B. Greiner u.a.: Heiße Kriege im Kalten Krieg

Title
Heiße Kriege im Kalten Krieg.


Editor(s)
Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Walter, Dierk
Series
Studien zum Kalten Krieg 1
Published
Extent
514 S.
Price
€ 35,00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Bernd Stöver, Universität Potsdam/ Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Daß der Kalte Krieg eine totale bzw. absolute Angelegenheit war, die global geführt wurde und über seine 45 Jahre verschiedene Schwerpunkte zeigte, ist mittlerweile nicht mehr so umstritten wie noch einige Jahre zuvor. Das Hamburger Institut für Sozialforschung hat sich seit 2002 in einer Konferenzreihe mit dem programmatischen Titel „Zwischen Totalem Krieg und Kleinen Kriegen“ dem Ziel verschrieben, „jenseits der eingefahrenen Gleise der Diplomatie-, Politik- und Militärgeschichte die Epoche des Kalten Krieges hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen zivilen und militärischen Welten, von Innen- und Außenpolitik, von Sicherheitsstrategie und Wirtschaftspolitik, von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, von ‚Großwetterlagen’ und Mentalitäten“ zu untersuchen (S. 12f.). Der nun vorgelegte Sammelband „Heiße Kriege im Kalten Krieg“ ist das Ergebnis einer im Mai 2004 veranstalteten Konferenz unter dem Titel „Hot Wars in the Cold War“. Er vereinigt 16 Beiträge von denen sich die Mehrheit mit Fallstudien beschäftigt. Drei „Einführungen“ zu den Themen „Heiße Kriege im Kalten Krieg“ (Robert J. Mahon), die „Vereinigten Staaten und die Dritte Welt im Kalten Krieg“ (Marc Frey) und „Sowjetische Militärhilfe für nationale Befreiungskriege“ (Roger F. Kanet) ergänzen die Sammlung.

Die Auswahl der Fallstudien hält sich nach Darstellung der Herausgeber an „die begründete Vermutung eines ‚Anfangsverdachts’. Interessant waren für die Herausgeber diejenigen heißen Kriege, bei denen die Verortung im Kalten Krieg oberflächlich betrachtet besonders naheliegend schien, sich aber dann bei genauerer Analyse eher als fragwürdig herausstellte – oder umgekehrt“. (S. 11) Ein ausdrückliches Anliegen bestehe darin, „die in der öffentlichen Wahrnehmung des Kalten Krieges, zumal retrospektiv, dominante Logik eines bilateralen globalen Konfliktes zweier nahezu monolithischer Blöcke aufzubrechen“. (Ebd.) Dies sei auch der Grund, warum etwa der „Beinahe-Weltmacht Großbritannien“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Die im Band versammelten Beispiele schreiten in der Tat ein riesiges Gebiet ab: Den Griechischen Bürgerkrieg 1946-1949 (Jon V. Kofas), die Kolonialkriege in Malaya und Kenia, 1948-1960 (Dierck Walter), den Koreakrieg 1950-1953 (Bruce E. Bechtol), den Vietnamkonflikt zwischen 1965 und 1973 (Bernd Greiner), das Engagement der Supermächte in Afghanistan (David N. Gibbs), den Bürgerkrieg in El Salvador 1980-1992 (James S. Corum), Indonesiens Kolonialkrieg in Osttimor (Brad Simpson), die iranisch-irakischen Auseinandersetzungen von 1980 bis 1988 (Henner Fürtig), die Nahostkriege (Bruce Kuniholm) und den Konflikt in Afrika (Piero Gleijeses). Ein wenig außerhalb dieser militärischen Konfliktbetrachtung liegen die Beiträge zu Südasien (Amit Das Gupta), Ägypten (Thomas Scheben) und Südafrika (Elaine Windrich) im Kalten Krieg.

Natürlich kann man spitzfindig fragen, warum zum Beispiel der Ogaden-Konflikt, in dem, den Worten Zbigniew Brzezinski zufolge, die Entspannungspolitik der siebziger Jahre beerdigt wurde 1, in der Sammlung nicht vorkommt. Aber mit derselben Berechtigung könnte man auch eine Reihe andere „Kleiner Kriege“ nennen. Eine Auswahl aus den 150 Konflikten nach 1945 bis 1990, die die Herausgeber gezählt haben, ist natürlich zwingend notwendig.

Wie der Kalte Krieg in diese Konflikte eingebunden war, ist einmal direkter, einmal indirekter zu erkennen und gerade dies ist die Herausforderung für den Historiker. Die Einführungen von Robert J. McMahon, Marc Frey und Robert E. Kanet machen dies auf dreifache Weise deutlich. Die Analyse von McMahon zu den „Heißen Kriegen im Kalten Krieg“ zeigt anhand der Entstehung einer „Dritten Welt“, daß diese durchaus nicht nur als Resultat der Dekolonisierung zu sehen ist, sondern zentral mit dem Kalten Krieg verbunden war. Ohne die Herausbildung einer bipolaren Weltordnung nach 1945, so seine These, wäre der Begriff einer „Dritten Welt“, jenseits der Blöcke wohl kaum in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Das Wort war dabei nicht zufällig an das des „Dritten Weges“ angelehnt. Die Dritte Welt wollte nicht „Spielball fremder Mächte sein“, wie Nehru auf der berühmten Bandung-Konferenz der Blockfreienbewegung 1955 formulierte, sondern das Schicksal in die eigenen Hände nehmen. (S. 18) Wo die Interessen der USA lagen, macht der Beitrag Freys sichtbar: „Die amerikanische Politik gegenüber der Dritten Welt zielte auf die Etablierung eines ‚informellen Imperiums’, eines Netzwerkes interaktiver Beziehungen, die durch unterschiedliche Mechanismen der Steuerung zusammengehalten wurden und die dem Zweck dienten, ein globales Staatensystem zu schaffen, das amerikanischer Sicherheit und amerikanischen Interessen zugänglich war“. (S. 38) Dafür investierten die Amerikaner Milliarden in Regionen, in denen sie glaubten, daß der Kommunismus auf dem Vormarsch sei und alles Unterlassen dem Dominoeffekt dienen würde. Kanets Beitrag zur sowjetischen Militärhilfe für nationale Befreiungskriege macht sichtbar, wie wenig sich die UdSSR in diesem Mechanismus der Machtsicherung von den USA unterschied. Schon beim jugoslawischen Weg 1948, und dann wieder bei den Aufständen in der DDR und Ungarn in den fünfziger Jahren spielte eine sowjetische Version der „Dominotheorie“ eine nicht zu unterschätzende Rolle in der außenpolitischen Entscheidungsfindung. In Moskau befürchtete man eine zu nachgiebige Haltung gegenüber abweichenden Meinungen könnten andere Länder im sowjetischen Machbereich ermutigen, eigene Wege zu verfolgen. Ausdrücklich galt die „Friedliche Koexistenz“, die Chruschtschow ansonsten als Richtlinie zwischen den Supermächten eingehalten wissen wollte, nicht für die Dritte Welt. Seit 1961 war zudem eine „Theorie der nicht-kapitalistischen Entwicklung“ im KPdSU-Programm verankert. Sie teilte die Entwicklungsländer in drei Kategorien ein, nach denen die Höhe der „Bruderhilfen“ festgelegt wurde und nach denen dann schließlich auch militärische Eingriffe stattfanden.

Wo die heißesten Kriege der „Heißen Kriege im Kalten Krieg“ stattfanden, ist nicht einfach zu beantworten. Kandidaten dafür sind sicherlich der Vietnamkrieg, der Angola-Konflikt und der Afghanistan-Krieg. Der Beitrag von Peiro Gleijeses nimmt sich einen der am längsten andauernden Konflikte des Kalten Krieges vor, den Angola-Konflikt, und untersucht hier die Rolle der kubanischen Hilfsleistungen. Bereits 1961 war es in Angola zu mehreren Angriffen der MPLA gegen portugiesische Einrichtungen gekommen, die mit Tausenden von Toten geendet hatten. Seit 1966 griff die MPLA aus dem östlich gelegenen Sambia an und konnte bis 1972 rund zwei Drittel angolanischen Territoriums kontrollieren, obwohl Portugal mit massivem Materialeinsatz reagierte. Auf der Seite der MPLA kämpften im Bürgerkrieg seit 1975 dann auch etwa 15.000 Kubaner, die wiederum erst mit erheblicher logistischer Unterstützung der Sowjetunion in die Auseinandersetzungen eingreifen konnten. Es war vor allem ihr Einsatz, aber auch das im selben Jahr durch den US-Kongreß ausgesprochene Verbot für die amerikanische Regierung, die angolanischen Kriegsparteien weiter zu unterstützen (Clark Amendment), die 1976 zunächst die Entscheidung für die MPLA brachten. Gleijeses Artikel zeigt insbesondere die weitgehend unbekannten internen Auseinandersetzungen dieses Konflikts anhand kubanischer Quellen und kommt dabei im Anschluß an einen Satz Nelson Mandelas zu einer sehr persönlichen, positiven Bilanz, die allerdings im Gegensatz zur überwiegenden Forschungsmeinung steht: „Welch anderes Land kann auf eine vergleichbare Bilanz an Selbstlosigkeit verweisen, wie sie Kuba in seinen Beziehungen zu Afrika bewiesen hat.“ (S. 510)

Zusammenfassend zeigt sich der von Bernd Greiner, Christian Müller und Dierck Walter herausgegebene Sammelband zu den Heißen Kriegen im Kalten Krieg als ein Kaleidoskop der militärischen Auseinandersetzungen im globalen Konflikt der Supermächte, der seine Bedeutung vor allem daraus zieht, daß er die bislang weitgehend vernachlässigten oder Spezialstudien überlassenen Aspekte einbezieht. Der Band ist ein wichtiger Schritt zu einem besseren Verständnis der globalen Aspekte des Kalten Krieges.

Anmerkung:
1 Brzezinski, Z., Power and Principle, Memoirs of the National Security Adviser 1977-1981, New York 1983, S. 189.

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05.10.2006
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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