A. Jacobs: Europäisch-arabische Zusammenarbeit 1970-1998

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Titel
Problematische Partner. Europäisch-arabische Zusammenarbeit 1970-1998


Autor(en)
Jacobs, Andreas
Reihe
Kölner Arbeiten zur Internationalen Politik 14
Erschienen
Köln 2003: SH-Verlag
Anzahl Seiten
467 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabel Schäfer, Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Freie Universität Berlin

Dass nun endlich auch in Deutschland - mit einiger Verspätung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder auch Großbritannien - vermehrt Publikationen zur euro-mediterranen oder auch euro-arabischen Zusammenarbeit erscheinen, ist zu begrüßen. Viele wissenschaftliche Autoren meiden das Thema, weil es methodisch gesehen nicht unumstritten ist, die Beziehungen zwischen zwei so unterschiedlichen Regionen wie Europa/Europäische Union und der arabisch-islamischen Welt zu untersuchen. Einen Ausweg bieten die sogenannten „Mediterranean Studies“, die sich den Mittelmeerraum zum Forschungsgegenstand gewählt haben.

Andreas Jacobs stellt sich der Herausforderung die komplexen Beziehungen zwischen den beiden Regionen Europa und arabische Welt zu analysieren und leistet mit seiner Monografie einen wertvollen Beitrag zur Verfestigung der euro-arabischen Thematik in der deutschen politikwissenschaftlichen Forschungslandschaft. Es handelt sich um seine Dissertation, die er im Jahr 2000 an der Universität Köln eingereicht hat.

Um die komplexen Beziehungen zwischen diesen sehr unterschiedlichen „Partnern“ zu untersuchen, stützt sich Andreas Jacobs auf die Systemtheorie und den neorealistischen Ansatz. Dies erlaubt ihm zwar die Beziehungen zwischen den Staaten und ihr Machtverhältnis zueinander zu analysieren, führt allerdings auch dazu, dass andere relevante Aspekte der Beziehungen, wie die Herausbildung der Identitäten und Normen der einzelnen Akteure, ihre gegenseitige Wahrnehmung oder auch die Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure letztendlich ausgespart werden, obwohl diese die euro-arabischen Beziehungen doch erheblich mitbestimmen. Das Ergebnis ist eine eher statische Analyse der Beziehungen der Staaten und ihrer außenpolitischen Einstellungen. Auf „europäischer Seite“ untersucht Andreas Jacobs die europäischen Kernstaaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien nach den Kategorien „Innenpolitik und außenpolitische Entscheidungsfindung; Außenhandel und Entwicklungspolitik; außenpolitische Grundorientierung; Politik gegenüber der arabischen Region“. An arabischen Staaten werden Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, Saudi-Arabien und der Irak nach den gleichen Kategorien sowie ihrer „Politik gegenüber Europa“ betrachtet. Warum diese zeitliche Eingrenzung von 1970 bis 1998 und diese geografische Auswahl an Ländern getroffen wurde, wird leider nicht genauer begründet.

In einem Überleitungskapitel geht Andreas Jacobs auf die Entwicklung des europäischen Regionalsystems ein. Hierbei interessieren ihn vor allem die Fragen nach dem inneren Mächtegleichgewicht der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union und nach dem Akteurscharakter der EG/EU nach außen. Dazu untersucht er zum einen die institutionelle Entwicklung der EG/EU, zum anderen die Möglichkeiten und Grenzen der multilateralen Politik der EG/EU gegenüber den arabischen Staaten. In Anlehnung an die Arbeiten von Jörg Monar verweist Andreas Jacobs besonders auf die Schwierigkeiten des Akteurs EG/EU in Sachen Außenpolitik aufgrund des Dualismus im Bereich der Außenbeziehungen. So fallen die Außenwirtschaftsbeziehungen weitgehend unter die Kompetenz der EU-Kommission und des Rates und unterliegen damit einer eher supranationalen Logik, während die außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen weiterhin einer intergouvernementalen Logik im Rahmen der GASP folgen. Dies wirkt sich nach Andreas Jacobs auf die Beziehungen zu den arabischen Staaten bis Ende 1998 insofern negativ aus, als die EG/EU „in ihren Außenwirtschaftsbeziehungen zwar als einheitlicher Akteur auftreten konnte. [...] Im politischen und sicherheitspolitischen Bereich verfügte die EG/EU nur in sehr begrenztem Maße über die Möglichkeit, als kollektiver Akteur gegenüber den arabischen Staaten in Erscheinung zu treten“ (S. 136).

Analog hierzu prüft Andreas Jacobs die Entwicklung des arabischen Regionalsystems, das mit Ausnahme des Golfkooperationsrats sich durch einen „relativ geringen Grad an zwischenstaatlicher Kooperation“ auszeichnet. „Lediglich in nahostpolitischen Fragen bzw. in der Konfrontation mit Israel konnte unter Führung der ägyptischen Hegemonialmacht streckenweise ein höheres Maß an Zusammenarbeit und Ansätze eines Integrationsprozesses erzielt werden.“ (S. 257) Hierbei handelt es sich um eines der interessantesten Kapitel der Arbeit, da die komplexe historische Entwicklung der Beziehungen der verschiedenen arabischen Staaten zueinander sowie die Rolle der Arabischen Liga deutlich werden und diese auf die Frage hin untersucht werden, wann die arabischen Staaten als kollektiver Akteur gegenüber Europa in Erscheinung getreten sind. So haben sich laut Andreas Jacobs diese Beziehungen von der regionalen Vormachtstellung Ägyptens, über eine „multipolare Struktur mit einem bipolaren Kern (Ägypten und Saudi-Arabien)“ (S. 252) bis spätestens in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre zu einem „multipolaren System mit den Hauptmächten Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien, Irak und – mit Einschränkungen – Algerien, rhetorisch ergänzt durch Libyen“ (S. 253) entwickelt. Spätestens das Friedensabkommen von Camp David 1979 zwischen Israel und Ägypten und die daraus resultierende Isolierung Ägyptens führten zu einer Verschärfung der bilateralen Konflikte zwischen den einzelnen arabischen Staaten und einer Lahmlegung der Arabischen Liga. Die 1980er-Jahre waren geprägt von einer zunehmenden Anbindung an die Supermächte USA und Sowjetunion, damit verbundene Finanzhilfen und Waffenlieferungen und der Instrumentalisierung des Ost-West-Konflikts durch die einzelnen Akteure. In den 1990er-Jahren gewann Ägypten an Terrain in der regionalen Ordnung zurück und versuchte sich nicht nur zunehmend als Vermittler im Nahostkonflikt, sondern initiierte als wieder erstarkte regionale Führungsmacht eine kooperative, teilweise konfrontative Gegenmachtbildung zu Europa. Andreas Jacobs realpolitisch interpretiertes und tatsächlich enttäuschendes Fazit ist, dass der Grad an zwischenstaatlicher Kooperation, an regionaler und subregionaler Institutionalisierung im Vergleich zu Europa weiterhin sehr gering ist und der einzige gemeinsame Nenner für eine politische Mobilisierung weiterhin in der Konfrontation mit Israel liegt.

Die ausführliche Analyse der verschiedenen relevanten multilateralen Akteure und Institutionen der europäisch-arabischen Zusammenarbeit beinhaltet unter anderem die Mittelmeerpolitik der EG/EU, die Zusammenarbeit der EG/EU mit dem Golf-Kooperationsrat und der Arabischen Maghrebunion, die Nahostpolitik der EG/EU, die KSZE/OSZE, den euro-arabischen Dialog, den WEU-Mittelmeerdialog und den NATO-Mittelmeerdialog. Diesen verschiedenen Politiken gemeinsam ist die Tatsache, dass die Initiative der institutionalisierten Zusammenarbeit von europäischer Seite ausging und auch heute noch ausgeht. „Eine Art institutionelle Eigendynamik ist nicht feststellbar.“ (S. 329.) In einem abschließenden Teil geht Andreas Jacobs auf Einflussfaktoren der europäisch-arabischen Zusammenarbeit ein, auf die Machtverteilung in den verschiedenen Subsystemen und existierende Positions- und Interessendivergenzen. Die zukünftige Entwicklung der europäisch-arabischen Zusammenarbeit sieht er insbesondere im integrativ angelegten Barcelona-Prozess liegen, dem er gleichzeitig ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass der Prozess 1998, zur Zeit der Redaktion, erst drei Jahre alt war und noch nicht viele konkrete Ergebnisse vorliegen konnten.

Es handelt sich um eine deskriptiv angelegte Überblickarbeit, die in sich geschlossen, vollständig und ausgewogen ist, mit der Einschränkung, dass sie chronologisch leider bereits 1998 endet. Diese Vorgehensweise ist insofern als positiv zu bewerten, als derartige komplette Arbeiten zur euro-arabischen Zusammenarbeit in der deutschen Forschungslandschaft nur sehr wenig existieren, diese jedoch für Studierende der Politikwissenschaft oft notwendige Basisliteratur darstellen.

Redaktion
Veröffentlicht am
08.07.2005
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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