Das einflussreichste Produkt der „post-kritischen“ Gesellschaftskritik endet so: There is an ancient legend that might serve to illuminate the future life of communist militancy: that of Saint Francis of Assisi.[…] Francis in opposition of nascent capitalism refused every instrumental discipline, and in opposition to the mortification of the flesh (in poverty and in the constituted order) he posed a joyous life, including all of being and nature, the animals, sister moon, brother sun, the birds of the field, the poor and exploited humans, together against the will of power and corruption.[…]This is the irresistible lightness and joy of being communist.”
Die Rede ist von Hardt/ Negris Empire und damit vom bislang neuesten Versuch, der revolutionären Energie „aller Länder“ einen zeitgemäßen Begriff von sich selbst zu geben. Das Ergebnis ist gewiss erläuterungsbedürftig; nicht wenige freilich halten dies für vergebliche Liebesmüh – weil, wenn statt Hirnen Herzen sprechen, dem Denken zu tun nichts übrig bleibt.
Die (knapp zwanzig) Autoren des vorliegenden Bandes, darunter auch Hardt und Negri selbst, sind da anderer Ansicht. Sie verwenden viel Scharfsinn darauf, das Empire dem drohenden Obskurantismus zu entreißen. (Begrifflicher) Nebel scheint, denkt man an den heiligen Franziskus und sein "leichtes Sein", vor allem zwei Elemente einzuhüllen: Akteure und Aktionen. Wer sind die gesuchten Akteure, was die gesuchten Aktionen?
Antonio Negri gibt darauf selbst die Antworten, ansatzweise jedenfalls und in Anlehnung an Spinozas "Lebenswissenschaft". Der Akteur ist weder das starke Subjekt (der gegenwärtige Fetisch) noch die mächtige Masse (das blamierte Ideal), sondern: eine mächtige Masse starker Subjekte, Multitude genannt. Minus mal Minus ist Plus – fehlende Stärke mal mangelnde Masse ergibt „irgendwie“ eine große Gemeinschaft (Commune) großartiger Menschen (Singularitäten).
Das Geheimnis dieses communalen Akteurs liegt im Geheimnis der Aktion, des General Intellect in Bewegung. Das Konzept bezeichnet den immateriellen Materialismus unserer gegenwärtigen Produktionsweise: un-körperliche Arbeit in Gestalt von Informationsver- und Personenbearbeitung, von Symbol- und Serviceproduktion, von Technologien der Kommunikation und Affektion oder von „Programmierern und Krankenschwestern“ (Michael Hardt).
Dieser General Intellect (eine Kategorie aus den Marxschen „Grundrissen“, dort allerdings noch rein technisch bestimmt) ist das Bindemittel der „Menge“, er produziert ihr Leben im Innern und die Abschließung nach außen, ein transzendentales Eigenes, das seine Subjekte, ohne sie auszulöschen, penetriert, dabei integriert und zugleich vom Anderen, der feindlichen Sphäre des globalen Kapitals, nachhaltig separiert – ganz so als ob Franz von Assisi mit seinen Vögeln sprechen und auf Katzen schießen würde.
Natürlich ist das Problem ein ernsthaftes. Man muss sich schon fragen: Wie soll sich unter den Bedingungen des „kognitiven Kapitalismus“ (Antonella Corsani) globalen Zuschnitts ein revolutionäres – oder wenigstens „eigensinniges“ – Subjekt konstituieren? Nur: Die Antworten fallen vergleichsweise und auch verständlich sehr vage aus. Assisi ist eine hübsche Metapher, die englischen „Diggers“ (Francois Matheron) ein historisches Experiment des 17. Jahrhunderts, das, selbst wenn es funktioniert hätte, kaum als Richtschnur dienen könnte, weil diese Multitude „exterritoriale“ Traditionen zu mobilisieren wusste (Gewohnheitsrecht), während sich die heutige auf feindlichem Territorium selbst erschaffen müsste. Ob da Intellektualismus (Jost Müller) oder auch Feminismus (Cornelia Eichhorn, Judith Revel) wesentlich weiterhelfen, bleibt offen. Auch nach der Lektüre.