In dem vorliegenden Sammelband formulieren die beiden Herausgeberinnen ein anspruchsvolles und innovatives wissenschaftliches Konzept. „Globalgeschichte richtet ihr Interesse auf die gesamte Welt. Ihre bevorzugten methodischen Herangehensweisen sind das Herausarbeiten von Interaktionen zwischen den verschiedenen Weltregionen, von langfristigen Entwicklungsverläufen in ihrer globalen Vernetzung und der interregionale Vergleich.“ (S. 3) In diesem Satz kommt allerdings nicht nur ein hermeneutisches, sondern auch ein heuristisches Konzept zum Ausdruck. Dezidiert wird eine angebliche Eurozentriertheit der Geschichtswissenschaft moniert. Die Beiträge des Sammelbandes sollen als Anregung für vertiefte Forschungen auf der Basis neuer Fragestellungen gelesen werden.
In diesem Sinne wird der Anspruch formuliert: Es soll „die gängige Version der Erzählung vom europäischen Erfolg“ hinterfragt werden. Die vorliegenden Beiträge sind einem ambitionierten Programm verpflichtet: Staatensysteme, Großmächterivalitäten und Revolutionen, Wirtschaft, Welthandel und Kolonialismus, Migration, Technologietransfer, Reisen, Kommunikation und Sinngebung im interkulturellen Vergleich und Interaktionen und Einflüsse sollen zwischen den verschiedenen Weltregionen untersucht werden.
Im ersten Beitrag thematisiert Dietmar Rothermund „Seehandel und Kolonialherrschaft“. Charakterisiert werden die verschiedenen interkontinentalen Handelssysteme des 18. Jahrhunderts: zunächst der Handel mit den in Plantagen produzierten Waren Amerikas, die auf der Sklavenarbeit basierten. Der Asienhandel beinhaltete vor allem Gewürze, Kaffee und Tee. Im 18. Jahrhundert erlangte der Handel mit indischen Baumwolltextilien eine große Bedeutung und wurde zu einem Motor der industriellen Entwicklung.
Hans-Heinrich Nolte beschäftigt sich mit dem politischen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts. Zunächst werden ganz knapp die wichtigsten politischen Akteure vorgestellt, bevor die verschiedenen Kriege des 18. Jahrhunderts in den Blick geraten. Der wenig überraschende Schluss lautet, dass das politische System im 18. Jahrhundert säkularer wurde und die parlamentarischen politischen Systeme in England und Niederlande den absolutistischen Staaten im politischen Mächteringen strukturell überlegen waren.
Norbert Ortmayr widmet sich der Verbreitung von Kulturpflanzen im 18. Jahrhundert. Mit der Entdeckung Amerikas wurde die frühe Neuzeit zu einer Epoche des Transfers von Kulturpflanzen. Dabei bildete die Mitte des 18. Jahrhunderts eine deutliche Zäsur. Der unsystematische Transfer von Kulturpflanzen wurde durch einen systematischen, nun oftmals staatlich geförderten Austausch abgelöst. Der botanische Garten bzw. ein Netz solcher Institutionen wurde das Zentrum eines entsprechenden Kulturtransfersystems. Durch die wandernden Kulturpflanzen konnte die Effizienz der Landwirtschaft gesteigert werden, eine der Grundlagen des demographischen Wachstums in der Zeit.
Die Industrielle Revolution wird von Andrea Komlosy in globalhistorischer Perspektive in den Blick genommen. Sie konstatiert das Fehlen einer Globalgeschichte der Industriellen Revolution, unter der die Mechanisierung und fabrikmäßige Zentralisierung der gewerblichen Produktion zunächst in England gesehen wird. Gefragt wird nach dem Anteil der außereuropäischen Welt an der Industriellen Revolution. Etwas störend ist der moralisierende Gestus des Artikels. „Eine globalhistorische Strategie, den eurozentrischen Universalismus in Frage zu stellen, bietet der Perspektivenwechsel. Diesem sind freilich nicht nur durch mangelnde Sprachkenntnisse und begrenztes Einfühlungsvermögen in fremde Kulturen Grenzen gesetzt.“ Hier mag der kritische Leser einwenden, daß Einfühlungsvermögen eine wenig überprüfbare und letztlich unwissenschaftliche Kategorie darstellt.
Matthias Middell behandelt die Französische Revolution. Sprachlich elegant werden zunächst die marxistische und dann die bürgerliche Interpretation der Französischen Revolution vorgestellt, um dann die These von Bailey Stone zu diskutieren, dass die Französische Revolution ursächlich aus den Überanstrengungen Frankreichs im globalen Wettlauf mit England resultierte. In gewisser Weise kann in einer solchen Perspektive auf die Kriege Ludwigs XIV. hingewiesen werden, mit der die Schuldengeschichte des Ancien Régime begann. Von Frankreich aus verbreitete sich eine Vielzahl von Revolutionen, die am Anfang einer Vielgestaltigkeit verschiedener Modernen standen.
Reinhard Schulze referiert über die „Weltbilder der Aufklärung“. Die Frage, ob die Aufklärung eine genuin europäische Angelegenheit gewesen sei, oder wir von Aufklärung auch in anderen kulturellen Zusammenhängen sprechen können, stellt letztendlich die Frage, die schon Kant in „Was ist Aufklärung“ zu beantworten versucht hatte: Ist Aufklärung eine bestimmte Art zu denken oder ist es ein Zustand. Aber auch Reinhard Schulze beantwortet die Frage nicht, ob der Islam eine Aufklärung gehabt habe. (S. 177)
Globale Migrationssysteme werden von Annemarie Steidl behandelt. Der dabei verwendete Migrationsbegriff ist ubiquitär. (S. 182) Gemeint ist damit letztendlich jede Form von Ortsveränderung. Hier scheint ein ähnliches Problem wie im vorherigen Artikel auf: Wie weit kann ein Begriff enthistorisiert werden, ohne dass er jede Prägnanz und Aussagekraft verliert. Die verschiedensten Formen von Migrationen werden im folgenden kurz vorgestellt: Sklavenhandel, Deportation von Kriminellen und freiwillige Migrationen.
Robert Hoffmann gibt einen Überblick über die christliche Mission im 18. Jahrhundert. Er beginnt mit den Jesuiten in Amerika, behandelt die katholischen Missionen in Indien und China sowie die protestantischen Mission im 18. Jahrhundert. Der Zusammenbruch der Jesuitenmission in China wird mit dem Ritenstreit erklärt. Ein wichtiger Punkt, der nicht erwähnt wird, bestand darin, dass die Gelehrten in China seit dem späten 17. Jahrhundert Europa kritischer sahen. Zur Akkomodationsstrategie Riccis gehörte nicht nur eine Idealisierung des Konfuzianismus im römisch-katholischen Sinne, sondern auch eine Idealisierung Europas gegenüber seinen chinesischen Gesprächspartnern bzw. in seinen chinesischen Publikationen. Die Akkomodationsstrategie Riccis, die oftmals sehr positiv gedeutet wird, beruhte nämlich auf einer großen Lüge. Er berichtete von einem utopischen Europa ohne Kriege und Religionsspaltung. Als dann seit dem späten 17. Jahrhundert auch in China das Wissen um Europa wuchs, wurde relativ schnell klar, dass Europa für China nur sehr bedingt Vorbild sein konnte.
Vertieft wird dieses Thema von Monica Juneja mit einem Aufsatz über die Herrnhuter Mission in Trankebar. Gefragt wird nach den kulturellen Deutungsmustern der Begegnung zwischen den europäischen Missionaren und der einheimischen Bevölkerung. Unterschwellig wird der Kulturkontakt moralisch gedeutet. „Ein solcher Austausch mit einer fremden Kultur setzte einen gewissen Respekt vor dem Untersuchungsgegenstand voraus, der oft den ethnozentrischen Rahmen übersprang.“ (S. 229f.) Der Hauptsatz ist problematisch. Als Beispiel sei auf Diego de Landa hingewiesen, oder um es etwas salopp zu formulieren, man muss seine Feinde kennen, um sie effektiv bekämpfen zu können. Die Aussagen über Batholomäus Ziegenbalg sind ebenfalls zu hinterfragen: „Auch wenn er die indischen Heiden für ihren Götzendienst verurteilt .... gesteht ihnen seine Darstellung an vielen Stellen doch die Fähigkeit zu elementaren Vernunfturteilen zu. Um mit dieser Ambivalenz umzugehen, verwendet Ziegenbalg das Mittel des Vergleichs.“ (S. 231) Hier eine Ambivalenz zu sehen, verkennt die Tatsache, daß für einen Christen wie Zinzendorf der Glaube die höchste Form von Vernunft darstellt. Denn Vernunft ist in einer theologischen Perspektive dem Menschen von Natur gegeben, und so kann auch der Nichtchrist im bürgerlichen Bereich vernünftig handeln, ja der Mensch kann sogar ohne Offenbarung zu Wissen über Gott von Natur aus gelangen. In der christlichen Tradition hat es immer wieder vernünftige Heiden gegeben, z.B. Sokrates, Cicero oder Aristoteles. „Wechseln wir nun die Perspektive, um die deutsch-indischen Kulturbeziehung aus der Sicht der tamilischen Hindus zu betrachten.“ (S. 232) Die Quellen dafür bilden die Berichte der Missionare. Auch wenn darin Meinungen der Inder wiedergegeben werden, so stellt sich hier ein dringendes quellenkritisches Problem. Nicht nur wurden die Texte der Hindus übersetzt, sondern auch noch von Francke vor ihrer Publikation einer redaktionellen Überarbeitung unterzogen.
Michael Mitterauer behandelt den „Buchdruck im Kulturvergleich“. Gerade die Druckgeschichte zeigt eindrücklich, dass die innovative Technik zuerst einmal nur da ist, sie muss auch genutzt werden, um wirken zu können. In Korea ist der Buchdruck mit beweglichen Metalllettern ungefähr 40 Jahre vor Gutenberg erfunden worden. Interessanterweise blieb er aber ein rudimentäres Phänomen und spielte für die historische Entwicklung im Gegensatz zu Europa kaum eine Rolle. Es gab keinen Bedarf für die Nutzung des Buchdruckes. Die unterschiedliche Nutzung des Buchdrucks wird vom Autor wesentlich mit der Religionsverfassung in den verschiedenen Weltregionen beantwortet.
Der Sammelband bietet konzise Darstellungen, die die verschiedenen Beziehungsgefüge in einer historisierten Welt deutlich machen. Von hier aus werden sich sicherlich weiterführende und zukunftsweisende Fragestellungen ergeben. Insofern bietet dieses Buch Basiswissen für die Formulierung eines Konzepts von Globalgeschichte.