenordnungen, vor allem in Südafrika, Brasilien und den USA. Damit ist auch der Horizont der sich anschließenden Diskussionen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus abgesteckt. Gerade in der Antisklavereibewegung waren religiöse Motive unüberhörbar, und „Religion“ ist dann auch der Gegenstand des letzten Themenkapitels. Auch bei der Behandlung dieser „Daseinsmacht ersten Ranges“ (S. 1239) stehen ungemein erhellende begriffliche Klärungen am Anfang, so die Dekonstruktion des Begriffes der Weltreligionen. Und einmal mehr sperrt sich der Reichtum der vom japanischen Staats-Shintoismus bis zum Wahhabismus reichenden Phänomene gegen eine knappe Zusammenfassung.
Eine solche strebt auch der gut zwanzigseitige Schluss des Buches nicht an. Vielmehr versucht Osterhammel hier "Die Verwandlung der Welt" von den 1760er-Jahren bis in die Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs durch fünf Gesichtspunkte zu charakterisieren: An die erste Stelle setzt er die „asymmetrische Effizienzsteigerung“ (S. 1286) in den Bereichen Wirtschaft, Militär und Staat, die ohne in ihren Teilen aufeinander reduzierbar zu sein, den Aufstieg Europas, der USA und Japans erklärt. Als zweiten Gesichtspunkt führt er das Globalisierungssynonym gesteigerter Mobilität an, als dritten eine „asymmetrische Referenzverdichtung“, die er auch als Wandel des Kulturtransfers zu einer west-östlichen Einbahnstraße fasst. Etwas weniger prägnant scheint das vierte Merkmal einer Spannung zwischen (Rechts-)Gleichheit und Hierarchie, die in verschiedensten Teilbereichen von der Gesellschaftsordnung bis zum internationalen Staatensystem nachgezeichnet werden kann. Und: „Schließlich ist das 19. Jahrhundert ein Jahrhundert der Emanzipation gewesen.“ (S. 1297) Diesen optimistischen Schlussakkord, der zugleich relativierend ein wenig zurückgenommen wird, begründet insbesondere die Abschaffung der Sklaverei, die nicht zufällig einen ganz zentralen Platz in Osterhammels Verständnis des neunzehnten Jahrhunderts einnimmt. Das hängt auch mit der vom Verfasser eingangs angemerkten und in jedem Kapitel spürbaren Faszination zusammen, die die Geschichte Nordamerikas auf den gelernten Chinahistoriker ausübt. Das führt jedoch zu keinen erkennbaren Einseitigkeiten, wenngleich die Ernennung Lincolns zur „größten 'weltgeschichtlichen Persönlichkeit' des 19. Jahrhunderts“ (S. 796) etwas unvermittelt erfolgt.
Einzelne Einschätzungen wie die zur amerikanischen Sozialpolitik mag man hinterfragen wollen, und den Afrikahistoriker wird vielleicht die breite Behandlung Südafrikas im Verhältnis zu anderen Teilen des Kontinents nicht völlig überzeugen. An der Entwicklung der Künste Interessierte werden nicht übersehen, dass sich der Autor stärker für die Musik als für die Malerei zu begeistern vermag. Aber solche punktuellen Beckmessereien, die ein jeder Spezialist auf seinem Gebiet wird anbringen können, sind einem Werk gegenüber völlig unangebracht, das in bewundernswerter Weise eine Neuvermessung des neunzehnten Jahrhunderts in Zeit und Raum vornimmt und dabei durch den Vergleich oft weit voneinander entfernter Beispiele nicht nur immer wieder neue Perspektiven eröffnet, sondern zugleich den Rahmen der Gesamtbetrachtung verändert. Nachfolger wird es kaum finden, denn dafür fehlen den allermeisten deutschsprachigen Neuzeithistorikern (den Rezensenten eingeschlossen) wichtige Voraussetzungen. Der globalen Verflechtung der Epoche Rechnung zu tragen, ist indessen auch möglich, ohne selbst Weltgeschichte zu schreiben. Osterhammels Meisterwerk gibt hierfür zahlreiche konkrete Anregungen. Zugleich zeigt es den hoffentlich zahlreichen Lesern, dass viele der im Zuge verschiedener turns außer Mode geratenen Teildisziplinen wie historische Demographie, Wirtschaftsgeschichte oder historische Geographie auch im 21. Jahrhundert unverzichtbare Bestandteile einer umfassenden Geschichtswissenschaft sind. Und es belegt, dass ihre Wiederbelebung nicht den Verzicht auf den Reflexionsgewinn der Theoriedebatten der letzten Jahre oder gar die Rückkehr zu einer einzigen Meistererzählung voraussetzt. Schließlich demonstriert "Die Verwandlung der Welt" eindrucksvoll die Unverzichtbarkeit des Vergleichs, der eben nur scheinbar eine Transfer- bzw. Beziehungsanalyse ausschließt. Nicht zuletzt auch in methodischer Hinsicht setzt also Osterhammels Geschichtsschreibung Maßstäbe.