Das russische, osmanische und persische Reich waren Nachbarn, hatten äußerst lange gemeinsame Grenzen und befanden sich in stetiger Interaktion. Ihre gemeinsame Geschichte wurde bis jetzt, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, asymmetrisch durch mehrere Regionalwissenschaften erforscht. Die Verflechtungen lassen sich dabei nicht nur im Bereich der politischen Beziehungen zwischen St. Petersburg, Konstantinopel und Teheran, sondern auch am Beispiel des intensiven Austausches zwischen den sogenannten Peripherien der Reiche, ihrer Randgebiete und Grenzräume, ablesen. Der russische Kaukasus, das osmanische Anatolien und die Nordprovinzen Irans waren wichtige Räume, in denen sich die Dynamiken der russisch-osmanisch-persischen Verflechtungen abspielten. Die US-amerikanische Forscherin Houri Berberian schilderte diese Interaktionen am Beispiel der facettenreichen Aktivität der armenischen „roving revolutionaries“, die zum stetigen inter- und intraimperialen Dialog und Austausch beitrugen. Berberian betrachtete die armenischen Diskurse der politischen Aktivisten, meistens organisiert in den politischen Parteien der Daschnakzutjun und der Sozialdemokraten sowie kleinerer Splittergruppen, die in Tiflis, Istanbul, Tabriz, aber auch in Genf und Paris artikuliert wurden. In ihrem Buch wird die gesamteuropäische und sogar die internationale Dimension der armenischen Debatten um die Jahrhundertwende deutlich aufgezeigt und als ein wichtiger Bestandteil der Interaktion zwischen den drei Reichen analysiert.
Ihre eigene Vorgehensweise bezeichnet die Autorin als “connected revolutions” (S. 19) und knüpft ihre theoretischen Überlegungen an die Vorarbeiten von Fletcher (und dessen Ansatz von interconnection) sowie der vor allem im deutsch- und französischsprachigen Raum bekannten Konzeption der Verflechtungsgeschichte/histoire croisée von Werner und Zimmermann.
Polyglott und in mehreren Kulturen verankert waren die armenischen Aktivisten “some of the most active and dynamic of their kind to connect all three revolutions at the dawn of the twentieth century.” (S. 19) Berberian gelingt es anhand der Debatten der armenischen Revolutionäre eine wesentliche und bis jetzt leider viel zu wenig erforschte Dimension der Verflechtungsgeschichte der Revolutionen in den Reichen der Romanovs, Osmanen und der Kadscharen aufzuzeigen und den Transferprozessen zwischen urbanen Räumen von drei Imperien nachzugehen. Die Aktivisten bewegten sich “throughout and across the Russian, Ottoman, and Iranian borders and beyond into Western and Central Europe during revolutionary upheavals. They also carried with them or saw to the transfer of weapons, explosive elements, and devices, as well as revolutionary print in the form of newspapers, pamphlets, and books in translation or in the original.” (S. 40) Bücher, die Übersetzung der westlichen Literatur, Zeitungen, programmatisches Schrifttum wie auch Munition stellten wichtige Elemente des Ideen- und des damit eng verbundenen Warentransfers in der „triangulated Russian, Ottoman, and Iranian region“ (S. 47) dar.
Die Monographie Berberians ist allen Interessenten zu empfehlen, die sich mit der Verflechtungsgeschichte Russlands, des Osmanischen Reiches und Persiens befassen. Es ist ein gut recherchiertes, quellenbasiertes, stringent strukturiertes wie auch spannend geschriebenes Buch, das eine neue Dimension des trilateralen Dialogs im russisch-türkisch-persischen Kulturraum zugänglich macht. Berberian arbeitete mit dem Fundus der Parteiarchive der AFD (der Partei der Daschnaken), mit zahlreichen Privatkollektionen armenischer Sozialdemokraten sowie mit zeitgenössischen Publikationen in den armenischsprachigen Zeitungen von Tiflis, Genf, Baku, Tabriz, Istanbul und einer Reihe weiterer Städte. Leider nicht beleuchtet wurden die Beiträge der armenischen Aktivisten zu den Debatten in den osmanischen, russischen wie auch persischen Medien zu Beginn des 20. Jahrhunderts, obwohl diese ebenfalls von großer Bedeutung sind. Berberian weist darauf hin, dass viele armenische Intellektuelle die Reformen und das Phänomen des Konstitutionalismus unterstützten und dazu in den armenischen Zeitungen aufriefen. Umso spannender wäre der Blick auf die russisch-, osmanisch- und persischsprachigen Publikationen, um möglichst viele Dimensionen des möglichen armenischen Ideentransfers in die drei Gesellschaften aufzugreifen. Nichtsdestotrotz ist die Monographie ein gelungener Wurf und äußerst empfehlenswert.