G. Jones: Multinationals and Global Capitalism

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Title
Multinationals and Global Capitalism from the Nineteenth to the Twenty-First Century.


Author(s)
Jones, Geoffrey
Published
Extent
340 S.
Price
$ 44.50
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Maria Hidvegi, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), Universität Leipzig

Das Buch ist eine gründlich überarbeitete Version von Jones’ „The Evolution of International Business“ von 1996, das auf die weltwirtschaftlichen Wandlungen der letzten zehn Jahre reagiert und die neuesten Forschungsergebnisse berücksichtigt. Das Hauptziel des Autors besteht, wie er im Vorwort vermerkt, in „making the latest research in business history and international business available to non-specialists, and students taking a range of courses in business, management, economics and the social sciences more generally”. Folgende Faktoren sprechen dafür, dass er sein Vorhaben hat erreichen können.

Erstens: Es zählt zu den überzeugend belegten Grundannahmen von Jones, dass multinationale Unternehmen („multinational enterprises“, hier als MNE abgekürzt) wegen ihrer grenzüberschreitenden Investitionen, ihres Handels sowie des Wissenstransfers schon vor 1914 die wichtigsten Motoren weltweiter Verflechtungen waren und dies noch immer sind. Die historische Entwicklung der MNE nachzuzeichnen kann demnach helfen, Arten und Dynamiken der Globalisierung, mithin die Grundlagen der heutigen Welt zu verstehen. In fünf thematischen Blöcken geht Jones der Frage nach, wie die organisatorische Struktur, die Art und Weise grenzüberschreitender Tätigkeit der multinationalen Unternehmen den wandelnden politischen und wirtschaftlichen Umständen angepasst wurden.

Zweitens: Jones behandelt die wichtigsten Forschungsthemen und die in öffentlichen Diskussionen über die MNE am häufigsten auftauchenden Themen. Beispielweise wird im Kapitel zehn „Engines of growth?“ der Einfluss dieser Unternehmen auf die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Stamm- und Gastländer (home and host economies) ausführlich untersucht. Dies tut er anhand von Fragen nach ihrer Wirkung auf das Nationaleinkommen, den Arbeitsmarkt, die Wirtschaftsstruktur oder ihrer Fähigkeit zur Wissensgenerierung und –transfer. Es geht mithin hier auch um Verantwortung der MNE für das wachsende Nord-Süd-Gefälle bzw. für die ungleiche Entwicklung innerhalb der einzelnen nationalen Wirtschaftseinheiten. Jones argumentiert überzeugend mit Beispielen aus Singapur und Malaysia, dass eine konsequente und fähige Regierungspolitik entscheidend sei, die MNE in eine Richtung zu lenken, die der jeweiligen nationalen Wirtschaft längerfristig Wachstumsimpulse geben kann. Er weist dabei aber auf Unterschiede in den Verhandlungspositionen der einzelnen Länder hinsichtlich der Rohstoffe und der Marktgröße. Noch dazu sei der Spielraum der einzelnen Regierungen immer mehr eingegrenzt: „the abilities of governments to forecast the future, and to plan, were constrained by the growing integration of capital and trade flows, and international markets. During the 1990s the series of major financial crises in Mexico, Asia, and Russia disrupted the flows of capital to all developing countries regardless of their specific policies and achievements”. (S. 278)

Drittens: Der Autor erleichtert dem Leser die Übersicht durch eine leserfreundliche, didaktisch wertvolle Gestaltung, durch das Behandeln vieler historischer wie auch aktueller Beispiele, durch zahlreiche Abbildungen und Tabellen, ein Glossar, eine Chronologie, eine Übersicht der 50 größten MNE von 2004 und ein sehr gutes Namens-, Ort- und Sachregister. Die reiche Bibliographie gibt zudem eine den Forschungsstand widerspiegelnde Auswahl von der weiterführenden Literatur.

Im ersten Teil werden unter dem Titel „Frameworks“ zunächst Grundbegriffe wie FDI, joint ventures, Kartelle etc. erklärt und Theorien über die Existenz multinationaler Unternehmen dargestellt, wobei er John Dunnings eklektisches Paradigma in der nachfolgenden Analyse bevorzugt nutzt. Dem folgt eine Periodisierung der modernen Globalisierung, eines keinesfalls linearen, sondern vielmehr wellenartigen Prozesses globaler Integration und Verflechtung. Die nach rapide verdichtenden globalen Verflechtungen im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts entstandene „erste Weltwirtschaft“ (First Global Economy 1880-1929) sei von 1914 an infolge des Weltkrieges, der Erschütterungen des internationalen Finanzsystems, Beschlagnahme ausländischer Firmenanteile, Handelsprotektionismus, Restriktionen des Personenverkehrs etc. zerstört worden. Die danach einsetzende Periode der Desintegration (1930-1980) beinhaltete eine schrittweise Restaurierung bzw. Neustrukturierung der globalen Verflechtungen von 1950 an. Mit der Einführung einer mehr marktorientierten chinesischen Wirtschaftspolitik im Jahre 1979 definiert Jones den Ausgangspunkt der zweiten, heutigen globalen Wirtschaft. In Teil zwei „Exploiting Opportunities“ wird die historische Entwicklung multinationaler Unternehmen unterschiedlicher Sektoren (Bodenschätze, Industrie, Dienstleistungen) nachgezeichnet. Die zu bewältigenden organisatorischen Aufgaben, die multinationale Unternehmenstätigkeit erforderte, waren und sind auch heute noch von bedeutender Größenordnung. Im dritten Teil „Building Organizations“ werden daher unterschiedliche Organisationstypen (Investitionen auf der grünen Wiese, Kartelle, Tochtergesellschaften, Hybride etc.) sowie Managementmodelle (Klane, Hierarchien, multinationale, transnationale und globale Unternehmen etc.) behandelt. Sie waren Antworten der MNE auf Managementprobleme in Sachen Effizienz, Harmonisierung der globalen Strategien mit lokalen Einbindungen und Wissensgenerierung bzw. -transfers. Dabei werden nebst historischen auch höchstaktuelle Probleme angesprochen, wie die Fusionen, oder generell auch der Einfluss des nationalen institutionellen Kontextes auf die Organisationsformen von MNE.

Im Hinblick auf immer wieder neu belebte öffentliche Diskussionen über die gesellschaftliche Verantwortung der MNE und die (Un)Fähigkeit nationaler Regierungen, deren Tätigkeit mit wirtschaftspolitischen und rechtlichen Mitteln zu beeinflussen, ist die im Teil vier „External Environment“ nachgezeichnete historische Entwicklung dieser Beziehung von MNE und der öffentlichen Hand sehr lehrreich. Regierungen von entwickelten Industrieländern und Entwicklungsländern, von kleinen und großen Staaten, von Herrschaftssystemen mit unterschiedlichen kulturellen sowie historischen Hintergründen verfolgen bei der Festlegung ihrer Politik gegenüber den MNE jeweils verschiedene Ziele. Das Ausmaß globaler Interdependenzen sowie des technologischen Wandels beeinflussen stark, ob Kontrolle und Restriktion oder Einbindung in der Regierungspolitik die Oberhand gewinnen. In wie weit die MNE auf diese Politik Einfluss ausüben konnten, ob sie die staatliche Souveränität untermauern, sind Leitfragen der Analyse. Ein kurzer Exkurs zur Regulierung auf multilateraler Ebene wie GATT oder WTO ergänzt die Beschreibung.

Im fünften Teil „Outcomes“ werden die Ergebnisse der Analyse anhand von folgenden Fragen zusammengeführt: welchen Einfluss hat das institutionelle Umfeld des Heimatlandes auf die Investitionstätigkeit der MNE, welchen Einfluss üben die MNE auf die Wettbewerbsfähigkeit der Nationen aus, welche Faktoren erklären die Entstehung von MNE in bestimmten Ländern und Ländertypen und wie nachhaltig wirken die MNE in Entwicklungsländern? Obgleich er in Bezug auf die letzte Frage an einigen Beispielen auch auf die Schattenseiten multinationaler Unternehmenstätigkeit verweist, kommt Jones am Ende seiner Analyse doch zu dem Schluss: „Whatever the possible negative consequences of mulitnationals, the consequences of not receiving multinational investment seem even bleaker.“ (p. 282) Da aber multinationale Unternehmenstätigkeit schon seit jeher in einigen wenigen Regionen und Städten konzentriert war und sich die hochwertigen Elemente der Produktion und der Dienstleistungen trotz der modernen Kommunikationsinfrastruktur weiterhin in einigen global cities bündeln, erscheinen die Perspektiven unterentwickelter Regionen wenig rosig, um sich als Stammländer von MNE zu entfalten oder MNE anzuziehen, die eine nachhaltige Entwicklung in Gang setzen zu können.

Historiker und Ökonomen haben mehrmals die Rolle der Wirtschaft in der Verdichtung globaler Verflechtungen, damit in der Schaffung der modernen Welt (‚the birth of the modern world’) hervorgehoben. Geoffrey Jones erklärt den „Motor Wirtschaft“, wie er angetrieben wird von multinationalen Unternehmen, ihrem Einfluss auf die internationalen Finanzsysteme, den grenzüberschreitenden Handel und die Wissenszirkulation. Ein Teil seiner Erkenntnisse mag dabei nicht besonders überraschend sein: „The recognition that multinationals are profoundly heterogeneous is one of the most important lessons from history“ und “There was no inherent and single logic behind the growth of multinationals beyond the capitalist search for profitable opportunities. (S. 289). Die Erklärung dieser unterschiedlichen Entwicklungspfade und die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Verflechtungen und die gegenseitige Abhängigkeit der Welt über zwei Jahrhunderte machen aber das Buch äußerst lesenswert für ein breites Publikum von Sozialwissenschaftlern.

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20.07.2007
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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