B. A. Engel u.a. (Hrsg.): Russia in World History

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Title
Russia in World History.


Editor(s)
Alpern Engel, Barbara; Martin, Janet
Series
New Oxford World History
Published
Extent
176 S.
Price
€ 15,00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Martina Winkler, Universität Bremen

Das von zwei ausgewiesenen Kennerinnen der russischen Geschichte verfasste Werk ist als neuer Band der weltgeschichtlichen Reihe von Oxford University Press erschienen. Im Vorwort der Herausgeber wird der Anspruch formuliert, eine neue Form und innovative Darstellungsform der Weltgeschichte zu präsentieren. Es ginge nun nicht mehr um die Erfolge „großer“ Nationen und die Exotisierung „der anderen“, sondern um eine vollständige Darstellung aller Regionen. Schließlich wird gegen eine top-down-Perspektive argumentiert und ein Blick auf Alltag und Erfahrungen reklamiert. Die Reihe, so die Herausgeber, verbinde das Globale mit dem Lokalen.

Es ist ausgesprochen fraglich, ob der hier vorliegende Band diese Anforderungen einer neuen Weltgeschichte erfüllt und, mehr noch, ob er sie erfüllen kann. Das Buch, das auf 150 Seiten einen Parforceritt von den Varägern bis zu Vladimir Putin bietet, ist fraglos hervorragend geeignet als erste Einführung für Studierende oder auch für den berühmten „interessierten Laien“. Flott geschrieben, gespickt mit bekannten Namen und Ereignissen (Dostojevskij, Peters Reise nach Europa) und nur ab und zu beschwert mit sparsamen Hinweisen auf aktuellen Forschungsdebatten, holt diese Geschichte Russlands den Leser ab und nimmt ihn an die Hand. Dennoch – oder wohl gerade deshalb – lässt es den im Vorwort angekündigten neuen, innovativen Charakter vermissen. Zwar kann man das Narrativ nicht unbedingt durchgehend als traditionell bezeichnen: Erkenntnisse der russländischen Imperialgeschichte werden immer wieder eingewoben, die Akteure sind keineswegs alle männlich, erwachsen und weiß, und sicherlich kann man dem Buch keinen Primat der Politik vorwerfen. Wäre das Werk als kurze, verständliche Einführung auf dem aktuellen Stand der Forschung angekündigt, gäbe es wohl nur wenig zu kritisieren. Aber – nochmals – der welt- oder globalhistorische Anspruch irritiert.

Das beginnt mit der Definition des Themas bzw. der Untersuchungsregion: „Russland“ gibt, anders als einige andere Themen der Reihe („Atlantic World“, „The Silk Road“) einen traditionellen Rahmen für National- oder neuerdings dann Imperialgeschichte ab. Und so bleibt es hier auch. Zwar werden verschiedene ethnische Gruppen einbezogen, zwar spielen Peters außenpolitische Ambitionen eine wichtige Rolle, zwar ist der Kalte Krieg ein großes Thema. Dennoch bleibt „Russland“ der unhinterfragte Untersuchungsrahmen, was für die geografische, die strukturelle und auch die zeitliche Ebene gilt. Bereits im Vorwort zählen die Autorinnen verschiedene Epochen und Regionen ihres Interesses auf (den Norden der Kiever Rus, das Moskauer Reich, das Russländische Imperium, die Sowjetunion und die Russische Föderation) und stellen eindeutig fest: „each of these states belongs to the history of Russia.“ Eine tatsächlich globalhistorisch ambitionierte Arbeit sollte eine solche Feststellung zumindest erklären, besser noch problematisieren und sich nicht kurzerhand auf den nationalen Rahmen zurückziehen. Möglicherweise aber ist diese Kritik an den Autorinnen unfair: eine globalhistorisch reflektierte, auf Komplexität und Problematisierung ausgerichtete Analyse, die eintausend Jahre und ein riesiges Gebiet auf 150 Seiten behandelt, dürfte schlichtweg nicht machbar sein.

Problematisch erscheint auch der Anspruch, keine Darstellung von „großen“ Nationen einerseits und „geschichtslosen“ oder „rückständigen“ Völkern andererseits zu bieten. Das hier vorgelegte Narrativ arbeitet ausgesprochen intensiv mit Vorstellungen von Erfolgen, Errungenschaften und dem Fortschreiten in der Geschichte. Weltgeschichte, so sie denn auftaucht, ist ein vom Westen dominierter Wettlauf. Für das Mittelalter wird der Einfluss des Mongolischen Reiches bedauerlicherweise nur kurz angedeutet. Nicht selten rückt die Darstellung sehr nah an die traditionelle Erzählung von großen Männern heran. So wird die petrinische Zeit in erster Linie als Resultat der Persönlichkeit des Kaisers und seiner individuellen Aktivitäten beschrieben. Der Begriff der Aufklärung kommt nicht vor, eine Analyse der Zeit und ihrer Denkmuster fehlt. Auch dies dürfte den Grundregeln der Reihe (kurz, lesbar, populär) geschuldet sein, sind doch die beiden Autorinnen aus ihren zahlreichen anderen Werken keineswegs als analysescheu bekannt.

Letztlich liegt hier also in bester textbook-Tradition ein durchaus sehr gut für die Lehre einsetzbares Buch vor. Eine Rezension im Rahmen von geschichte.transnational muss aber doch den wie Etikettenschwindel anmutenden Widerspruch zwischen dem auf Innovation gerichteten Label und dem soliden, aber eben traditionellen Inhalt monieren. Weltgeschichte kann viel mehr, man muss ihr aber auch entsprechend Raum geben.

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Published on
01.07.2016
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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