J. Taffet: Foreign aid as Foreign Policy

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Title
Foreign Aid as Foreign Policy. The Alliance for Progress in Latin America


Author(s)
Taffet, Jeffrey
Published
New York 2007: Routledge
Extent
328 S.
Price
£ 80.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Torsten Loschke, Global and European Studies Institute, Universität Leipzig

Als US-Vizepräsident Richard Nixon im Mai 1958 während eines Staatsbesuchs im venezolanischen Caracas fast von einer wütenden Menge gelyncht worden wäre, wurde einer überraschten Regierung in Washington die jahrelange Vernachlässigung der inter-amerikanischen Beziehungen auf dramatische Weise vor Augen geführt. Seit Beginn des Kalten Krieges hatten die USA ihre südlichen Nachbarn als sichere Einflusssphäre betrachtet und die wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Spannungen in vielen Ländern Lateinamerikas sowie den zunehmenden Anti-Amerikanismus unter großen Teilen der Bevölkerung übersehen.1 Doch erst der Schock der Kubanischen Revolution von 1959, der eine rasante Ausbreitung des Kommunismus in Lateinamerika befürchten ließ, sowie der Amtsantritt John F. Kennedys führten zu einer grundlegenden Neuorientierung der US-amerikanischen Lateinamerika-Politik. Deren spektakulärster Ausdruck war die „Alliance for Progress“, ein 1961 ins Leben gerufenes, auf zehn Jahre angelegtes, milliardenschweres Hilfsprogramm, das wirtschaftliches Wachstum, sozialen Fortschritt und politische Reformen fördern und im weiteren Sinne die Ausbreitung des Kommunismus in Lateinamerika unterbinden sollte.

Eine dezidiert geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser dynamischen Epoche der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika wird seit einigen Jahren durch das Ende von Archivsperrfristen ermöglicht.2 Jeffrey Taffet hat nun die erste umfassende und quellenbasierte Studie zur Geschichte der „Allianz“ verfasst. Sie schließt zum einen eine Lücke in der Historie des inter-amerikanischen Verhältnisses im 20. Jahrhundert, zum andern möchte der Autor seine Arbeit auch verstanden wissen als einen Beitrag „for understanding contemporary international relations and the larger historical connection between aid and international power.“ (S. 2) Wer allerdings eine kulturgeschichtliche Perspektive auf die Geschichte der „Alliance of Progress“ erwartet hat, dürfte enttäuscht werden. Das Buch konzentriert sich leider recht „klassisch“ diplomatiegeschichtlich auf die Sphäre der Politik- und Wirtschaftsgeschichte und beleuchtet insbesondere die Aushandlungsprozesse innerhalb der beteiligten US-amerikanischen Institutionen sowie zwischen der US-Regierung und den Regierungen der lateinamerikanischen Nationalstaaten. Die wenig überraschende These der Studie lautet: „Foreign aid is not, and cannot be, divorced from foreign policy goals. Foreign aid is a tool that policymakers use, and have used, to achieve their larger aims of dominating, pacifying, protecting, strengthening, or changing certain countries.” (S. 2) Diesem Ansatz folgend, zeigt der Autor wie die USA im Rahmen der „Allianz“ durch Kreditvergabe und Entwicklungshilfeprojekte versuchten, US-freundliche Politik in Lateinamerika zu unterstützen und kommunistische oder anti-amerikanische Kräfte zu stoppen. Das Ergebnis dieser Bemühungen beurteilt Taffet bereits am Anfang des Buches klar: “The programm was not a success. Latin American countries did not experience economic development because of U.S. aid, and the program did not strengthen democratic governance.” Ähnlich der von Stephen Rabe aufgestellten These zur Lateinamerikapolitik John F. Kennedys sieht Taffet die Ursache dieses Scheiterns in „an inherent conflict between lofty humanitarian goals and a desire to fight the Cold War. While U.S: policymakers had a sincere commitment to nation building, political considerations proved far more important in developing aid priorities. Rather than commiting money to the most worthy humanitarian projects, the United States funneled its money to explicitely political projects.” (S. 5)

Im ersten Abschnitt beschreibt Taffet die Entstehung der „Allianz“ und ihre Entwicklung während der Kennedy-Ära. Der Autor belegt die Nachrangigkeit Lateinamerikas bei der US-Entwicklungshilfe in außereuropäischen Weltregionen während der 1940er und 1950er Jahre, zeigt aber zugleich, dass es bereits zum Ende der Regierung Eisenhowers erste Schritte zu einer Neuausrichtung der Hilfe für Lateinamerika kam, an die unter Kennedy angeknüpft werden konnte. Treffend stellt er die „Allianz“ in den kulturellen und politischen Kontext der 1960er Jahre: „Policymakers in the United States believed that commiting enormous amounts of money, along with the technical expertise of leading intellectuals, would solve problems. They had faith in the perfectibility of society and the ability of social scientists to engineer change. The Alliance for Progress was thus part of Kennedy’s New Frontier, but even more significantly, it mirrored President Lyndon Johnson’s Great Society. It was a foreign policy counterpart to the development of social welfare programs for the poor within the United States.” (S. 6) ) Im Folgenden wird deutlich, wie sich Kennedys aktivistischer Politikstil, seine besondere Aufmerksamkeit für die Länder der „Dritten Welt“ sowie die bei den US-Eliten weit verbreiteten modernisierungstheoretischen Vorstellungen verbanden und im Konzept der „Alliance of Progress“ ihren idealtypische Verwirklichung fanden. Gleichwohl benennt Taffet mehrere Faktoren, die das Programm von Anfang an hemmten: Erstens zu hochgesteckte Erwartungen; zweitens das Gewirr der verschiedenen involvierten Personen und Behörden; drittens regelmäßiger Widerstand des US-Kongress und viertens die Unfähigkeit der USA, die lateinamerikanischen Staaten als gleichwertige Partner in die Verwaltung des Programms einzubinden. Darüber hinaus hätte der Autor noch stärker herausstellen können, dass etwa große Teile der lateinamerikanischen Eliten gar nicht an einer Änderung der sozialen und politischen Ordnung interessiert waren und zudem ganz eigene Vorstellungen von der Verwendung der US-amerikanischen Finanzhilfen hatten.

Das alles überragende Problem der „Allianz“ aber erläutert Taffet in den vier Fallstudien, die im Zentrum des Buches stehen und den größten empirischen Ertrag bieten. Behandelt werden Chile, Brasilien, Dominikanische Republik sowie Kolumbien, die im Fokus der US-Politik standen und zusammen fast sechzig Prozent aller Hilfsgelder erhielten (S. 7). Der Autor argumentiert darin, dass die humanitären Intentionen des Programms binnen kurzem aktuellen politischen Erwägungen zum Opfer fielen und die US-Regierung die Gelder der „Allianz“ gezielt einsetzte, um bestimmte Regierungen zu stärken und Regimes, die in Verdacht kommunistischer Politik gerieten, zu schwächen. Taffet entwirft das Panorama einer ziemlich rücksichtslosen imperialen Politik der USA, kann aber zugleich die zahlreichen Grenzen der US-amerikanischen Macht und das eigenständige Handeln der lateinamerikanischen Protagonisten deutlich machen. Allerdings muss sich der Autor fragen lassen, ob sich Kategorien wie „humanitäre Hilfe“ (gut) und „politische Intervention“ (böse) immer so säuberlich trennen lassen. Taffets These von der „foreign aid as foreign policy“ mag richtig sein, und es ist ebenso zutreffend, dass die „Allianz“ als Ganzes und die Verteilung der Finanzhilfen kurzfristigen politischen Ränkespielen zum Opfer fielen. Doch gerät in der Darstellung etwas zu sehr in den Hintergrund, dass sich die Verwirklichung der „Allianz“ in ganz konkreten Projekten vor Ort (dem Bau von Krankenhäusern, Schulen, Straßen etc.) niederschlug, die von US- wie Lateinamerikanern vermutlich auch als Manifestationen von Fortschritt und Entwicklungshilfe verstanden wurden. Institutionen wie dem Inter-American Economic and Social Council (IA-ECOSOC), dem wichtigsten Verwaltungsorgan der „Allianz“, aber auch den Behörden der lateinamerikanischen Staaten kam in der Vermittlung zwischen diesen Ebenen eine entscheidende Rolle zu, sie werden in Taffets Darstellung jedoch leider ausgespart.

Eine Forschungslücke schließt das letzte Kapitel des Buches, das das Schicksal der „Allianz“ in den späten 1960er Jahren unter den Regierungen Lyndon Johnsons und Richard Nixons beschreibt. Der Enthusiasmus, der das Programm anfangs getragen hatte und bereits seit Johnsons Amtsantritt einer pragmatischeren (der Autor betont: nicht nachlässigen) Politik gewichen war, ging nach 1965 im wesentlichen aus zwei Gründen verloren: Erstens beanspruchte nun der Vietnamkrieg die volle Aufmerksamkeit Washingtons; zweitens erschwerte ein wachsendes Haushaltsdefizit die Finanzierung von Entwicklungshilfeprogrammen. Zugleich war die von den USA befürchtete Welle der kommunistischen Revolutionen in Lateinamerika ausgeblieben. So kam das Ende der „Allianz“ und ihrer hehren Ziele schleichend: „There was not a conscious effort to neglect Latin America, but as bigger problems emerged elsewhere, and the region appeared stable, the Alliance for Progress fell down the list of U.S. priorities.” (S. 175)

Taffets Buch ist flüssig und pointiert geschrieben und belegt zugleich mit vielen Zahlen welche Hilfsgelder und Kredite in welche Länder und Projekte geflossen sind. Der Text wird ergänzt durch eine Reihe von Tabellen und Grafiken mit quantitativen Angaben. Im Anhang sind zudem vier Quellen zur Geschichte der „Alliance for Progress“ abgedruckt 3 sowie eine kurze Liste mit wichtigen US- und lateinamerikanischen Politikern, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Programms spielten. Bedauerlich ist, dass die Darstellung fast ausschließlich auf Quellen aus US-Archiven beruht, was die Erzählperspektive durchgehend beeinflusst. Eine Berücksichtigung lateinamerikanischer Dokumente sowie ein Stärken der lateinamerikanischen Perspektive hätten das Urteil des Autors vielleicht in der einen oder anderen Hinsicht relativiert und wären für zukünftige Untersuchungen zweifellos wünschenswert. Ebenso hätten kulturhistorische Fragen, die der Autor sogar am Rande erwähnt (wie der von der Modernisierungstheorie geprägte Zeitgeist oder die zahlreichen Propagandabemühungen der USA in Lateinamerika), in der Studie vertieft werden können. Zukünftigen sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Forschungen zur Geschichte des Verhältnisses zwischen den USA und Lateinamerika in den 1960er Jahren wie auch zur Geschichte der alltäglichen Manifestationen von Imperialismus und Entwicklungshilfe im allgemeinen eröffnen sich hier lohnende Arbeitsfelder. Taffets Buch ist ein solider und materialreicher Überblick über die Geschichte der „Alliance of Progress“ ohne größere Überraschungen oder methodische Innovationen. Durch seine kritische historische Analyse von Entwicklungshilfepolitik im Kalten Krieg lädt es dazu ein, über dieses Problemfeld umfassender nachzudenken, nicht zuletzt angesichts der aktuellen dramatischen Ereignisse in Haiti oder Afghanistan.

Anmerkungen:
1 Eine gelungene neue Einführung in die jüngere Geschichte der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika ist: McPherson, Alan L., Intimate ties, bitter struggles. The United States and Latin America since 1945, Washington, D.C. 2006.
2 Die zentrale Studie dieser Forschungsrichtung ist Rabe, Stephen G., The most dangerous area in the world. John F. Kennedy confronts Communist revolution in Latin America, Chapel Hill 1999.
3 Dies sind: Address by President John F. Kennedy at the White House Reception for Members of the Diplomatic Corps of the Latin American Republic, March 13, 1961; The Charter of Punta del Este: Establishing an Alliance for Progress within the Framework of Operation Pan Americana, August 17, 1966 [Sic! Die korrekte Jahreszahl ist „1961“, S. 205]; President Lyndon B. Johnson’s Remarks on the Alliance for Progress to Representatives of the Countries of Latin America, November 26, 1963; Declaration of the Presidents of America, Punta del Este, Urugay, April 14, 1967.

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23.07.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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