An Einführungsbüchern für angehende Historiker herrscht wahrhaft kein Mangel, jede methodische Innovation und jede neue Generation gebiert eine Vielzahl von Publikationen, die Anleitung zum richtigen Gebrauch der historischen Methoden versprechen. Gerade in den letzten zehn Jahren hat es wieder einen Boom entsprechender Veröffentlichungen gegeben, die vor allem den cultural turn verarbeiten und das allzu enge Bündnis mit den Sozialwissenschaften zugunsten einer breiteren Koalition mit Literatur- und Bildwissenschaften und Anthropologie infrage stellen. Wie es sich für historische Methodenbücher gehört, sind sie nicht allein auf die systematische Entfaltung eines Operationsbestecks zur Durchführung einschlägiger Untersuchungen beschränkt, sondern visitieren zugleich die Historiographiegeschichte – zum einen, weil diese sich selbst in den letzten Jahren zu einer professionalisierten Subdisziplin entwickelt und auf den Markt der Aufmerksamkeit drängt, zum anderen, weil sich im Rückblick oft herausstellt, dass das vermeintlich Neue bereits mit großem Erfolg von einem vergessenen Vorläufer ausprobiert wurde, auf den sich nun eine revidierte Fachtradition berufen kann. Innovation und Beglaubigung aus Überlieferung gehen so oft Hand in Hand.
Erstaunlicherweise ist das Feld der Weltgeschichtsschreibung in diesen Handbüchern zur historischen Methode höchst stiefmütterlich behandelt worden, um nicht zu sagen, restlos übersehen worden. Drei Vermutungen drängen sich auf: Weltgeschichtsschreibung wird noch immer als literarisches Genre angesehen, dem erfahrene Meister mit individuellem Pinselschwung zur Kolorierung verhelfen, aber es entzieht sich weitgehend einer Methodologisierung. Umgekehrt schließt hier ein bereits um 1900 erhobener Vorwurf an, dass Weltgeschichte zwar etwas für das breite Publikum sei, jedoch aus dem Verwissenschaftlichungsprozess der Historiographie herausfalle, diesen sogar gehindert und blamiert habe, wo akademische Historiker dieses quasi vorwissenschaftliche Feld weiter beackert hätten. Darin drückt sich auch die Sorge aus, der Gegenstand sei zu groß, um mit den allseits beliebten Theorien mittlerer Reichweite erfasst werden zu können, woraus sich notwendigerweise die Gefahr einer Ideologisierung ergebe, der die Geschichtswissenschaft nur durch das Meiden der gefährlichen Pflaster entgehen könne. Wer dagegen solcher Verbannung der Weltgeschichte aus dem Kanon der historiographischen Bemühungen nicht folgen will, mag eine gesonderte Behandlung in Einführungen zur Methode deshalb obsolet finden, weil er (oder sie) eben gerade keinen Unterschied postulieren möchte. Die großen globalen Zusammenhänge lassen sich faktisch mit den gleichen Verfahren untersuchen wie die lokalen, regionalen oder national organisierten. Das spannungsreiche Verhältnis von Mikro und Makro taucht nicht erst auf, wenn es auf der Ebene der großen weiten Welt verhandelt wird, sondern stellt sich bereits, wenn der detailreich rekonstruierbare Kontext der Familie, des Dorfes, des Stadtviertels oder des Betriebes überschritten wird.
Gegen diese Annahmen hat sich in den letzten Jahren eine neue Bewegung der Welt- und Globalgeschichtsschreibung in Marsch gesetzt, die von der Annahme ausgeht, dass eine erneuerte Untersuchung globaler Zusammenhänge nicht nur angesagt, notwendig und möglich sei, sondern auch ein ganz eigenes Set an Verfahren der Gegenstandsbestimmung und der Analyse benötige. Die Kernthese lautet, dass Globalgeschichte sich nicht im Großgemälde erschöpfe, sondern Aspekte zerlegbar sei, deren Erforschung sich nicht länger einer methodischen Kontrolle entziehen würde. Die Formulierung dieser Methodologie stecke allerdings noch in den Kinderschuhen, da gerade eine erste Generation von Forschern ihre Erfahrungen reflektiere und versuche zu verallgemeinern.
Die australische Historikerin Marnie Hughes-Warrington von der Macquarie University in Sydney, die seit mehreren Jahren durch reizvolle Wiederentdeckungen den Kanon der seit dem 18. Jahrhundert bekannten Weltgeschichten erweitert und eine reiche Erfahrung mit Kursen zum Thema Weltgeschichte hat, füllt die Marktlücke mit einem gut komponierten Buch, das zur Verwendung im Unterricht für künftige Historiker nur empfohlen werden kann. Die einzelnen Kapitel, durchweg von Hochschullehren geschrieben, die im angelsächsischen Raum seit längerem zu diesem Feld publizieren und lehren, führen kenntnisreich in das Dickicht eines Begriffsdurcheinander von Welt-, Global, neuer Global- und Universalgeschichte (Bruce Mazlish), plädieren für eine eigene Methodologie der Weltgeschichtsforschung (Patrick Manning), halten dabei die Frage des zeitlichen wie räumlichen Maßstabs für die zentrale Problematik (David Christian), wenden sich den schwierigen Fragen einer globalen Periodisierung zu (Craig Benjamin), gehen den narratologischen Implikationen nach (Marnie Hughes-Warrington), tragen Überlegungen zum Verhältnis von Moderne und Postmoderne einerseits und dem Übergang von älterer Universalgeschichte und heutigen Entwürfen einer multikulturell Weltgeschichte vor (Ricardo Duchesne und Michael Lang), fragen nach der Rolle von Gender (Judith P. Zinsser) und Umwelt (J. Donald Hughes) in einer erneuerten Geschichtsschreibung, die sich nicht mehr mit nationalen oder kontinentalen Abteilungen des historischen Prozesses zufrieden gibt. Schließlich gehen zwei Kapitel dem Zusammenhang von Weltgeschichtsschreibung und Publikum nach, wobei die Herausgeberin Fragen nach unterschiedlichen kulturell geprägten Perzeptionen und die Konkurrenz von fiktionalen Weltdeutungen für die akademische Weltgeschichtsschreibung aufwirft, während Deborah Smith Johnston das Verhältnis von historischer Sekundarschul- und Hochschulbildung in einem Zeitalter der Globalisierung behandelt.
Zweifellos lassen sich zu dieser Agenda zahlreiche Erweiterungen denken – Wirtschafts- und Technologiegeschichte verdienten ebenso ein separates Kapitel wie die präzisere Erfassung kultureller Interaktionen als Basis einer sich langsam zur Globalgeschichte entfaltenden Weltgeschichte. Krieg, Waffenhandel, Schmuggel, die Geschichte der Epidemien; Probleme des Völkerrechts, der internationalen Organisationen usw. – man käme schnell zu einem ziemlich unhandlichen Kompendium. Im Laufe der Zeit wird diesem Pionierband gewisslich so manches Konkurrenzprodukt zur Seite treten. Doch damit ist bereits der große Vorzug dieses („natürlich“ allein auf englischsprachige Quellen und Studien gegründeten) Werkes benannt. Es beflügelt die Ausbildung von Historikern im Fach World History, das immer mehr an Raum gewinnt in den Hochschulen dieser Welt. Manning macht auf das zentrale Problem dieses neu entdeckten Forschungsbereiches besonders eindringlich aufmerksam: Während die Nationalgeschichtsschreibung aus dem engen Bündnis von Staat, Universitäten und Archiven hervorgegangen ist und in aller Regel (ebenso wie die historische Untersuchung kleinerer Territorien) über geschlossene Quellenkorpora verfügt, die sich aus der Überlieferung ergeben und in den Archiven gut zugänglich erhalten haben, kann sich eine Weltgeschichte nur insoweit auf diese Basis stützen, wie sie kontrolliert komparatistisch vorgeht. Folgt sie aber den transnationalen Netzen und Verflechtungen, ist sie schnell mit einer Datenbasis konfrontiert, die sich durch große und auf den ersten Blick methodisch kaum beherrschbare Heterogenität auszeichnet. Diese Heterogenität zu ignorieren, führt in aller Regel in die Falle des methodischen Nationalismus, der jene Studien kennzeichnet, die zwar Themen, die den Rahmen eines einzelnen Nationalstaates übersteigen, wählen, aber dabei doch die Nation, den Nationalstaat, bzw. dessen statistische und administrative Überlieferung zum unhinterfragten Ausgangspunkt machen.
Alle Autoren dieses Bandes eint die Überzeugung, dass es lohnt, diese Schwierigkeiten anzugehen und „(to) break out of the restricted range of scales that had become the norm within historical scholarship in the nineteenth and twenteeth centuries“, wie es David Christian formuliert (S. 82). Die Entwicklung geeigneter Verfahren hängt allerdings auch davon ab, wie radikal mit der bisherigen Praxis (und den Normen) innerhalb des Faches gebrochen werden soll.
Damit wird dem Nachdenken darüber, was wir eigentlich unter einer für unsere Zeit angemessenen Weltgeschichte verstehen wollen und wie sie gelehrt werden soll, überhaupt erst die signifikante Basis gegeben: Eine neue Generation von Studierenden, für die Weltgeschichte selbstverständlicher Teil der Ausbildung ist, dessen besondere Methodologie ihren Platz neben dem Studium der regionalen und nationalen Überlieferung hat.