1. Thematik
Das Zweite Mitteleuropa-Forum Budapest beschäftigt sich mit dem Einfluss historischer Erinnerungen auf aktuelle Politik in Mitteleuropa. Im Mittelpunkt steht dabei die Interpretation und Diskussion von Vergangenheit in Politik, Gesellschaft, Medien und Wissenschaft. Als Reaktion auf Integration und Globalisierung sind zunehmend Prozesse der nationalen Identitätssuche und Selbstvergewisserung zu beobachten. Sind diese Renationalisierungsprozesse als eine Rückkehr der Geschichte zu verstehen? Dient Vergangenheit als Steinbruch aus dem beliebig legitimierende Geschichtsbilder aufgebaut werden können?
Insbesondere in der Region Mitteleuropa ist das Thema Erinnerungspolitik aktuell. Als Gründe lassen sich anführen: a) Erfahrungen mit den Hegemonialmächten des ausgehenden 19. Jahrhunderts und den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, die die Wahrnehmung des ‚Anderen’ in der Außen- und Innenpolitik beeinflussen; b) nicht abgeschlossene Nationenbildungsprozesse, die mit dem Wiedergewinn voller staatlicher Souveränität zu Beginn der 1990er Jahre der Wiederanknüpfung bedurften (und bedürfen); und c) die Herausforderung der dreifachen Transformation (politisch – wirtschaftlich – gesellschaftlich), die eine Rückbesinnung und Anknüpfung an (vermeintlich funktionierende) Traditionen und Denkmuster nahe legt.
Folgende Fragen sollen unter multinationalen und interdisziplinären Gesichtspunkten diskutiert werden:
Wie beeinflusst Geschichte Politik? Genauer: Wie beeinflusst historische Erinnerung die Umsetzung und Formulierung mitteleuropäischer Politik?
Welche Bedeutung haben dabei
- die staatliche Geschichtspolitik,
- die gesellschaftliche Wahrnehmung der Vergangenheit,
- ihre Darstellung und Diskussion in den Medien sowie
- ihre wissenschaftliche Aufarbeitung?
Folgende Themenschwerpunkte lassen sich aus der Fragestellung ableiten:
- Geschichtspolitik: Modelle der Vergangenheitsaufarbeitung (Wahrheitskommissionen, Lustration oder Aussöhnung) / Rolle der Vergangenheit in innenpolitischen Auseinandersetzungen (konkurrierende Geschichtsinterpretationen) / Bedeutung beziehungs-geschichtlicher Traditionslinien und Erinnerungen in bilateralen Beziehungen / Staatliche Inszenierung von Vergangenheit (Gedenkfeiern, Denkmäler, Erinnerungsorte) etc.
- Gesellschaftliche Wahrnehmung der Vergangenheit: Bedeutung von Geschichte in der Ausprägung kollektiver Identitäten / Gesellschaftliche vs. staatliche Geschichtsauffassungen (‚Wir’ und ‚Sie’) / Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Geschichtswahrnehmung / Gesellschaftlicher Umgang mit Erinnerungskultur etc.
- Darstellung und Diskussion in den Medien: Rolle geschichtlicher Bezüge in den Medien (Zeitungen, Literatur, Film) / Instrumentalisierung der Medien / Manipulation der Politik und der Gesellschaft durch mediale Diskursmacht / Verantwortlichkeit der Medienmacht etc.
- Wissenschaftliche Aufarbeitung: Aufgaben und Objektivität der Wissenschaft (Identitätsbildung, Aufklärung, Versöhnung) / Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf nationale Geschichtsdiskurse (Historikerkommissionen, Schulbuchkonferenzen) / Perspektiven der Geschichtsschreibung (lokal, national, regional, europäisch) etc.
2. Format
Das Format des Mitteleuropa-Forums unterscheidet sich bewusst vom Modell ‚üblicher’ Konferenzen und Tagungen. Es wählt einen Ansatz, der die Teilnehmer schon vor Tagungsbeginn über kleine Arbeitsgruppen in einen ergebnisorientierten und interaktiven Austausch einbindet und die Zielsetzungen der Multinationalität, Interdisziplinarität und Schnittstellenfunktion Wissenschaft-Politik verfolgt. Mit diesem Ziel untergliedert sich das Forum in drei Phasen:
1) Vorbereitungsphase: Bis zum 30.10.2005 bewerben sich Interessierte mit Thesenpapier, Lebenslauf und Motivationsschreiben. In den auf dieser Grundlage gebildeten Arbeitsgruppen von 4-6 Personen werden, unter der Anleitung eines Moderators, gemeinsame Fragestellungen entwickelt. Zu diesen Fragestellungen verfassen die Teilnehmer bis zum 18.12. ein 5-seitiges Kurzpapier aus ihrer fachspezifischen Perspektive. Außerdem erstellt jeder Teilnehmer bis zum 11.01.2006 eine 1-seitige Kurzrezension, die das Papier eines anderen Teilnehmers kommentiert.
2) Forumsphase in Budapest: Die Teilnehmer präsentieren ihre Kurzpapiere und diskutieren in einem zweiten Schritt gemeinsame Strategien in Bezug auf die analysierten Probleme (mit dem Ziel konkreter Handlungsanweisungen). Aus dem intensiven Austausch und der Diskussion von Strategien können gemeinsame Folgeprojekte entstehen. Für die Entwicklung dieser weiterführenden interdisziplinären Projekte sieht das Forum einen Planungstag vor.
3) Nachbereitungsphase: Die Teilnehmer überarbeiten auf der Basis der Forumsergebnisse ihre Kurzpapiere, die in einer Publikation der DGAP veröffentlicht werden. Auf dem Forum angestoßene Folgeprojekte werden von der DGAP begleitet, die Projektbeteiligten können auch bei der Suche von Fördergeldern unterstützt werden und erhalten die Möglichkeit erste Ergebnisse auf einem Nachtreffen im September 2006 zu präsentieren.
3. Teilnahmevoraussetzungen / Fristen / Format der Beiträge
An der Teilnahme Interessierte müssen folgenden Anforderungen entsprechen:
- möglichst nicht älter als 35 Jahre sein / aus Mittel- oder Osteuropa stammen / Hochschulabsolventen sein, die in Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Medien oder Wissenschaft tätig sind / flüssig deutsch sprechen (da die Tagungssprache deutsch ist)
- bis zum 08. November 2005 sind einzusenden (per E-mail an: paenke@dgap.org)
a) einseitiges Thesenpapier, das eine These (!) formuliert, und anhand eines selbstgewählten Fallbeispiels eine stichpunktartige Argumentation zu einem der obengenannten Themenschwerpunkte entwickelt.
Das Papier muss folgendem Format entsprechen: Dateityp: MS Word Dokument, Name des Dokuments & Namen des Autoren, Schrift: Arial Narrow, Schriftgröße: 12, Zeilenabstand: einfach, ohne Fußnoten, rechts oben muss das Dokument folgende Informationen zum Autoren enthalten: Vollständiger Name, Herr/Frau, akademischer Titel, Institution, Stadt, Land, E-mail Adresse, Kontakttelefonnummer.
b) maximal zweiseitiger Lebenslauf, der Aufschluss über den akademischen Werdegang, Forschungsschwerpunkte und gegebenenfalls Publikationen gibt.
c) maximal einseitiges Motivationsschreiben, aus dem das persönliche Interesse an Thematik und Format des Mitteleuropa- Forums hervorgeht.
- Teilnahme an der virtuellen Diskussion in den Arbeitsgruppen / 5-seitiges Kurzpapier bis zum 18.12.2005 / 1-seitige Kurzrezension bis zum 11.01.2006 (vgl. Format)
4. Veröffentlichung
Die Kurzpapiere werden auf dem Forum diskutiert und auf der Basis der Gruppenergebnisse in einer dem Gesamtthema gewidmeten Publikation der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik veröffentlicht.
5. Teilnehmerbeitrag / Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung / Visagebühren
Der Teilnehmerbeitrag beträgt für alle Teilnehmer aus MOE 30 € (für aus Deutschland oder Österreich anreisende Teilnehmer 60 €).
Reisekosten werden erstattet und zwar bis zu einem Höchstbetrag von 150 € für Teilnehmer, die aus Deutschland anreisen, 100 € für Teilnehmer aus Polen, 80 € für Teilnehmer aus Österreich, der Tschechischen Republik, Rumänien und Bulgarien, 30 € für Teilnehmer aus der Slowakei, Slowenien und Kroatien und 20 € für Teilnehmer aus Ungarn (Grundlage für die Pauschalen sind die Bahnpreise 2. Klasse). Bei nicht angegebenen Ländern werden die Pauschalen mit dem Ansprechpartner bei der DGAP vereinbart.
Unterkunft und Verpflegung werden zur Verfügung gestellt. Visagebühren werden erstattet.
Eine Langversion der Ausschreibung ist auf der Webseite der DGAP unter www.dgap.org einsehbar.