„The Versailles System and Central Europe“ gehört zu jenen Büchern, die mit ihrem Titel die Neugier des interessierten Lesers wecken, jedoch schon beim ersten Blick auf das Inhaltsverzeichnis Enttäuschung hervorrufen. Es enthält ausschließlich bereits publizierte Aufsätze in englischer und französischer Sprache aus den Jahren 1975 bis 2000; sie wurden nur durch ein Vorwort neu aufgemacht. Einigen der Beiträge sind kürzere Addenda (Kommentare und Ergänzungen) beigefügt.
Gegenstand der meisten dieser Aufsätze ist keineswegs das „Versailler System“ als ganzes, sondern vor allem die Lage Ungarns, die Perzeption des in Ungarn als schmachvoll wahrgenommenen Vertrages von Trianon (S. 29ff), die Lage der magyarischen Minderheiten in der Region (S. 239ff) und die “Unsicherheit des Systems der Zwischenkriegszeit“, das die vermeintliche Stabilität des Habsburger Reiches ersetzt habe (S. xiv). Die in der Zwischenkriegszeit dominanten strukturellen Probleme, etwa die durch die Weltwirtschaftskrise verschärften sozialen und ökonomischen Konfliktlagen, die tiefgreifenden Integrationsprobleme und komplexe Minderheitensituation in den Nachfolgestaaten, ebenso wie der Trend zu autoritären Systemen etc. finden nur sporadisch Erwähnung.
Ádám folgt in durchweg allen Aufsätzen einem - wie sie selbst anmerkt „traditionellen“ Zugriff und stützt ihre Analyse in erster Linie auf diplomatische Quellen, Vertragstexte und Konferenzdokumentationen. Das Leitmotiv ihrer Ausführungen ist die vermeintlich ungerechte Friedensordnung, die durch Antagonismen zwischen Siegern und Besiegten hervorgerufene regionale Instabilität sowie das Desinteresse der Großmächte, welche es dem nationalsozialistischen Deutschland (und in geringerem Maße dem faschistischen Italien) erst ermöglicht habe, seine hegemonialen Ziele zu verwirklichen. „Abandonment by the West and internal strife within Central Europe inevitably led to the increasing penetration of the region by German and Italian economic, and eventually political, interests.“ (S. xvi) Aufgrund der Konzeption des Buches sind Redundanzen wohl unvermeidlich gewesen.
Magda Ádám bekennt sich offen zu ihrer national-ungarischen Perspektive: “The Hungarians argued (rightly) that their country had not only been dismembered..., but that the principle of self-determination....had given way to a vindictive peace diktat in which strategic principles had played at least as much part as ethnic self-determination.” Und: „In addition to territorial dismemberment, the Hungarians suffered the indignity of discriminatory policies against ethnic Hungarians who remained outside the new borders of Hungary.“ (S. xv) Das von der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien 1920/21 geschmiedete Defensivbündnis der Kleinen Entente sieht Ádám entsprechend als ein Instrument, Ungarn zu „umzingeln“ und neue Feindschaft heraufzubeschwören (S. 208). Am Ende des Buches entfaltet Ádám in einem Beitrag über das Münchener Abkommen die starke These, dass Edvard Beneš selbst die Verantwortung für den „Gang der Ereignisse“ zufalle, aufgrund seines „ganzen außenpolitischen Konzeptes“ und der Missachtung der Minderheitenrechte in der Tschechoslowakei (S. 356).
Magda Adam hat sich durch verschiedene, umfangreiche Quelleneditionen über die Außenpolitik Ungarns in den 1930er und 1940er Jahren Verdienste erworben. Anders als diese wird der vorliegende Band sicherlich nicht den Rang eines Standardwerkes erlangen.