„Insgesamt betrachtet weisen die im vorliegenden Band untersuchten Verwaltungsreformen keine exotischen Kennzeichen aus.“ (S. X) – Ein Buch, dessen Herausgeber sich derart unaufgeregt gibt, gewinnt von vornherein Vertrauen. In diesem Fall zu Recht. Der Band versammelt eine thematisch weit gestreute Reihe von Aufsätzen und Forschungsberichten zur Verwaltungsgeschichte, die zweierlei verbindet: Erstens weisen alle Untersuchungsgegenstände einen mehr oder weniger langen Küstenstrich Ostsee auf; zweitens sind die Untersuchungen selbst durchweg solide gearbeitet.
Ragende Thesen findet man weder im Einzelnen, noch in einem Fazit, ebensowenig eine verbindende, etwa vergleichende oder systematisierende Absicht: Der beste Dienst, den eine Rezension hier leisten kann, ist die Vorstellung des Inhaltsverzeichnisses – es hängt unten an. Hinter den Titeln verbergen sich zumeist weiterführende Darstellungen der Sachverhalte bzw. verdienstvolle Forschungsberichte, im allgemeinen unter Ausweisung des systematischen Orts der Befunde.
Im Einzelfall mag man ein jüngeres Buch zum Thema vermissen, eine einschlägige Meinung – Quisquilien. Summarisch bemerkenswert scheint hingegen eine durchgängige Sparsamkeit unter den Kategorien Krise und Dysfunktion zugunsten einer Betonung von Kontinuitäten, mählichen Wandlungserfolgen und alles in allem funktional gelungener Adaption. Sie geht einher mit der bereits im Editorial anklingenden – oben zitierten – ‚Normalisierung’ der Thesenbildung, die im Konkreten eher Varianten als Aberrationen von Großprozessen (Veranstaltsstaatlichung, Gewaltenteilung / funktionale Differenzierung, Wohlfahrtsstaat, New Liberalism) ausmacht und beschreibt. Diese Prozesse wiederum werden als heuristische Muster verwandt, ohne daß die Autoren sich deren Diskussion auf starke Theorien hin angelegen sein ließen.
Das wäre denn auch der hauptsächliche Einwand: Vielleicht ließe sich aus einem eher thematischen, weniger regionalkonstruktiven Ansatz mehr Erkenntnis schlagen, indem die Herausgeber Prozeß über Vorgang, Topos über Ort setzten – eine Frage stellten, statt gute Texte um einen gut schiffbaren, 422 000 Quadratkilometer großen Austauschkanal von durchschnittlich acht Promille Salzgehalt zu versammeln: „Transfer“ etwa, gegenseitige Beeinflussung, die Begründung der Konvergenz der Muster ließe sich aus den Nebensätzen der Beiträge in ihren Fokus rücken. So aber liest sich der Einstieg zu Dieter Schimankes Beitrag, dem vielleicht schwächsten des Bandes, fast als Persiflage auf die Gegenstandswahl im thematischen Korsett: „Zwei Länder der Bundesrepublik Deutschland sind Ostseeranrainer: Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.“ (S. 235) Also werden die beiden vergleichend untersucht, zu einem durchaus faden Ergebnis (S. 256). Zumal für ein aus der Sache motiviertes Jahrbuch böte sich ein anderer approach an. ¬− Aber dies erscheint doch sehr unfair: Die Beiträge jeder für sich, wie gesagt, sind instruktiv. Hier die Liste:
Aufsätze (teilw. Kurztitel):
Heyen, E.; Inachin, K. T. , Verwaltungsreform im Grenzraum. Vorpommern im Übergang von schwedischer zu preußischer Herrschaft (1806 - 1818); Fechner, H., Funktionalreformen der Grundherrschaft in Mecklenburg 1801 - 1821. Altständische Obrigkeit auf dem Weg zum gewaltenteiligen Staat; Knudsen, T., Niedergang des Absolutismus und Aufstieg des Ministerialsystems in Dänemark 1814 – 1849; Liebing Schlaber, G., Gewaltenteilung und Verwaltungsreform in Schleswig 1831 – 1869; Nilsson, L., Städtische Verwaltungsreform und Sozialpolitik als Vorbereitung des Wohlfahrtsstaates. Stockholm und Kopenhagen 1860 – 1930; Woodworth, B. D., Administrative Reform and Social Policy. Riga and Reval, 1870 – 1914; Grøndahl, Ø. N.; Grønlie, T., From the Swedish Ideal to EU Direction. Scandinavian Central-State Administrative Reform in the 1980s and 1990s; Strohbach, A. ; Tragl, S., Reform der Ministerialverwaltung in Estland und Polen seit 1990. Systemtransformation in der Perspektive des EU-Beitritts; Schimanke, D., Verwaltungsreformen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern seit 1990.