First European Congress of World and Global History - Panel 36: Entracing Intellectual Property. The Institutionalization of Authors Rights between Nationalization, Internationalization and Globalization (18th to 20th Centuries)

First European Congress of World and Global History - Panel 36: Entracing Intellectual Property. The Institutionalization of Authors Rights between Nationalization, Internationalization and Globalization (18th to 20th Centuries)

Organisatoren
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.09.2005 - 25.09.2005
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Von
Isabella Löhr, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig

Geistiges Eigentum ist heute ein umstrittener Gegenstand, der in Verbindung mit dem Wort ‚Entgrenzung’ harte Diskussionen über den freien Zugang zu kulturellen Gütern, den Erhalt kultureller Diversität und über wirtschaftspolitische Verteilungsfragen auf den Plan ruft. Diese Debatten suchte man in dem Panel vergeblich. Was man dafür fand, war ein historischer Blick auf die Entwicklung geistigen Eigentums: wie kam es zu der Vorstellung Kultur und Wissen besitzen zu können, wie wurden entsprechende Handlungsrechte verregelt und schließlich national und international institutionalisiert?

In seinem einleitenden Vortrag beschrieb Hannes Siegrist die Herausbildung der Figur des geistigen Eigentums im 18. und 19. Jahrhundert als eine schrittweise Verbindung von Gedanken und Ausdrucksformen mit dem Konzept des Eigentums. Wesentlich dafür war die Ausbildung neuer Vorstellungen über die Rolle von Autoren, die nun kulturell legitimiert Herrschafts-, Kontroll- und Ausschlussrechten für geistige Werke und Symbole erhielten. Diesen Prozess der ‚propertization’ von Kultur und Wissen, der mit dem Aufbrechen von Gilden und Zünften am Ende des 18. Jahrhunderts und der darauf folgenden Reorganisation der Verbreitung und des Umganges mit kulturellen Gütern eingeläutet wurde, fasste Siegrist als eine Doppelkonstruktion der Nationalisierung und Individualisierung geistigen Eigentums: die Herausbildung des Autors als individueller Eigentümer wurde begleitet von einem possessiven Nationalismus, der im Verlaufe des 19. Jahrhunderts neben der Individualisierung zugleich die Nationalisierung und nationale Inbesitznahme von Kultur vorantrieb. Zur Stabilisierung dieser sich neu herausbildenden nationalen Kulturkartelle kristallisierte sich bereits im frühen 19. Jahrhundert die Notwendigkeit eines internationalen Schutzes geistigen Eigentums heraus, der in Form bilateraler Gegenseitigkeitsabkommen jedoch lückenhaft blieb.

Diesem Aspekt der internationalen Regulierung geistigen Eigentums ging Isabella Löhr für das 20. Jahrhundert nach. Für den Zeitraum von 1918 bis 1952 thematisierte sie die Entwicklung der Berner Übereinkunft, ein 1886 gegründetes multilaterales Vertragssystem zum internationalen Schutz geistigen Eigentums. Im Vergleich zur Rolle von Nationalstaaten und Einzelakteuren, wie sie zuvor für das 18. und 19. Jahrhundert thematisiert wurden, konzentrierte sie sich auf die Rolle internationaler Organisationen, die nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt auftraten und in den Prozess der internationalen Aushandlung von Urheberrechten aktiv eingriffen, indem sie die nationalen Kulturkartellen um eine funktionierende Kooperationsstruktur auf internationaler Ebene ergänzten. Das zeigte sie exemplarisch am Völkerbund und seinem Vorhaben, die Berner Übereinkunft in den 1930er Jahren durch einen Zusammenschluss mit den Urheberrechtsverträgen der panamerikanischen Union zu einer Weltkonvention zum Schutz geistigen Eigentums auszubauen, deren Zustandekommen letztlich nur durch Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert wurde.

Der frühen Nachkriegszeit widmete sich Matthias Wiessner, indem er die Bemühungen der DDR verfolgte, ein eigenes geistiges Eigentumsrecht zu entwickeln und es an das internationale Recht anzubinden; im Vergleich zur Sowjetunion war die DDR bereits früh in multilaterale und bilaterale Urheberrechtsverträge eingebunden. Diesen Anschlussversuch an die internationale Entwicklung legte Wiessner als Versuch der DDR aus, ihre internationale Stellung insgesamt zu stärken und der außenpolitischen Isolation entgegen zu treten. Wie auch im vorangehenden Vortrag betonte er die Rolle privater Interessensvertretungen der Autoren und Verleger, die sich intensiv um internationale Organisationen wie die Unesco und die World Intellectual Property Organization bemühten, um an diesen Stellen ihre eigenen Interessen wirkungsvoll einzubringen. Diesen Bemühungen standen jedoch mit dem Alleinvertretungsanspruch der BRD und der instabilen Finanzsituation der DDR besonders in den 1950er Jahren zwei grundsätzliche Probleme im Weg, die letztlich nur zu einer begrenzten Integration der DDR in das internationale Urheberrecht führten.

Im letzten Vortrag wendete Friedemann Kawohl sich der globalgeschichtlichen Dimension des geistigen Eigentums zu, für deren Skizzierung er drei Möglichkeiten vorschlug: erstens ein historischer Vergleich der nationalen Rechtskulturen, zweitens eine Analyse der Entstehung und Weiterentwicklung internationaler Konventionen zum Schutz geistigen Eigentums mit besonderem Blick auf internationalen Wettbewerb, Harmonisierung und Internationalisierung der Schutzbestimmungen und drittens schließlich ein beziehungsgeschichtlicher Zugang, der über Handelsbeziehungen und Migrationsprozesse den Transfer von Rechts- und Verlagspraktiken, kulturellen Vorstellungen von Autorschaft und deren Institutionalisierung in den Blick nimmt. Am Beispiel der unterschiedlichen Rechtskonzepte, die hinter den Begriffen copyright und Urheberrecht stecken, veranschaulichte Kawohl abschließend, wie ein solcher Vergleich von Rechtskulturen, Eigentumsvorstellungen und der daraus entspringenden Folgen für den Transfer von Rechtsvorstelllungen und -praktiken aussehen könnte.

In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit derzeitige Ausweitungen von geistigen Eigentumsrechten zugunsten der Inhaber der Schutzrechte vergleichbar seien mit der in historischer Perspektive geschilderten Individualisierung und Nationalisierung kultureller Güter zwischen 1780 und 1880. Diese Frage wurde bejaht mit dem Verweis darauf, dass heute analog zur Situation um 1840 vor allem internationale Urheberrechte wieder mit Handelsverträgen verknüpft werden und auf diese Weise Institutionalisierung und Verregelungen für den Umgang mit geistigen Gütern sich ihren Weg bahnen. Das heißt, die Festlegung kultureller Handlungsrechte und damit der Zugang zu und der Umgang mit ‚creative commons’ ist erneut in einem Prozess der ‚private propertization’, an dem heute aber nicht nur staatliche und private Akteure beteiligt sind, sondern besonders internationale Akteure wie bspw. globale Unternehmen und internationale Organisationen, bei denen ein großer Teil der Regulierungsgewalt liegt. Vergleicht man in dieser Perspektive das 19. mit dem 20. Jahrhundert, zeigt sich ein wesentlicher Unterschied in der Abhängigkeit nationaler kultureller Handlungsfelder von internationalen Entwicklungen: aufgrund der Breitenwirkung neuer Medien und technischer Möglichkeiten der Reproduktion geistiger Werke funktionierte im 20. Jahrhundert eine Implementierung kultureller Handlungsrechte auf nationaler Ebene nur im Zusammenspiel mit internationalen Regulierungen, die sich mit den Regelungen der nationalen Kulturkartellen abstimmen und sie stabilisieren, indem sie ihre Regeln international einführen und verteidigen.

Kontakt

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Redaktion
Veröffentlicht am
06.01.2006
Beiträger
Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Englisch, Französisch, Deutsch
Sprache des Berichts