Für dieses thematische Heft fungiert Oliver Krause (Leipzig) als Gastherausgeber. Er möchte Autoren:innen gewinnen, die sich in globalhistorischer Perspektive mit der Etablierung, Manifestation und Beständigkeit geopolitischer Narrative und den damit verbundenen räumlichen Imaginationen auseinandersetzten. Details zur thematischen Ausrichtung des Special Issues können Sie der folgenden Beschreibung entnehmen. Die Einreichung der 25- bis 30-seitigen Artikel sollte bis zum 1. Oktober 2023 erfolgen. Artikel können sowohl in Deutsch als auch in Englisch verfasst werden.
Geopolitische Narrative beruhen auf räumlichen Imaginationen, die dystopische und utopische Raumordnungen projektieren, um politische Entscheidungen als geplant, notwendig oder gar als unausweichlich erscheinen zu lassen, die infolge der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Expertise eine legitimatorische Überzeugungskraft entwickeln. Die Wiederbelebung bereits in Vergessenheit geratener Narrative und der dazugehörigen räumlichen Imaginationen ist mit der Bedrohung und Destabilisierung existierender Raumordnungen verknüpft, die zur verstärkten Einsicht in die Kontingenz vorhandener Ordnung führt. Der Ukrainekrieg zeigte die Wirkmacht räumliche Imaginationen besonders deutlich auf. Bekannte räumliche Imaginationen, wie die Vorstellung eines Machtzentrums im eurasischen Heartland (Halford J. Mackinder), erwachten daraufhin zu neuem Leben und setzten eine Debatte um den globalen Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation in Gang, die geopolitische Argumentationsmuster des Ost-West-Konflikts aus der Epoche des „Kalten Kriegs“ wiederbelebte.
Das Special Issue fragt nach geopolitischen Narrativen und räumlichen Imaginationen, die von der Frühen Neuzeit bis ins 21. Jahrhundert prominent in Erscheinung traten, wenn es zu Brüchen in globalen Verflechtungsprozessen kam bzw. kommt. Wer setzt(e) die geopolitischen Narrative zu welchem Zweck ein? Kann im Umkehrschluss der Bezug auf bestimmte Narrative als Marker für Brüche in globalen Verflechtungsprozessen und die Infragestellung der existierenden Ordnung gelten, wie sich an Putins Bezug auf die Heartland-Theorie des britischen Geografen Halford J. Mackinder lange vor Russlands Angriff auf die Ukraine im Nachhinein aufzeigen ließe? Unterscheidet sich die Adaption geopolitischer Narrative und räumlicher Imaginationen durch verschiedene Akteure aufgrund jeweils unterschiedlicher nationalstaatlicher Interessen? Ziel des Special Issues ist es, geopolitischen Narrativen, aber auch konkreten räumlichen Imaginationen (wie „Mitteleuropa“) und abstrakteren Vorstellungen (wie der frontier) im globalen Kontext nachzuspüren, um aktuelle Denk- und Argumentationsmuster des geopolitischen Diskurses zu dekonstruieren.