Der Indische Ozean als afro-asiatisches Mittelmeer ist in jüngster Zeit ein attraktiver Forschungsgegenstand geworden. Sugata Bose, der an der Harvard University Geschichte lehrt, hat sich nun auf seine Weise mit dem Indischen Ozean beschäftigt. Die postmoderne Skepsis gegenüber linearen Meistererzählungen und das wachsende Interesse an der Handlungskompetenz der Menschen (human agency) hat ihn dazu bewogen, sich auf einige Aspekte der Geschichte des großen Ozeans zu beschränken, dafür aber jeden dieser Aspekte mit handelnden Personen zu "besetzen", die von ihm zum Leben erweckt werden. Eine dieser Sondierungen (3. Kapitel) ist der Migration von Unternehmern, Arbeitern und Waren gewidmet. Der Verfasser behandelt die Verbindungen Indiens zur Golfregion mit ihren Perlentauchern und Ölquellen, dann untersucht er den indischen Handel mit den Gewürznelken Sansibar und schließlich den Reisanbau in Birma und Kautschukanbau in Malaya, bei dem wiederum indische Händler und Arbeitskräfte eine wichtige Rolle spielten. Dieses Kapitel basiert zum großen Teil auf eigenen Archivforschungen. Auch für das nächste Kapitel hat Bose neue Quellen erschlossen: die "Feldpostbriefe" indischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, die von den Zensoren abgefangen und aufbewahrt wurden. Sie bieten einen Einstieg für die Schilderung des Einsatzes von Millionen indischer Soldaten in den beiden Weltkriegen. Zu den Soldaten des ersten Weltkriegs gehörte auch der berühmte bengalische Dichter Nazrul Islam, der später zum Nationaldichter Bangladeshs wurde. Eine weitere Gruppe, die über den Indischen Ozean reiste, waren die Mekka-Pilger, denen Bose ein sehr interessantes Kapitel widmet, in dem er wiederum auf individuelle Erlebnisberichte zurückgreift.
Weniger spezifisch zum Indischen Ozean gehörend sind die Kapitel, in denen Bose Mahatma Gandhi, Subhas Chandra Bose und schließlich den großen bengalischen Dichter Rabindranath Tagore behandelt. Die meisten Reisen Tagores reichten weit über den Indischen Ozean hinaus, doch Bose hat hier besonders die sonst weniger beachteten Besuche Tagores im Iran und Iraq behandelt. Im Unterschied zu den oben bezeichneten Sondierungen verschiedener Aspekte des Indischen Ozeans mögen dem Leser die letztgenannten Kapitel ein wenig "aufgesetzt" erscheinen. Als Beitrag zu einer neuen Art der Historiographie des Indischen Ozeans ist das Buch jedoch sehr zu begrüßen.