G. Packard: Edwin O. Reischauer and the American Discovery of Japan

Title
Edwin O. Reischauer and the American Discovery of Japan.


Author(s)
Packard, George R.
Published
Extent
351 S.
Price
€ 24,52
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Eva-Maria Stolberg, Historisches Institut, Abteilung für Außereuropäische Geschichte, Universität Duisburg-Essen

Biografien über Wissenschaftler, die sich mit außereuropäischen Kulturen beschäftigt haben, eröffnen ein neues und – wie das vorliegende Buch beweist – auch ein lohnendes Forschungsgebiet. Hier stellt sich die Frage nach der Bedeutung von „area studies“, ihrer Entstehung und den Persönlichkeiten, die sie gefördert haben. Im vorliegenden Fall geht es um die Anfänge der Japanologie in den Vereinigten Staaten. Die Biografie über den namhaften US-amerikanischen Japanologen Edwin O. Reischauer, nach dem das führende Japan-Zentrum der USA an der Harvard University benannt ist, stammt aus der Feder seines ehemaligen Assistenten an der amerikanischen Botschaft in Tokyo, George R. Packard. In das Buch ist eine Fülle persönlicher Notizen aus Packards Hand sowie Dokumente zur Persönlichkeit Reischauers eingeflossen, woraus ein lebendiger Schreibstil resultiert. Allerdings vermisst man an einigen Stellen die nötige Distanz.

Wie kaum ein anderer – abgesehen von John K. Fairbank – hat Edwin O. Reischauer als Gelehrter die Japanstudien in den Vereinigten Staaten und als Botschafter in Tokyo die amerikanisch-japanischen Beziehungen im 20. Jahrhundert geprägt. Reischauer selbst hat 1986 seine mannigfaltigen Erfahrungen mit Wissenschaft und Politik in seiner Autobiografie niedergeschrieben.1 Packards Verdienst ist es, die insbesondere für die USA charakteristische enge Verbindung von Wissenschaft (hier: der Japan Studies) und Politik aufzuzeigen. Allerdings hätte Packard seinen biografischen Ansatz stärker in den institutionellen Kontext der amerikanischen Japanologie stellen und dazu die akademischen Strukturen aufzeigen müssen. Ungeachtet dieses Mankos gelingt es Packard jedoch, die Stufen der akademischen Karriere eines bedeutenden Japanologen und dessen Motivation herauszuarbeiten.

Reischauers Affinität zu Japan war bereits in seiner familiären Sozialisation begründet. Sein Vater August Karl (der Ursprung der Familie Reischauer lässt sich nach Österreich zurückverfolgen) gehörte einer amerikanischen Missionsgesellschaft in Japan an, darüber hinaus lehrte er Ethik und Philosophie an der Meiji-Gakuin-Universität in Tokyo. August Karl Reischauer nahm seine Tätigkeit 1905 – zum Zeitpunkt des Russisch-Japanischen Krieges – auf. 1910 wurde Edwin O. Reischauer in Tokyo geboren und wuchs in einem teilweise japanischen Umfeld auf, geprägt wurde er zudem durch die Bildung seines Vaters. In die Fußstapfen seines Vaters als Missionar zu treten, daran dachte Edwin nicht. Zu Recht verweist Packard jedoch auf den missionsgeschichtlichen Kontext, denn viele amerikanische Ostasienwissenschaftler, aber auch in der Region tätige Diplomaten hatten. Ja, man kann sagen, dass die rege Missionstätigkeit erst den Grundstein für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Ostasien legte.

Kontakt bekam der heranwachsende Edwin vor allem zu konvertierten japanischen Intellektuellen (wie zum Beispiel Ibuka Kajinosuke, Präsident der Meiji-Gakuin-Universität), die mit den Eltern verkehrten. Von der japanischen Bevölkerung im Allgemeinen und von deren Alltagsleben lebte er isoliert – abgesehen von zwei weiblichen Hausangestellten. 1926 verließ Edwin Reischauer Japan, um in den USA am Oberlin College und in Harvard zu studieren. Hier beschäftigte er sich vor allem mit Commodore Perrys Japan-Expedition sowie mit dem Buddhismus in Indien und Japan. Ob dies auf den Einfluss seines Vaters bzw. Ibuka Kajinosukes zurückzuführen ist, geht aus Packards Argumentation nicht klar hervor. Sicherlich lag hier der Beginn einer lebenslangen Beschäftigung mit Ostasien, das Ende der 1920er-, Anfang der 1930er-Jahre an amerikanischen Colleges und Universitäten eine Marginalie darstellte. Die Geschichtswissenschaft in den USA war damals auf das eigene Land und Europa fokussiert. Ostasienforschung war noch nicht institutionalisiert, erst Edwin Reischauer selbst sollte die Grundlage dafür legen. Die sporadisch angebotenen Kurse in ostasiatischer Geschichte waren wenig professionell, Reischauer eignete sich sehr viel – einschließlich der Sprachkenntnisse – im Selbststudium an. In dieser Hinsicht galt er als self-made man. Der schon während seines Studiums zu Tage tretende Pioniergeist wurde durch den charismatischen Sergei Elisseeff gefördert, einen aus St. Petersburg stammenden russischen Emigranten und bedeutenden Gelehrten für japanische Literatur. Im Unterschied zu den USA und Westeuropa waren die Ostasienwissenschaften in Russland bereits eine anerkannte akademische Disziplin.2 Dieser Querbezug, den Packard anstellt, ist äußerst interessant und müsste in künftigen Forschungen ausgeweitet werden – nämlich hinsichtlich eines Ideentransfers der „area studies”, diesmal von Ost nach West.

Die schwache Präsenz der Japanologie an internationalen Universitäten erstaunt, da Japan seit Beginn der 1930er-Jahre zu einem neuralgischen Punkt der amerikanischen Politik in Ostasien wurde. 1932 errichtete das Inselreich nach der Besetzung der Mandschurei das Marionettenregime von Manchukuo, 1937 begann der japanisch-chinesische Krieg. Zeitgleich sah Japan eine Reihe politisch motivierter Attentate und den Aufstieg des Militarismus, was Edwin Reischauer aus eigener Anschauung 1935 vor Ort erlebte, als er sich an der renommierten Kaiserlichen Universität in Tokyo einschrieb. Reischauer beobachtete mehr die Entwicklung, als dass er sie kritisierte, was ihm später von seinen Kritikern vorgeworfen wurde. Hier bleibt Packard überraschend vage und erklärt Reischauers optimistische Einschätzung, Japan sei in der Lage, sich zu einer Demokratie zu entwickeln, damit, dass Reischauer Vertretern der nationalen Rechten nicht begegnet sei, obwohl dieser durchaus die militaristische Atmosphäre in der Hauptstadt wahrnahm. Bemerkenswerter ist jedoch Packards Hinweis, dass sich Reischauer zu diesem Zeitpunkt mehr für klassische japanische Literatur als für die aktuelle Politik interessierte.

Das änderte sich erst im Sommer 1941 mit der Zuspitzung der amerikanisch-japanischen Beziehungen. Edwin Reischauer wurde als Japan-Experte in die Fernost-Abteilung des US State Department berufen, wenige Monate vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Den Vorschlag eines amerikanischen Ölembargos lehnte Reischauer mit dem Hinweis ab, dies würde Japan zu einem Angriff provozieren, auf den die USA nicht vorbereitet seien. Mit dieser richtigen Einschätzung stellte sich Reischauer gegen die Mehrheitsmeinung im State Department, die in einem Embargo den Weg zu Verhandlungen sah. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor warnte Reischauer vor einer amerikanischen Unterschätzung des japanischen Gegners und sagte einen lang anhaltenden, zermürbenden Krieg im Pazifik voraus, was sich bewahrheiten sollte. Hier argumentierte Reischauer als Historiker und verwies darauf, dass das Militär traditionell eine bedeutende Rolle in der japanischen Gesellschaft spiele; zudem seien Disziplin und Selbstaufopferung im japanischen Wertesystem tief verankert. Zugleich wandte sich Reischauer gegen eine Dämonisierung der Japaner in der amerikanischen Kriegspropaganda. Allerdings rechtfertigte er später den Atombombenabwurf auf Hiroshima damit, dass das Leben von Hunderttausenden von amerikanischen Soldaten gerettet und Japan vor einer sowjetischen Besatzung bewahrt worden sei.

Es ist bemerkenswert, dass, ungeachtet des amerikanischen Sieges im Pazifischen Krieg, Ostasienstudien an amerikanischen Universitäten auch nach 1945 eine Marginalie darstellten. Gelehrten wie Edwin O. Reischauer und John K. Fairbank fehlten einflussreiche Kontakte zum politischen Establishment. Die Ignoranz der amerikanischen Außenpolitik schlug sich in der politischen Fehleinschätzung der Lage in China nieder; mit einem Sieg der Kommunisten unter Mao Zedong war nicht gerechnet worden. Eine Institutionalisierung der Ostasienstudien fand erst in den späten 1950er-Jahren an der Harvard University – nach dem Ende des Koreakrieges – statt, was nicht zuletzt auch gerade den Bemühungen Reischauers entsprang. Die 1950er-Jahre waren zugleich Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn: Reischauer galt als Amerikas führender Japan-Experte, was nicht zuletzt seine Wahl zum Präsidenten der Far Eastern Association im Jahr 1955 unter Beweis stellte. Zwei Jahre später trat er Sergei Elisseeffs Nachfolge als Direktor des renommierten Harvard-Yenching Institute an. Auch in Japan war Reischauer eine anerkannte Persönlichkeit, so schrieb er regelmäßig Artikel für die Mainichi Shimbun, wobei die Entwicklung der Demokratie und der wirtschaftliche Fortschritt in Japan im Fokus standen.

Summa Summarum hat George R. Packard eine informative und lesenswerte Biografie über eine akademische Persönlichkeit geliefert, die sowohl als Wissenschaftler als auch Diplomat die Rolle eines kulturellen Vermittlers zwischen den ehemals verfeindeten Ländern USA und Japan überzeugend vertreten hat und dabei auch gegen mentale wie auch institutionelle Barrieren der amerikanischen Außenpolitik ankämpfen musste.

Anmerkungen:
1 Edwin O. Reischauer, My Life between Japan and America, New York 1986.
2 Serge Elisseeff war zwischen 1917 bis 1930 Professor für Japanologie an der Sorbonne in Paris, Anfang der 1930er-Jahre wurde er erster Direktor des Harvard-YenchingInstitute. Siehe Edwin O. Reischauer, Serge Elisseeff, in: Harvard Journal of Asiatic Studies, vol. 20, Nr. 1/2, S. 1-35.

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09.05.2011
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