M. Davies: Public health and colonialism

Titel
Public Health and colonialism. The Case of New Guinea 1884-1914


Autor(en)
Davies, Margrit
Reihe
Quellen und Forschungen zur Südsee, Reihe B: Forschungen 1
Erschienen
Wiesbaden 2002: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
237 S.
Preis
€ 58,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ludger Wimmelbücker, Universität Hamburg

Die vorliegende Studie schließt sich an die wissenschaftliche Beschäftigung mit verschiedenen Aspekten der medizinischen und demographischen Entwicklung innerhalb des britischen Kolonialreichs an. Sie wendet entsprechende Fragestellungen auch auf den Bereich der deutschen Kolonialherrschaft an, in dem diese lange Zeit nur am Rande behandelt wurden. Dies trifft auch auf die deutschen Südsee-Kolonien zu, wo medizinische Interventionen und Diskurse über den Erhalt und die Vermehrung der einheimischen Bevölkerung eine besonders große Rolle spielten. Indem die Studie sich auf den Teil konzentriert, der unter deutscher Kolonialherrschaft stand, ergänzt und vertieft sie eine neuere Studie zur Geschichte des Gesundheitswesens in Papua-Neuguinea. 1

Neben den veröffentlichten Quellen berücksichtigte Margrit Davies verschiedene Archive in Deutschland, Papua-Neuguinea und Australien. Die von ihr verwendete Sekundärliteratur reicht jedoch nur bis zur Mitte der 1990er Jahre, was sich dadurch erklärt, dass ihr Buch auf einer überarbeiteten Magisterarbeit von 1992 beruht. So konnten etwa umfassende Beiträge zu den ideologischen Hintergründen des Wirkens von deutschen Ärzten sowie den medizinischen Anstrengungen als Element des deutschen Kolonialimperialismus nicht in die Darstellung einbezogen werden. 2

Die Einführung zum Gesundheitswesen und zur Rolle der Ärzte in der deutschen Kolonie Neuguinea (bestehend aus den beiden administrativen Einheiten Kaiser-Wilhelmsland und Bismarck-Archipel) ist gleichwohl nützlich. Sie weist unter anderem auf die beiden Pole hin, zwischen denen sich die fortgeschrittenste tropenmedizinische Forschung während der deutschen Kolonialzeit bewegte, nämlich zwischen der Nutzung der neusten Erkenntnisse über pathogene Faktoren, verkörpert in der Person von Robert Koch, und der Anerkennung eines Bündels vielfältiger, auch sozialer, Ursachen für die Verbreitung von Krankheiten, die von Rudolf Virchow vertreten wurde.

Im Kapitel über die in der Kolonie ansässigen Europäer beschreibt Margrit Davies, was diese selbst zur Sicherung ihrer Gesundheits- und Ernährungslage unternahmen und mit welchen Infektionskrankheiten sie zu kämpfen hatten. Sie zeigt, dass sich die Situation der Europäer nach 1900 verbesserte, nicht zuletzt weil sie sich auf Grundlage der Rassentrennung bessere Wohn- und Arbeitsbedingungen schufen und die Kolonialverwaltung mit dem Aufbau eines flächendeckenden Gesundheitswesens begann, wodurch die Einwanderung von Frauen und die Vermehrung der deutschen Bevölkerung ermöglicht werden sollte.

Auf der anderen Seite standen die einheimischen Arbeiter, welche in großer Zahl für weit entfernt liegende Arbeitsstätten rekrutiert wurden. Ihre Versorgung lag weitgehend in den Händen der europäischen Plantagenbesitzer und begann sich begrenzt zu verbessern, nachdem sich das Kolonialregime aufgrund der extrem hohen Sterberaten veranlasst sah, zusätzliche Regelungen zu treffen und medizinische Maßnahmen zu finanzieren. Die Darstellung der wichtigsten Krankheiten, der Ernährungssituation sowie dem Aufbau von Hospitälern geht über die bisherige Forschung hinaus. 3

Im Kapitel über die einheimische Bevölkerung analysiert Margrit Davies Erfolge und Hindernisse der verschiedenen medizinischen Aktivitäten, an denen sich nicht nur europäische Ärzte und Krankenschwestern, sondern auch einheimisches Personal und mobile Hilfskräfte (so genannte Heiltultul) beteiligten. Diese Bemühungen seien vor allem deshalb begrenzt geblieben, weil Brutstätten der Malaria-Mücken nicht konsequent beseitigt wurden und die Bekämpfung der Ruhr weitgehendere Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserversorgung erfordert hätte. Die wachsende Migration habe außerdem zur Verbreitung von Infektionskrankheiten (verschiedene Formen der Malaria, Tuberkulose, Gonorrhö usw.) beigetragen. Was die Gesundheitssituation betrifft ist deshalb eine Gesamttendenz nur schwer festzustellen.

Zwar behandelt Margrit Davies auch die demographischen Erhebungen, kann jedoch auf Basis entsprechender Quellen kaum gesicherte Aussagen über die Bevölkerungsentwicklung machen. Zugegebenermaßen wäre dafür ein erheblich größerer Forschungsaufwand nötig. Um die vor Ort vorhandenen Heilmethoden, diesbezügliche Vorstellungen und schließlich die Reaktionen auf kolonialmedizinische Vorgaben besser verstehen zu können, wäre es außerdem nützlich, ethnologische und demographische Untersuchungen der gegenwärtigen Gesellschaft zu berücksichtigen. 4 Darüber hinaus werden sozioökonomische Bedingungen noch stärker zu erforschen sein, die nicht unmittelbar aus den kolonialen Diskursen zu erschließen sind und die nicht unbedingt im direkten Zusammenhang mit der Kolonialisierung standen, wie etwa allgemeine Fragen der Ernährung und Nahrungsmittelknappheit. Wie dem auch sei, abschließend bleibt festzuhalten, dass Margrit Davies einen lesenswerten Beitrag zur deutschen Kolonialgeschichte leistet, der zur Untersuchung weitergehender Fragestellungen anregt.

Noch ein Wort zu dem Anliegen der Reihe, in der das Buch erschienen ist, Deutsch als Wissenschaftssprache zu fördern. Leider gewinnt man den Eindruck, dass die deutsche Zusammenfassung in einigen Punkten hinter den englischen Text zurückfällt. 5 Der Begriff „Eingeborener“ (vgl. S. 194-195) entspricht nicht mehr dem heutigen Sprachempfinden, weil er zu sehr an koloniale Denkmuster erinnert (vielleicht noch mehr als seine englische Entsprechung „native“, die auch vorkommt). An anderer Stelle wird als Ursache für den Rückgang der Bevölkerung unter anderem „jahrhundertelange Inzucht“ genannt (S. 197), wobei man sich fragt, ob dieses Argument nicht vor allem rassenhygienischen Vorstellungen entspricht, auf die der Text an anderen Stellen hinweist. Im abschließenden Satz scheint sich die kolonialdeutsche Sicht wiederzuspiegeln, denn hier ist von neuen Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen die Rede ist, die nicht mehr gemacht werden konnten. Doch wird vorher bereits erwähnt, dass die kolonialmedizinische Arbeit von australischen Doktoren, wenn auch zunächst mit weit geringeren Mitteln, weiter geführt wurde.

Anmerkungen:
1Denoon, Donald, Public health in Papua New Guinea. Medical possibility and social constraint 1884-1984. Cambridge 1989.
2 Siehe z.B. Eckart, Wolfgang Uwe, Medizin und Kolonialimperialismus. Deutschland 1884-1945, Paderborn 1997; ders., Deutsche Ärzte in China 1897-1914. Medizin als Kulturmission im Zweiten Deutschen Kaiserreich, Stuttgart 1997.
3 Vgl. das Kapitel „Depopulation and the Planters“ in: Firth, Stewart George, New Guinea under the Germans, Carlton 1982, S. 112-135.
4 Zum Beispiel: Schuler, Judith Elisabeth, Infantizid – biologische und soziale Aspekte. Eine Untersuchung anhand von Fallbeispielen aus Neuguinea, Münster 1993; Kramp, Rita, Familienplanung in Gabensis. Fertilitätswandel aus ethnographischer Sicht. Berlin 1999.
5 Einen besseren Überblick bietet: Davies, Margrit, Das Gesundheitswesen im Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarckarchipel, in: Hiery, Hermann Joseph (Hgg.), Die deutsche Südsee. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 417-449.

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Veröffentlicht am
12.11.2004
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