Im Jahr 2007 jährte sich das Verbot mit menschlicher „Ware“ Handel zu treiben zum 200. Mal. Anlass genug dieses immer noch brandaktuelle Thema in zahlreichen Monographien für eine interessierte Öffentlichkeit aufzubereiten. Eine dieser Publikationen ist die Überblicksdarstellung des amerikanischen Liberalismusforschers Jim Powell. Dieser schildert in seiner Überblicksdarstellung den Kampf britischer, irischer, amerikanischer, kubanischer und brasilianischer Menschenrechtsaktivisten für die Rechte schwarzafrikanischer Sklaven, die auf den Plantagen ihrer Herren für den Wohlstand der westlichen Welt schuften mussten und oftmals bereits auf der sogenannten Mittelpassage zu Tausenden ihr Leben lassen mussten.
In Kapitel 1 versucht der Autor zunächst einmal die Selbstverständlichkeit dieser „peculiar institution“ darzustellen, die so alt ist, wie die Menschheit selbst. So gab es kaum eine westeuropäische Nation, die nicht in irgendeiner Art und Weise mit dem Sklavenhandel zu tun hatte. Als führende Nationen werden jedoch Spanien und Portugal, die Niederlande, Frankreich und die weltgrößte Sklavenhandelsnation (seit dem 18. Jahrhundert) genannt: Großbritannien. Doch von dort sollte auch deren Ende ausgehen, wie der Autor in Kapitel 2 kenntnisreich beschreibt. So waren es in erster Linie Ideen – religiöse, naturrechtliche, ökonomische – die auf allen Kontinenten den Anfang vom Ende der menschlichen Unfreiheit einleiteten. Dadurch entstanden die ersten friedlichen Menschenrechtsbewegungen der Menschheitsgeschichte: der sogenannte Abolitionismus. Ein anderer Grund für die Beendigung von Sklavenhandel und Sklaverei, die Powell ebenfalls in seine Darstellung mit einbezieht, waren jedoch die zahlreichen Aufstandsbewegungen der Versklavten selbst, die mit Waffengewalt gegen ihre Unterdrücker vorgingen. Dabei versuchten sie zunächst auf Haiti ihre Herren zu entmachten, was – nach zahlreichen Rückschlägen und großen Opfern – unter ihrem charismatischen Anführer, dem Mulatten Toussaint L’Ouverture („der schwarze Napoleon“) auch gelang, wie Powell eindrucksvoll in Kapitel 3 beschreibt. Haiti wurde – nach den Vereinigten Staaten – der zweite unabhängige Staat der Welt. Im britischen Mutterland hingegen hatte die von einzelnen Aktivisten angeführte Abolitionsbewegung einen derartig starken Zulauf unter der Bevölkerung gewonnen, dass die politische Elite reagieren musste. So kam es 1807 zur Aufhebung des Sklavenhandels und schließlich 1833 zur Aufhebung der Sklaverei im britischen Empire. In Kapitel 5 schildert Powell den gefährlichen sowohl mit politischen Risiken verbundenen als auch mit hohem finanziellen Einsatz verbundenen Kampf des viktorianischen Weltpolizisten Großbritannien gegen die aus britischer Sicht illegalen Sklaventransporten, die häufig auch zu internationalen Konflikten mit den noch verbliebenen Sklavenhalterstaaten führten. In Kapitel 6, 7 und 8 schildert der Autor schließlich, wie durch das britische Vorbild, aber auch durch den damit einhergehenden politischen und moralischen Druck auch die USA, Kuba und letztlich Brasilien die Sklaverei abschafften. Ein interessanter Sonderfall ist die „verdeckte Sklaverei“ in der Privatkolonie Leopolds des II. von Belgien, dessen rücksichtsloses Zwangsarbeitsregime in dem rohstoffreichen afrikanischen Land erst durch den Einsatz irischer und englischer Abolitionisten beendet werden konnte (Kapitel 9). In einem letzten Kapitel schlägt Powell schließlich die Brücke zur Gegenwart und erläutert die Tatsache, dass allein die Abschaffung der Sklaverei noch nicht ausreiche, den Betroffenen eine Zukunftsperspektive in Freiheit zu verschaffen. Vielmehr müssten die Freigelassenen nun auch mit ihrer gewonnen Freiheit umgehen, was deren ehemalige Herren ihnen nicht vermitteln konnten. Somit seien zwar die Sklaven befreit worden, jedoch wären die Nachwirkungen bis in die heutige Zeit zu spüren, was die Situation der nach der Phase der Reconstruction erneut unterdrückten schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten der USA bis zur Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre eindrucksvoll beweist.
Powells Buch liefert einen sehr soliden Überblick über der „Abolitionsbewegung“, die für die westliche Welt singulär ist. Auch die Tabelle mit den wichtigsten Ereignissen im Anhang liefert einen sehr guten und schnellen Überblick über die wesentlichen Eckdaten dieser Bewegung, die eine bis ins 18. Jahrhundert nicht hinterfragte Institution ins Wanken und schließlich zum Einsturz brachte. Seine Schwächen zeigt das Buch jedoch bei der Darstellung des ideengeschichtlichen Hintergrundes, der seine Wurzel nicht nur in der religiösen Bewegung der evangelikalen Quäker in den USA und im Vereinigten Königreich hatte, sondern auch zu einem erheblichen Teil aus säkularen Ideen der schottischen Aufklärung gespeist wurde. Hierauf geht der Autor jedoch nur sehr knapp ein. Zudem konzentriert sich der Amerikaner Powell zu stark auf die ideengeschichtlichen Aspekte, ohne zu analysieren, dass es auch ökonomische Ursachen der Abschaffung von Sklaverei und Sklavenhandel gab und diese ja auch mit den kolonialen Interessen der ehemals sklavenbesitzenden Nationen übereinstimmten. Diese Tatsache schmälert jedoch nicht die Nutzbarkeit des Buches von Powell, mit dem man sich in kurzer Zeit einen guten Überblick über ein immer noch aktuelles Thema machen kann, welches bis ins 21. Jahrhundert noch nachwirkt.
Das Buch des amerikanischen Professors und weltweit anerkannten Experten zur Sklaverei der Neuzeit, Seymour Drescher, hingegen behandelt das Phänomen der Abolition in globaler und umfassenderer Perspektive. Dabei wird im ersten Kapitel die Entwicklung der Sklaverei seit der frühen Neuzeit beschrieben sowie auf deren Ausmaß und Auswirkungen eingegangen. Während Powell sich also einzig und allein auf die Sklaverei im Westen konzentriert, bezieht Drescher auch die Sklaverei in anderen Erdteilen und Kulturen, wie die der islamischen Welt in seine Untersuchungen mit ein. Der Schwerpunkt seiner Abolitionsgeschichte ist jedoch die westliche Welt, in der die Antisklavereibewegung ihren Anfang nahm. Dabei geht Drescher jedoch nicht nur auf die angloamerikanische Welt oder die Südamerikaner ein, sondern bettet die Abolitionsbewegung in den Kontext der jeweiligen historischen Umbruchsituationen – wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, die französische Revolution 1789 und die lateinamerikanische Unabhängigkeitsbewegung im 19. Jahrhundert ein, durch die letztlich der Sklavenhandel und die Institution selbst von der Erde verschwand. Im dritten Teil schließlich beschreibt Drescher sehr detailliert den eigentlichen Kampf der Abolitionisten gegen die Sklaverei bis in die 1920er Jahre, um im vierten Teil wieder auf die Rückkehr sklavereiähnlicher Arbeitsverhältnisse im 20. Jahrhundert einzugehen. Thematisiert werden hier insbesondere Formen von Zwangsarbeit im kolonialen Afrika, das Gulag System der stalinistischen Ära in der Sowjetunion und das System der NS-Konzentrationslager. Hier zeigt es sich mehr denn je, dass die Unfreiheit eine langlebige Institution ist, die in vielen Formen auch in der globalisierten Gegenwart noch präsent ist 1.
Dreschers Stärke ist sein mit sehr detaillierten Informationen über den Kampf gegen Sklavenhandel und Sklaverei ausgestattetes Werk, das den Anspruch erhebt, eine Gesamtdarstellung dieses in der Geschichte einzigartigen Prozesses der Abschaffung einer noch vor 200 Jahren selbstverständlichen Institution zu liefern. Zudem ist es sein Verdienst, auf die immer noch verdeckt existierende und seit 1948 auch international geächtete Sklaverei einzugehen. Jedoch fehlt es Drescher, der in bester angelsächsischer Tradition auf historische Vergleiche eingeht (antike Sklaverei und NS-Zwangsarbeit bzw. Sklaverei), an der für diesen Vergleich notwendigen Terminologie, da er es vermeidet, Formen der antiken Sklaverei von denen in der Neuzeit klar zu unterscheiden. Denn es ist in der Forschung durchaus umstritten, ob sich die Sklaverei der Antike mit derjenigen auf die Vernichtung durch Arbeit in den Konzentrationslagern des 3. Reiches zielenden Arbeitsverhältnissen vergleichen lässt. Gleiches gilt übrigens auch für Zwangsarbeitsverhältnisse der deutschen Rüstungsindustrie über die gerade in letzter Zeit zahlreiche Untersuchungen entstanden sind. Zwar gab es bei den zur Strafsklaverei ad metalla verurteilten Sklaven ebenso eine hohe Zahl an durch Arbeit zu Tode gekommenen Menschen, in der Mehrzahl der Fälle waren antike Sklaven – besonders in der römischen Antike – jedoch durchaus ein wertvoller Besitz ihres Herren, dem auch Fürsorgeleistungen zu Gute kamen. Wenn diese auch nicht aus christlich-karitativen Gründen eingesetzt wurden, sondern nur der Erhaltung der Arbeitkraft des Sklaven und einer Verbesserung des ökonomischen outputs (beschrieben bei den antiken römischen Agrarschriftstellern Cato, Varro und Columella) dienten, so überlebten antike Sklaven doch wesentlich länger als diejenigen auf den Zuckerplantagen der Karibik oder in den unterirdischen Rüstungsfabriken des Organisation Todt. Zudem gab es mit der Institution der Freilassung auch gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten, welche es in der Moderne niemals gab. Hier ging es lediglich um die primär ökonomischen Interessen der Herren und/oder rassistische Vorstellungen, durch welche der moderne Zwangsarbeiter lediglich einen schnellen Tod erwarten konnte.
Von diesen methodischen und terminologischen Schwächen abgesehen, bietet Dreschers Buch jedoch eine sehr umfassende historische Darstellung der Abolitionsbewegung, die sich jedoch eher an ein wissenschaftliches Publikum richtet, während Powells Buch auch dem interessierten Laien ohne Vorkenntnisse sehr zu empfehlen ist.
Anmerkung:
1 Vgl. Kevin Bales, Disposable People, New Slavery in the Global Economy, Berkeley 1999, der von heutigen Sklavenzahlen zwischen 27 und 200 Millionen Menschen ausgeht.