M. Küntzel: Die Deutschen und der Iran

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Title
Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft


Author(s)
Küntzel, Matthias
Published
Berlin 2009: Wjs Verlag
Extent
320 S.
Price
€ 22,00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Wolfgang G. Schwanitz, Gloria Center, Herzliya, Israel

Als Irans Präsident Ahmadinedjad anhob, den Holocaust zu leugnen, da reichte es auch einem Hamburger Politologen. Matthias Küntzel war nicht nur ganz entsetzt, das Teheran zudem noch Israel auslöschen wollte, sondern dass so viele Deutsche hierbei gleichgültig blieben. Er nahm daher die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Iran unter die Lupe. In fünf Teilen geht es um das Kaiserreich, die Bonner Republik, al-Khumainis Revolution, Deutsche und Mullahs sowie Berlin im Atomstreit mit dem Regime in Iran.

So hellt er in dieser historisch angelegten Arbeit Licht und Schatten der Beziehungen auf, die zu aktuellen Krisen um die atomare Aufrüstung des Regimes beigetragen haben. Der Autor, bekannt durch sein Werk "Jihad und Judenhass", entführt uns in Zeiten als Kaiser Wilhelm Jihadrevolten im Rücken seiner Feinde angezettelt hat. Die Iraner erzählten sich nicht nur von "Hajj Wilhelm Muhammad", der zum Islam konvertiert sei. Sondern sie erlebten, wie ihr Glaube nach Europas Art im Ersten Weltkrieg radikalisiert worden war.

Dies bauten die Nazis aus. Laut Küntzel setzten sie nicht lediglich auf das gemeinsame "Ariertum", wobei Finanzminister Hjalmar Schacht sie 1936 "reine Arier" nannte. Schah Reza und Kronprinz Muhammad Reza, behauptet der Autor, hätte sich sogar von Schacht dem "deutschen Gruß" verabschiedet. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wer im Bericht des Gesandten Johannes Smend vom 8. Januar 1937 nachliest, der sieht es so: als sich Schacht an der Tür des Audienzimmers - ganz gegen alles Protokoll - mit dem deutschen Gruß verabschiedete, habe dies der Schah mit gütigem Lächeln ebenso wie der Kronprinz erwidert "und uns sehr gnädig" entlassen. Also Schacht hat "Heil Hitler" begonnen und es ist von den Iranern nur wiederholt worden. Andere Deutsche von der SS hauten in dieselbe Kerbe. Sie stellten Adolf Hitler als im Koran angezeigten Messias vor. Zwar half dies am Ende wenig. Doch geblieben sind fragwürdige Achsen und eine schleichende Radikalisierung.

Sicher, es reiften bilateral auch viele gute und menschliche Beziehungen heran. Insofern fragt es sich, ob man im Verhältnis von Staaten von "Freundschaft" reden sollte, wo doch nationale Interessen obwalten. Aber dies hat Küntzel nicht im Auge. Sondern die Trends, die sich gegen Demokratie und Juden richten. Er findet manche Unternehmer, die nach der Islamischen Revolution 1979 Mullahs auf dem Pfauenthron halfen, ihre Träume vom Export des Radikalislams im Griff nach der Atomwaffe zu sichern. Dort sind Ayatullahs, die politische Gegner sogar in Europa verfolgen und ermorden ließen. Die Hatz auf den Autoren Salman Rushdie und die Toten im Berliner Mykonos-Restaurant belegen dies.1

Doch sieht Küntzel in der besonderen Abhängigkeit Irans von Technologien aus dem deutschen Raum auch die Chance. Dies wäre ein Hebel, meint er, das Regime in Teheran zum Einlenken zu bewegen. Denn Böses entspringe nicht der Technik an sich, sondern den politischen Umständen. Der Autor behauptet, dass Abschreckung wie einst im Kalten Krieg in Teheran nicht funktioniere. Die Sowjets und die Amerikaner liebten das Leben. Nicht so Irans Führer im Wunsche, auch durch Krieg der Endzeit näher zu rücken. Irans einstiger Präsident Hashimi Rafsandjani nannte 2001 den Atomschlag gegen Israel auch dann nicht "irrational", wenn viele Muslime beim Gegenschlag umkämen. Israel, so diese Logik des Ayatullahs, sei ausgelöscht indes der islamische Raum "nur beschädigt" wäre.

Küntzel bringt es auf diese Kernthese: Wer dem Märtyrertod entgegen fiebere, der lasse sich auch nicht abschrecken. Dies sei ein ideologisches Gebräu aus Todessehnsucht und Waffenuran, aus Holocaustleugnung und Hightech, aus Schia-Erlösertum und Plutonium für Waffen. Und damit schließt er den Kreis fragend, ob Berlin wohl seine Rolle erfülle, um einen zweiten Holocaust und das nukleare Wettrüsten in Mittelost zu verhindern.

Laut Küntzel hätten einige Politiker in Bonn versagt. Hier bleibt das Buch westdeutsch. Denn Ostdeutsche waren im Kalten Krieg auch aktiv. Schah Reza Pahlavi wollte Erich Honecker Mitte 1978 besuchen. Die Laudatio für seinen "Dr. jur." lag in der Humboldt-Universität schon vor. Stasi-Chef Erich Mielke sperrte (Aktion "Koexistenz") die Spree-Metropole ab. Spitzel beschatteten schärfer Kritiker. Dresden sagte ein Fußballspiel der Oberliga ab, damit der Schah im Zwinger nicht bedrängt werde. Ostberlin spielte mit dem radikalen Islam. Der aber begann sich so zu regen, dass es ihm das Reisen verbot. Da fegte ihn Ayatullah al-Khumainis islamische Revolte weg. Was folgt, wird den Leser fesseln.

Irans Atomforschung sei eine Wende in der Weltpolitik, jubelte Präsident Amhadinedjad dem Volke zu. Dies diene allen, die sich den Aggressoren widersetzten. Nie zuvor, so Küntzel, griff ein Regime mit solcher Fanfare nach Nukes. Dabei gehe es Teheran nicht um Stabilität, sondern darum, mit viel Wirbel die bestehende Weltordnung zu beseitigen. Allerdings erinnert viel in Teherans Verwirrspiel an das Moskauer Gehabe bis 1949.2

Aber des Iraners Frieden sei nicht unser Frieden. Denn in Teheran stehe er im Kontext des Judenhasses. Dazu zitiert der 1955 geborene Autor erneut jenen Präsidenten: wenn sich dieser Frieden ausbreite, dann merzen die Völker den Zionismus aus. Laut Küntzel liege das voll auf der bekannten genozidalen Linie der Nazis, die 1943 ihr Kriegsziel als die weltweite Beseitigung von Juden angaben, was dann erst den ewigen Frieden erlaube.

Aus der Nuklearisierung Irans folge der aktuelle Albtraum. In diesem spielten die nuklear gerüsteten Terroristen ihre erpresserische Rolle. Auch würde die arabische Welt atomar nachziehen: Sunniten suchten Schutz gegen das nukleare Schwert der Mullahs. Sollte das Teheraner Regime Atomwaffen erlangen, drohte den sechs Millionen Juden Israels ein neuer Holocaust. Diesmal mit Hilfe von Raketen. Und durch die Fehlpolitik der Mächte, darf man ergänzen, die sich Jahrzehnte lang durch "Dialog" täuschen und spalten lassen.

Für Leser, die das provokative Denken mögen, fügt der Autor zweierlei hinzu. Lediglich im Iran gehe das schiitische Phantasma von religiöser Auserwähltheit mit der Physik der Massenvernichtung einher. Hier käme als Novum der Atomgeschichte die Destruktivität der Atombombe mit dem Furor des neuen Religionskrieges zusammen. Starke Thesen, die viele Saiten aus der Geschichte Europas anklingen lassen. Der Leser mag sich fragen, ob das nicht überzogen ist und Momente aus vielen Epochen und Räumen verknüpft, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Ist es eine typische Übertreibung?

Ja und nein. Ja, weil Küntzel seine Erfahrungen vor allem aus dem Werden Europas einspeist. Dabei recherchierte er gut die wechselseitigen Beeinflussungen in der deutsch-iranischen Historie. Und nein, dieser Autor denkt universell, zumal es seit dem Holocaust eben keinerlei Leichtsinn mehr geben darf, wenn die radikalsten Regimes nach Waffen des Massenmords streben. Er nimmt ihre Worte ernst. Ein regionaler Atomwettlauf muss gestoppt werden. Berlin sollte seine bilateralen Beziehungen in Teheran dafür benutzen.

Das ist die Botschaft, die Küntzels deutsch-iranisches Prisma ausleuchtet. Nicht alles mag der Leser teilen und einiges, so die ostdeutsche Seite, fehlt. Doch spannungsreich ist der Band bis zum Schluss. Dabei ist der Autor kein Iranist und hat sich dem Islamismus erst seit dem Millenium zugewandt. Aber er ist ein Querdenker, der sich unter deutschen Akademikern auch immer wieder international Gehör verschafft. Der Band sei allen empfohlen, die das Ringen um unübliches Denken und einprägsame Geschichten mögen.

Anmerkungen:
1http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=96559655
2http://www.trafoberlin.de/pdf-Neu/Bahman%20Nirumand%20Iran.pdf

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Published on
26.02.2010
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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