Der Begriff ‚Foreign Fighter‘ wird heute zur Beschreibung junger radikalisierter Muslime verwendet, die sich Terrorgruppen wie dem IS oder der Al Kaida im Nahen Osten oder in Afghanistan anschliessen. Kaum jemand wird dabei an texanische Revolutionäre denken. Doch wie der Politikwissenschaftler David Malet in seinem höchst aktuellen Werk zeigt, ist die Präsenz von ausländischen Freiwilligen auf fremden Kriegsschauplätzen nicht eine neuartige Gegenwartserscheinung, sondern seit jeher bekannt. In vier historischen Fallbeispielen und einer quantitativen Analyse der Bürgerkriege der vergangenen beiden Jahrhunderte nähert Malet sich dem Phänomen.
Im ersten Kapitel diskutiert Malet Rekrutierungsnetzwerke als soziale Bewegungen. Entscheidend für den Anwerbungserfolg sind die Deutungsstrategien, die die Konfliktparteien anwenden, um den Konflikt gegenüber verschiedenen Zielgruppen darzustellen. Dieses ‚Framing‘ dient dem Ziel, den Konflikt zu internationalisieren und möglichst viele Gruppen anzusprechen. (S. 27) Die Standarderklärung für die Motivation Kriegsfreiwilliger, die mit dem Schlagwort ‚Greed and Grief‘ zusammengefasst wird, d.h. einer Mischung aus individueller Beutelust und tatsächlichen Missständen, beleuchtet Malet kritisch. Er zeigt, dass Bürgerkriegsparteien nur selten in der Lage sind, nennenswerte materielle Entschädigungen anzubieten. Wenn doch, so sind diese der Elite der ausländischen Freiwilligen vorbehalten, so etwa den Piloten der Luftwaffen der Spanischen Republik oder Israels. Selbst dort, wo den siegreichen Freiwilligen erhebliche materielle Entschädigungen angeboten werden, wie etwa grosse Ländereien nach der Texanischen Revolution, werden diese nur selten in Anspruch genommen (S. 16f). Die Freiwilligen scheinen daher nicht primär durch materielle Interessen motiviert zu sein, oder, um die berühmten Worte des französischen Politikers François-René de Chateaubriand zu paraphrasieren: Männer sind nicht bereit, für ihre Interessen zu sterben, sondern für ihre Leidenschaften. Viel mehr als die Früchte des Sieges würden die Kriegsparteien in ihren Werbemassnahmen die existenzielle Gefahr im Fall einer Niederlage betonen. Sei es durch den Verlust der Freiheit wie in Texas, einen Siegeszug des Faschismus in Europa oder durch einen drohenden Genozid an den israelischen Juden. Malet prägt den Begriff der „defensiven Mobilisierung“ für dieses Vorgehen und erklärt sie mittels ökonomischer Theorien, wonach die Opferbereitschaft, um Bedrohtes zu erhalten, höher sei als jene, um Neues zu gewinnen (S. 25f).
In zweiten Kapitel analysiert Malet empirische Daten zu 331 Bürgerkriegen aus den Jahren 1816 – 2005. In 20 Prozent dieser Konflikte spielten ausländische Freiwillige eine Rolle. Malet unterteilt sie in vier Typen, abhängig davon, ob die Kämpfer derselben Ethnie angehören wie die Aufständischen und ob sie an ethnischen oder nicht-ethnischen, d.h. weltanschaulichen Konflikten teilnehmen (S.43). Nach wie vor gehört fast die Hälfte der ausländischen Freiwilligen derselben Ethnie wie die Aufständischen an. Malet beobachtet jedoch, dass aufgrund des Islamismus mehr und mehr ideologische und nicht ethnische Bande dominieren, wenn ausländische Freiwillige in einem Konflikt aktiv werden (S. 49). Auffallend ist auch, dass Aufstände mit ausländischer Beteiligung überproportional erfolgreich waren, woraus sich jedoch – wie der Autor warnt – keinesfalls ein Kausalzusammenhang ableiten lässt (S. 52). Die Typologie, die Malet anwendet, überzeugt nur bedingt, da Konflikte in der Regel sowohl eine ideologische als auch eine ethnische Dimension aufweisen. So beschreibt Malet etwa den seit 2003 andauernden Irakischen Bürgerkrieg sehr vereinfachend als nicht-ethnischen Konflikt und die Freiwilligen daher als ideologisch motiviert, obwohl die Gegensätze zwischen den ethnischen und konfessionellen Gruppen unbestrittenermassen darin eine zentrale Rolle spielen. Dasselbe gilt unter umgekehrten Vorzeichen für den arabisch-israelischen Konflikt, den Malet als ethnischen Konflikt kategorisiert, obwohl er eine erhebliche ideologische Dimension besitzt.
Die folgenden vier Kapitel widmen sich der Analyse vier historischer Konflikte, in denen Freiwillige einen wesentlichen und teilweise entscheidenden Kriegsbeitrag leisteten: Die Texanische Revolution, der Spanische Bürgerkriegs, der Israelische Unabhängigkeitskrieg und der Afghanische Bürgerkrieg bis 1992. Nach einem jeweils kurzen historischen Überblick über die Konflikte gliedern sich die Kapitel in Abschnitte, die die Rekrutierung, die Kommunikations- und Deutungsstrategien, die Kampferfahrung und die Nachgeschichte des Einsatzes der ausländischen Kriegsfreiwilligen besprechen. Die komparative Herangehensweise erlaubt es Malet, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Einsätze herauszuarbeiten.
Die Anwerbung ausländischer Freiwilliger bedingt zunächst die Existenz funktionierender transnationaler Netzwerke, seien es kommunistische Parteien und Clubs oder transnationale islamistische Netzwerke, wie sie durch die Emigration der Moslembrüder aus Ägypten entstanden sind.1 Die Bedeutung solcher Netzwerke dürfte jedoch in Zukunft abnehmen, unter anderem deswegen, weil die „Interessenten“ die Propaganda direkt über das Internet beziehen können (S. 209). Wie Malet anhand der Auswertung von Memoiren und Propagandamaterial zeigt, sind Deutungsstrategien nicht starr, sondern abhängig von Zeit und Zielpublikum höchst flexibel. So entschärfte die Komintern während des Spanischen Bürgerkriegs ihre antibürgerliche Rhetorik und betonte stattdessen den Antifaschismus, um die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Freiwilligen mehrheitlich keine Kommunisten waren (S. 108). In der Texanischen Revolution verschob sich die Rhetorik im Laufe des Konflikts wiederum von einer liberalen antimonarchistischen Botschaft hin zu einer nationalistischen, die den Gegensatz zwischen Anglo-Amerikanern und Mexikanern hervorhob (S. 67-73).
Die Bilanz der Freiwilligeneinsätze fällt durchwachsen aus. Reibungen zwischen Einheimischen und ausländische Freiwilligen waren eine Konstante. Verantwortlich dafür waren auch die Sprachbarrieren zwischen Einheimischen und Freiwilligen, die z.B. im Israelischen Unabhängigkeitskrieg ein erhebliches Problem darstellten (S. 151f). Die Freiwilligen stellten hinsichtlich ihrer Erfahrung keine homogene Masse dar. Während die Rekrutierung von Spezialisten, z.B. Piloten in Spanien und Israel, hohe Priorität genoss (S. 139f), versuchte man unerfahrene Freiwillige zunehmend fernzuhalten (S. 155) oder missbrauchte sie gar, wie im Falle der Freiwilligen in Afghanistan oder Texas, als „Kanonenfutter“ (S. 84f, 176).
Die Radikalität der Ausländer wirkt für die Einheimischen wiederum oft befremdlich. So kam es im Bosnienkrieg zu Zusammenstössen zwischen Dschihadisten und Einheimischen, die keinen strikten islamischen Lebensstil verfolgten (S. 188). Auch das sogenannte ‚Anbar Awakening‘, die temporäre Zurückdrängung der Al-Qaida durch irakische Stämme im Jahr 2006, erklärt Malet durch die üblichen Spannungen zwischen lokalen und ausländischen Aufständischen (S. 200). Anderseits sind die Verluste der Ausländer oft höher als jene der Einheimischen, weil sie eine grössere Opferbereitschaft an den Tag legen. So waren nur 9 der 189 Männer, die bei der aussichtlosen Verteidigung des Fort Alamo gegen eine mexikanische Übermacht starben, überhaupt Texaner (S. 86).
Der Nachgang der Kampfeinsätze ausländischer Freiwilliger ist ebenso divers wie die Schauplätze selbst. Nur wenige der ausländischen Freiwilligen liessen sich im unabhängig gewordenen Texas nieder und profitierten von der Vergabe grossflächiger Ländereien als Dank für ihre Dienste (S. 87f). Auch von den Freiwilligen, die auf Seiten Israels am Unabhängigkeitskrieg teilnahmen, liess sich nur eine Minderheit in Israel nieder. Das Erbe der arabischen Freiwilligen anderseits, die gegen Israel auf Seiten der Arabischen Befreiungsarmee und der Moslembruderschaft kämpften, inspirierte Abdallah Azzam zur Organisation der ausländischen Intervention im sowjetisch-afghanischen Krieg (S. 155-157). Während sich die Freiwilligen in den anderen besprochenen Konflikten aber wieder in ihre alten und neuen Heimatländern integrierten, führte die Teilnahme von ausländischen Freiwilligen am Afghanistankrieg, den sogenannten „Arabischen Afghanen“, zur Gründung von transnationalen Terrororganisation wie der Al-Kaida und der Entstehung einer Gemeinschaft von Dschihadisten, die ihren Kampf überall dorthin tragen, wo sich neue Fronten eröffnen (S. 193f).
In der Konklusion diskutiert Malet die Frage, weshalb die Mehrheit der ‚Foreign Fighters‘ heute Muslime sind. Er erklärt es mit der zunehmenden Verbreitung einer transnationalen muslimischen Identität, der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der ‚Umma‘, die traditionelle, national ausgeprägte Identitäten verdränge. Rekrutierer würden diese Gemeinschaft als bedroht darstellen, um neue Freiwillige zu gewinnen (S. 205f). Es ist dieselbe Strategie, die schon in Afghanistan angewendet wurde. Als Gegenmassnahme empfiehlt Malet deshalb die Steigerung der Attraktivität nationaler militärischer und ziviler Institutionen, die alternative soziale Strukturen bieten können (S. 212f).
„Foreign Fighters: Transnational Identity in Civil Conflicts“ ist ein informativer und origineller Beitrag zur aktuellen Debatte, der neue Einsichten zu vermitteln vermag, obwohl er gelegentlich etwas schwerfällig zu lesen ist. Malet legt den Schwerpunkt darauf, strukturelle Gemeinsamkeiten im Engagement von ausländischen Freiwilligen herauszuarbeiten, was ihm ausserordentlich gut gelingt. Dabei geht leider ein wenig der Blick auf die Unterschiede zwischen den Konflikten verloren. So ist kaum bestreitbar, dass dschihadistische ‚Foreign Fighters‘ seit Afghanistan zu einer neuartigen Bedrohung für die internationale Ordnung und den Fortbestand ganzer Völker und Staaten geworden sind, die mit dem interessanten, doch auch bescheideneren Phänomen ausländischer Kriegsfreiwilliger in Bürgerkriegen der vergangenen zwei Jahrhunderte auf den zweiten Blick eigentlich wenig gemeinsam hat.
Anmerkung:
1 Siehe dazu Thomas Hegghammer, The Rise of Muslim Foreign Fighters. Islam and the Globalization of Jihad, in: International Security 3 (2010/11), S. 53‐94.