Der am 5. Februar 1810 in Prag geborene Johann Wilhelm Helfer erwarb sich trotz seines frühen Todes am 30. Januar 1840 auf den Andamanen (heute zu Indien gehörend) durch einen Giftpfeil die Anerkennung der geografischen Wissenschaften. Helfer ist vor allem als deutscher Teilnehmer der 1836 von Colonel Chesney geführten Expedition auf dem Euphrat bekannt geworden.
Das Medzinstudium in Prag, Wien und Pavia schloss Helfer 1832 mit der Promotion ab. Er reiste 1835 nach Vorderasien, nahm 1836 an Chesneys Expedition teil und trat danach in den Dienst der Ostindischen Kompanie, in deren Auftrag er die Halbinsel Malakka erforschte. Seine naturhistorischen Sammlungen gelangten zum Teil in den Besitz der Ostindischen Kompanie, zum Teil ins Prager Nationalmuseum. Ferdinand v. Hochstetter schrieb 1872 über Helfers Reisen: "Ein erhöhtes Interesse gewinnt diese Biographie und Selbstbiographie durch die spannende Erzählung der wechselvollen Ereignisse bei der von dem unlängst verstorbenen englischen Admiral (damals Oberst) Chesney geleiteten Euphrat-Expedition, an welcher Helfer und seine Frau theilnahmen, sowie durch die anschaulichen und lebendigen Schilderungen orientalischen Frauenlebens, in dessen Geheimnisse die reisende Frau Blicke thun konnte, die jedem Manne verwehrt gewesen wären." (S. VIII) Bedauernd klagte Gräfin Nostitz im Vorwort, dass die wertvollen Forschungen ihres Mannes, die für die Wissenschaft von hohem Wert gewesen wären, zum großen Teil beim Untergang des Dampfbootes "Tigris" verloren gegangen sind.
Eine zweite Sammlung verschwand auf dem Wege nach Europa. "So sind von seinen Handschriften nur ein kurzer Auszug aus seinem während der Fahrt auf dem Euphrat geführten Tagebuche, die wissenschaftliche Rapporte über Hinterindien und eine Anzahl botanischer und entomologischer Notizen vorhanden" (S. IX). Nach Überfahrt (S. 16-39) und Aufenthalt in Smyrna (S. 40-68) gelangten die Helfers nach Beirut, wo sie in der Quarantäne festgehalten wurden. Hier kam Helfer in Kontakt mit dem Besitzer eines Weinberges, einem Drusen. "Als Eigenthümer ihrer Ländereien im Gebirge betrachten sie sich wie freie Herren und bebauen dieselben mit Fleiß, wogegen die Bewohner der Ebene nur Pächter des Gouvernements sind. Obgleich sie sich äußerlich zum Islam bekennen, huldigen sie eigenen Glaubenslehren, die sie aber streng geheimhalten. Sie nehmen voll Wißbegierde an dem Unterrichte christlicher Missionare theil und haben sogar Schulen der amerikanischen Mission in ihrem Gebirgslande eingerichtet." (S. 75f.)
Während der Schilderung ihrer Flucht aus der Quarantäne räsonierten die Helfers über das tyrannische Regiment Ibrahim Paschas: "[...] ihm galt ein Menschenleben nichts; nur die Sucht, sich in Europa einen Namen zu machen und sich mit dem Nimbus europäischer Civilisation zu umgeben, bewog ihn, deren Institutionen nachzuahmen." (S. 78) Desweiteren berichteten sie über die Nusairier oder Ismaeliten. Hochinteressant ist ihr Bericht (S. 99-167) über die Landreise nach Aleppo und Birjick (Birecik). Euphorische Worte fand Pauline Nostitz über die bevorstehende erste Fahrt eines Dampfers auf dem Euphrat: "Dieses großartige und kühne Unternehmen, welches mit eiserner Beharrlichkeit durchgeführt wurde, erregte zu jener Zeit die Aufmerksamkeit der ganzen Welt; wie hätte nicht auch in Aleppo, das so sehr dabei interssirt war, die regste Theilnahme dafür herrschen sollen! Politiker und Kaufherren sahen durch eine regelmäßige Beschiffung des Euphrat für ihre Zwecke und Interessen eine neur Aera anbrechen. Die Bedeutung jedoch, die das Unternehmen in civilisatorischer Hinsicht haben, die Segnungen, die es großen und begabten Völkerschaften bringen würde, welche unter harter Bedrückung schmachten und in fanatische Irrlehren versunken sind, sein eigentlicher Zweck, jene verwüsteten, brach liegenden Länder, die einst in paradiesischer Fülle prangten, einer segensvollen Cultur wieder zu erschließen – diese großen weltbeglückenden Ideen, die wol das Herz und den Geist des Begründers durchwogt haben mögen, sie wurden und sind bis jetzt leider noch nicht im vollem Maße erkannt und zur Geltung gekommen." (S. 128) In den Einschätzungen der Lebensgewohnheiten zeigte Gräfin Nostitz keine Herablassung wie andere Reisende. Beim Besuch eines Kurdenstammes schilderte sie: "Die asiatischen Völker bewahren in allem ihren Thun und Hantieren so viel Anstand und Würde, daß nichts bei ihnen roh und gemein erscheint. Unsere Kurden bewiesen ihr Taktgefühl auch darin, daß keine Miene ihr Widerstreben verrieth, mit einer Frau gemeinsam das Mahl zu nehmen, während sie doch ihre Weiber streng davon ausschließen." (S. 131) Über das antike Hierapolis, in dessen Nähe der römische Kaiser Julian den Tod fand, gelangte die Reisegruppe nach Port William, dem Feldlager von Oberst Chesneys Expedition, wo dieser "ernstlich vorschlug, wir sollten die beschwerliche Landreise nach Bassora (Basra) aufgeben und uns der Fahrt mit dem Dampfboot anschließen." (S. 139)
Die Helfers nahmen die Einladung an. Die Autorin zog später folgendes Resümee: "Soviel Trübes sich auch an diese Expedition knüpft, die uns sogar in die äußerste Lebensgefahr brachte, so erhebend und unvergeßlich wird mir die Erinnerung an dieselbe für mein ganzes Leben sein." (S. 140) Die zur Beschiffung des Euphrats vorgesehenen Dampfschiffe namens Euphrat und Tigris waren in Einzelteilen von England nach Iskenderun am Mittelmeer gebracht und von dort auf dem Landwege (110 Meilen) nach Port William transportiert worden. Tropenkrankheiten bei den Teilnehmern zwangen Johann Helfer, seinem eigentlichen Beruf als Arzt nachzugehen. In ‘Aintab beschrieb Frau Helfer das armenische Volksleben. Unter dem Kapitel "Ausflug nach dem Salzsee El-Malek" folgen wörtliche Aufzeichnungen aus Helfers Tagebuch, die dem Schiffbruch entgangen waren. Von der Ortschaft Sfira (Sfri bei Helfer) aus besuchten sie den Salzsee, der damals einen Umfang von anderthalb Tagesreisen hatte. Zweifellos bilden Helfers Schilderungen der Euphrat-Expedition den für Orientalisten interessantesten Teil des Buches. Am 16. März 1836 schwamm das Dampfboot Euphrat endlich auf dem gleichnamigen Fluss. Doch die Expedition stand unter keinem guten Stern. Schon die erste Fahrt auf dem Fluss ergab, dass das Boot der mächtigen Strömung nicht gewachsen war. Mehrfach saßen die Boote auf Sandbänken fest. Am 22. März stellte Pauline Helfer erleichtert fest: "Nach drei Tagen vergeblichen Harrens hatte der Regen endlich den Schnee im Gebirge geschmolzen und den Fluß so angeschwellt, daß unser Schiff sich zu heben anfing. Schon gestern Abend wurde das sonst klare helle Wasser gelb und trübe, und einige leise Bewegungen des Bootes verriethen sein Steigen." (S. 198) Die Expedition besuchte dann Dscharabulus (Karkemisch), das knapp 80 Jahre später von Wolley und T. E. Lawrence ausgegraben wurde. Helfer schilderte ausführlich die Schwierigkeiten der Flussfahrt und seine Ausflüge zu Ruinenstätten in Flussnähe wie Qalaat en-Nedschm. Breiten Raum nehmen auch Helfers Begegnungen mit den Bewohnern des Landes, Bauern und Beduinen, ein. Bei ed-Dair geriet die "Tigris" erneut auf eine Sandbank. Am 21. Mai 1836 ereilte beide Boote während eines Samums ein Unglück. Wasser drang in die "Euphrat" ein, während das Schwesterboot kenterte und 22 Besatzungsmitglieder in den Tod riss. "In einem Moment, wo der Sturm den dichtfallenden Sand zertheilte, sahen wir den Tigris in der Entfernung von kaum zehn Minuten anscheinend unbeweglich, aber mit zur Seite gebogenen Schornstein. Von neuem herabströmender Qualm, aus Regen, Sand und Dunst gemischt, verhüllte ihn uns abermals, um ihn nicht wieder erscheinen zu lassen – spurlos war er von den rollenden Wogen begraben!" (S. 249) Den weiteren Verlauf der Expedition beschrieb wieder Gräfin Nostitz. Die "Euphrat" erreichte nach erfolgter Reparatur ohne weitere Unglücksfälle schließlich Ana. Über Hadisa und Dschibba ging es zu den Bitumenquellen von Hit. Oberst Chesney ließ das Bitumen als Feuerungsmaterial für das übriggebliebene Dampfboot verwenden, wobei es durch Beimischung von Erde zu einer festen Masse geformt wurde. Im heute zu trauriger Berühmtheit bekannt gewordenen Faludscha legte das Boot an. Pauline Helfer skizzierte dann ihre Reise nach Bagdad, wo die britischen Offiziere unter Major Escourt beim englischen Residenten neue Geldmittel empfingen. Am 18. Juni 1836 ging die "Euphrat" auf der Reede von Basra vor Anker. Die Expedition hatte ihr Ziel erreicht. Nach einem Zwischenfall, der Pauline Helfer in Lebensgefahr gebracht hatte, gab ihr Mann seinen Plan auf, in Persien als Arzt zu arbeiten. Über Buschhir reisten die Helfers nach Kalkutta.
Der Inhalt des zweiten Teils berichtet über die Reise der Helfers von Buschhir nach Kalkutta (S. 1-23), ihren Aufenthalt in Kalkutta (S. 24-72), ihre Expedition auf dem Flusse Salween (S. 73-139), zu den drei Pagoden (S. 140-205) und ihren Aufenthalt auf dem Tenasserim-Fluss (S. 206-220). Kapitel 13 erzählt von den Arbeiten zur Errichtung einer Plantage bei Mergui (S. 221-239). Das letzte Kapitel umfasst Helfers Inselreisen und sein Tod durch einen Giftpfeil (S. 240-262). Im Anhang zeichnete die Autorin ihr weiteres Leben auf. Im Nachwort umreißen die Herausgeber Brigitte und Barbara Frank ihre Beweggründe für die Neuedition des Buches: "Daß es zur Wiederauflage dieses Buches kommt, ist unserer Mutter, Erika Frank, geb. Münckner, zu verdanken. Sie hat die Erinnerung an ihre Urgroßtante, Gräfin Pauline Nostiz, verw. Helfer, geb. des Granges, bewahrt, die in der Familie als "Tante Pauline" eine beson-dere Rolle spielte." (Nachwort) Aus dem Familienbesitz der Franks stammen auch die Aquarelle der Helfers, die der Neuedition beigefügt sind. An wissenschaftlicher Literatur von und über Helfer ist die zweite Auflage der "Erdkunde" von Carl Ritter von 1843 und 1844 zu erwähnen, in der er die wissenschaftlichen Ergebnisse der Euphratexpedition von Chesney auswertet. Für die späteren südostasiatischen Reisen standen Helfers Berichte an die Ostindien-Kompanie zur Verfügung. Gräfin Nostitz verbrachte ihre letzten Jahre in Meran, wo sie am 9. Juli 1882 nach Vollendung ihres achtzigsten Geburtstages starb.
Den Herausgebern und dem trafo-Verlag ist zu danken, dass sie diese hochinteressante, spannende Lektüre als Reprint neu ediert haben. Das Buch bietet nicht nur dem Liebhaber historischer Reiseberichte Wissenswertes, sondern es vermittelt dem Leser die ehrliche und aufrichtige Hoffnung der beiden Reisenden, dass Bildung und technischer Fortschritt die Lebensverhältnisse der Menschen in Vorderasien und Indien verbessern kann. Alles in allem ein ausgesprochen lesenswertes Buch.