S. v. Reden (Hrsg.): Handbook of Ancient Afro-Eurasian Economies

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Title
Handbook of Ancient Afro-Eurasian Economies.


Editor(s)
von Reden, Sitta
Published
Berlin 2020: de Gruyter
Extent
758 S.
Price
€ 159,95
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Sven-Philipp Brandt, Sondersammlung, Universitätsbibliothek Erfurt

Bei diesem Handbuch handelt es sich um die erste größere Publikation, die aus dem interdisziplinären Projekt „Beyond the Silk Road: Economic Development, Frontier-Zones and Inter-Imperiality in the Afro-Eurasian World Region, 300 BCE to 300 CE“ an der Universität Freiburg hervorgegangen ist, das vom European Research Council seit 2017 gefördert wird. Umso bemerkenswerter ist diese frühzeitige und sehr umfangreiche Publikation, die auf immerhin 758 Seiten 22 Artikel aus dem Umfeld des Projekts vereint und bereits zur Hälfte der Projektlaufzeit erschienen ist. Das Handbuch ist der erste Teil einer dreibändigen Reihe, die sich den vormals als Seidenstraße bezeichneten Regionen zwischen dem römischen Reich und der chinesischen Qin- bzw. später Han-Dynastie widmet und dazu die Besonderheiten der jeweiligen Ökonomien der angrenzenden Reiche sowie den interimperialen Austausch in den Blick nimmt. Hierbei wird durch eine interdisziplinäre Herangehensweise versucht, die wirtschaftliche Entwicklung der Imperien weniger aus einer eurozentristischen, als vielmehr aus einer globaleren Perspektive zu betrachten. Die Beiträge versuchen dieses Ansinnen unter anderem dadurch zu unterstützen, dass sie meist den Begriff Afro-Eurasian World Region verwenden und den problematischen Begriff Silk Road vermeiden.

Dieser erste Band beschäftigt sich mit den Grundlagen, die in der ersten Projektphase gemeinsam erarbeitet wurden und die Basis der weiteren Bände der Reihe darstellen. Hierzu werden von jedem Teilprojekt Beiträge zu den Abschnitten „Empires“ (S. 15–304), „Evidence“ (S. 305–573) und „Historiographies“ (S. 575–727) geliefert, wobei sich die unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Teilprojekte bereits in den Varianzen der Zwischenüberschriften widerspiegeln. Es ist daher besonders hilfreich, dass vor jedem Abschnitt Einleitungen in die folgenden Kapitel einführen, da diese auf den ersten Blick nicht immer kohärent erscheinen. Auf diese Weise erhalten sie jedoch einen Rahmen und erleichtern dem Leser den gedanklichen Zugriff.

Im ersten Abschnitt werden die einzelnen Imperien des Projekts eingeführt, die im Betrachtungszeitraum eine Rolle spielen. Hierbei umklammern die Darstellung der hellenistischen Reiche (S. 15–52) und des römischen Imperiums (S. 241–304) die zahlreichen Imperien der Afro-Eurasian World Region, wo neben den chinesischen Qin und Han Dynastien (S. 129–193) auch das Xiongnu (S. 195–203) und das Arsakiden-Reich (S. 205–239) sowie weitere zentralasiatische und frühe südasiatische Herrschaftsbereiche (S. 53–93 bzw. 95–127) vorgestellt werden. Da nur die wenigsten Rezipienten sich in allen Regionen des Sammelbands entsprechend auskennen dürften, ist dieser erste Abschnitt sehr hilfreich, da die einzelnen Regionen mit dem Fokus auf die wirtschaftlichen Umstände zwar ausführlich vorgestellt, aber nicht unnötig detailliert eingeführt werden. So lassen sich zügig etwaige Wissenslücken schließen, die für die Arbeit mit diesem Handbuch sowie den zu erwartenden Folgebänden sonst hinderlich wären.

Im zweiten Abschnitt wird anschließend die Quellenlage für jede behandelte Region separat analysiert, wobei die hellenistische und die römische Quellenlage als eigener Raum zusammengefasst und entsprechend vorgestellt wird (S. 311–379). Es ließe sich hier zwar fragen, ob nicht eine differenzierte Betrachtung dieser auch hinsichtlich der Quellenüberlieferung sehr unterschiedlichen Imperien hilfreich sein könnte. Doch zeigt die Schwerpunktsetzung in den einzelnen Unterkapiteln, dass unter der Federführung von Eli J. S. Weaverdyck vor allem die materiellen Quellen im Vordergrund stehen, während die literarischen eine deutlich untergeordnete Rolle spielen. So werden im Kapitel „Transmitted Texts“ (S. 343–356) auf gerade einmal elf Textseiten unter Kapiteln wie „Agricultural Manuals“, „Legal Sources“, „Forensic Oratory“, usw. entsprechende Werke sehr grob eingeordnet. Demgegenüber behandelt das deutlich umfangreichere Kapitel „Material Evidences“ (S. 311–342) sehr ausführlich die Möglichkeiten der Archäologie, die in diesem Projekt genutzt werden sollen. Weaverdyck gibt hier eine grundlegende Einführung in die einzelnen Bereiche und die Einsatzmöglichkeiten der Methoden in diesem Teilprojekt. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Bedeutung von Keramik, sondern führt auch in die landschaftsarchäologischen Methoden, insbesondere GIS, und die digitale Datenverarbeitung ein. Auch weitere Analyseverfahren wie zoo- und archäobotanischer Erhebungen werden ausführlich vorgestellt und deren Nutzbarkeit für das Teilprojekt dargelegt. Auch wenn durch den einführenden Charakter des Kapitels noch keine konkreten Ergebnisse beschrieben werden, ist diese Ausrichtung sehr vielversprechend, da gerade diese neueren Methoden im Hinblick auf die antike Wirtschaft stets einen deutlichen Mehrwert bringen.1 Weaverdyck schafft es zudem, die Methoden so vorzustellen, dass auch für Laien der Nutzen nachvollziehbar ist.

Diese in wirtschaftshistorischen Kontexten leider häufig noch vernachlässigten Methoden stehen jedoch nur in diesem Teilprojekt im Vordergrund. Die übrigen Teilprojekte fokussieren sich in erheblich größerem Maße auf die schriftlichen Quellen, die im Gegensatz zum griechisch-römischen Bereich zumeist noch systematisch erschlossen werden müssen. Einzig das chinesische Teilprojekt zur Qin- und Han-Dynastie kann mit einer ähnlich guten Quellenlage wie das griechisch-römische Teilprojekt aufwarten, doch konzentriert sich dieses primär auf schriftliche Quellen und den Quellenwert der Laqueurware. Wünschenswert wäre allerdings auch für dieses Teilprojekt eine Einbeziehung umweltarchäologischer Methoden als Gegenstück zum griechisch-römischen Bereich.2

Der dritte Abschnitt befasst sich mit der Rezeption der antiken Ökonomien der Afro-Eurasian World Region, wobei verschiedene regionale Perspektiven der Gegenwart mit einbezogen werden, die jeweils mit einem sehr hilfreichen forschungsgeschichtlichen Überblick verknüpft sind. Auf diese Weise werden die verschiedenen Perspektiven und Forschungstraditionen der jeweiligen Regionen dargelegt und der Interdisziplinarität tatsächlich Rechnung getragen. Denn während die – teils sehr unterschiedliche – Herangehensweise an die Quellenlage im zweiten Abschnitt noch einige Fragen aufwirft, wird an dieser Stelle das Potenzial der Vernetzung der einzelnen Teilbereiche deutlich. So wird das Bestreben der Herausgeberin, den regional sehr differenten Forschungsperspektiven einen Raum zu geben, besonders in diesem Abschnitt gewährleistet.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Sammelband als erster Teil der Projektreihe eine fundierte Einführung in die verschiedenen Projektgrundlagen liefert. Nachdem sich in den letzten beiden Jahrzehnten in der antiken Wirtschaftsgeschichte mit Hilfe der Neuen Institutionenökonomik die Tendenz herauskristallisiert hat, dieses Instrumentarium für immer detailliertere Betrachtungen von lokalen Wirtschaftszusammenhängen anzuwenden, geht dieser Sammelband mit dem Konzept der Interimperialität und der Rahmentheorie einen entgegengesetzten Weg, auch wenn letztere zumindest in diesem Band noch nicht zielführend angewendet wird.3 Die ausführliche Auseinandersetzung mit den Grundlagen in einem separaten Band ist vor allem deshalb begrüßenswert, da es vorherigen Studien zu der Thematik teils an grundlegender Quellenreflexion und konzeptueller Tiefe gefehlt hat.4 Dieses Manko konnte mit diesem ersten der drei Handbücher bereits behoben werden, wozu insbesondere der dritte Abschnitt mit der Einbeziehung der aktuellen Relevanz des Themas (Belt and Road Initiative - BRI) beiträgt. Für den begeisterten Leser detaillierter wirtschaftlicher Fallstudien ist dieser Band sicher nichts, da hier konsequent die Grundlagen und Kontextualisierung für die folgenden Bände geliefert wird. Besonders der dritte Abschnitt bietet aber bereits hier schon eine gut lesbare Kontextualisierung der 'Seidenstraße' mit neuen Perspektiven.

Anmerkungen:
1 Dies zeigt sich an einigen archäologischen Dissertationen, die in den letzten zwei Dekaden mit diesen Methoden wichtige Erkenntnisse herausarbeiten konnten, vgl. für Sizilien Mario Rempe, Antike Siedlungstopographie und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen. Ausgewählte Beispiele aus Sizilien, Göttinger Studien zur Mediterranen Archäologie 12, Rahden 2021; für das klassische Athen Kim van Liefferinge, Technological change in the Laurion silver mining area during the fifth and fourth centuries BC. An archaeological contribution to the study of the Athenian economy, Gent 2014; sowie für das italienische Festland Ester van Joolen, Archaeological Land Evaluation. A Reconstruction of the Suitability of ancient Landscapes for various Land Uses in Italy focused on the first Millennium BC, Groningen 2003.
2 Vgl. zu den archäobotanischen Untersuchungen in verschiedenen Teilen Chinas Yu Chen / Jian Ni / Ulrike Herzschuh, Quantifying modern biomes based on surface pollen data in China, in: Global and Planetary Change 74 (2010), S. 114–131.
3 Vgl. zur Anwendung der Rahmenanalyse gerade auch im Hinblick auf die antike Wirtschaftsgeschichte Sven Günther (Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden 2012.
4 Ausgehend von Walter Scheidel (Hrsg.), Rome and China: Comparative perspectives on ancient world empires, Oxford 2009, die aber trotzdem eine wichtige Vorarbeit für dieses Projekt geliefert haben.

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28.05.2021
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