S. Snelders: The Devil’s Anarchy

Cover
Titel
The Devil’s Anarchy. The Sea Robberies of the Most Famous Pirat Claes G. Compaen & the Very Remarkable Travels of Jan Erasmus Reyning, Buccaneer


Autor(en)
Snelders, Stephen
Erschienen
New York 2005: Autonomedia
Anzahl Seiten
212 S.
Preis
$9.95
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, Zentrum für Höhere Studien der Universität Leipzig Email:

In seinem Buch behandelt der Autor Stephen Snelders Piraten im 17. Jahrhundert mit dem Ziel, die Piraterie dieser Zeit als ein soziales Phänomen ins Auge zu nehmen. So spricht Snelders von einem „European maritime proletariat“ (S. 51) oder einem „Atlantic proletariat“ (S. IX): er interpretiert die Lebensführung unter eigenem Kommando als eine „social rebellion“, um eine alternative Gesellschaft mit eigenen sozialen Regeln aufzubauen, die als direkte Gegenreaktion auf konventionelle Lebens- und Arbeitsbedingungen besonders in der Schifffahrt zu verstehen sei. Jedoch gesteht Snelders gleich zu Beginn ein, dass diese Perspektive auf Piraterie als ein Phänomen sozialer Rebellion nicht sehr neu ist. Entsprechend begründet er an ausgewählten Stellen des Buches sein besonderes Interesse an dieser Gruppe damit, dass sie trotz eines eklatanten Bruchs mit gesellschaftlichen Regeln immer noch in einem wirtschaftlichen Austausch mit anderen Gesellschaftsgruppen stand, schiffstechnische Neuerungen brachte und auch Kontakt zu weniger bekannten indigenen Bevölkerungen in der außereuropäischen Welt herstellte.

Dieses Vorhaben realisiert Snelders, indem er in den ersten beiden Kapiteln die Biografie zweier niederländische Piraten des 17. Jahrhunderts sehr detailgetreu und anekdotenhaft erzählt. Dabei wählt er zwei Hauptpersonen aus, Claes G. Compaen und Jan Erasmus Reyning, deren Biografien in der bisherigen Forschung nur wenig oder gar nicht bekannt sind. Das dritte Kapitel widmet sich allgemeiner der Geschichte der Piraterie, indem einzelne Aspekte in größere Zusammenhänge eingebettet werden wie bspw. die Rolle von Piraten bei der Kolonialisierung der beiden Amerikas oder der Zusammenhang zwischen Hochphasen von Piraterie und der zeitweiligen Entlassung von Matrosen aus der britischen Seeflotte.

Zudem versucht das Kapitel den Leser an den Aufbau, die Regeln und die Symbole dieser „pirate culture“ (S. 205) heranzuführen. Dafür diskutiert Snelders die Entstehung und Bedeutung der Totenkopfflagge und das Verhältnis von Anarchie und Demokratie unter Piraten, um so die These von der sozialen Rebellion und der Schaffung einer sozialen Gegenwelt zu herkömmlichen sozialen Hierarchien und Konventionen in diesen Gemeinschaften noch einmal herauszuarbeiten – nicht jedoch ohne darauf hinzuweisen, dass das gewaltsame Verhalten von Piraten nicht sehr sozial war und man sich deswegen vor solchen romantischen Befreiungserzählungen hüten sollte. Wenn es auch sehr zu begrüßen ist, dass in diesem Abschnitt das Thema stärker historisch kontextualisiert und systematisiert wird, verbleibt die Darstellung aber auch hier in einer bildhaften und erzählerischen Sprache, die zwar unterhaltsam ist, aber es nur an wenigen Stellen schafft, sich von einer ereignisgeschichtlichen und sehr auf Personen zentrierten Darstellung zugunsten von methodischen Erläuterungen und einer inhaltlichen Synthese zu emanzipieren.

So bleibt die Frage, was für neue Einsichten dieses Buch dem Leser präsentiert. Auch wenn Snelders die historische Besonderheit einer solchen sozialen Gegenwelt hervorzuheben versucht und sie an einigen Stellen auch mit dem Wort Utopie verbindet, bleibt seine Darstellung zu sehr den Einzelgeschichten verhaftet und vor allem ohne eine zentrale These, als dass sie produktiv in einen weiteren historischen und systematischen Rahmen eingebettet werden könnte.

Redaktion
Veröffentlicht am
12.08.2005
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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