In the following you find a report on the session "Cultural and Political History of International Organizations" of the Second European Congress on World and Global History. The general aim and structure of the congress are described at: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2309>
Session: Cultural and Political History of International Organizations
Report by Isabella Löhr, Historisches Seminar Heidelberg
Die Sektion „Cultural and Political History of International Organizations“ trug der immer öfter zu hörenden Forderung Rechnung, bei der Auseinandersetzung mit sozialen, wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Prozessen in globaler Perspektive auch internationale Organisationen in den Blick zu nehmen und sie als historische Triebkräfte zu begreifen, die entweder aktiv zur Gestaltung globaler Politikprozesse beitragen oder den institutionellen Rahmen für die kontroverse Aushandlung von Normen bieten, deren Umsetzung in gesellschaftliche und politische Praxis sowie die daraus resultierende Verschiebung von Machtverhältnissen begleiten.
Zwei Panels dieser Sektion thematisierten die Bedeutung internationaler Organisationen für die Globalgeschichte expressis verbis. Unter der Leitung von MADELEINE HERREN (Heidelberg) widmete sich eine Gruppe junger Wissenschaftler dem Völkerbund. Bereits der Titel des Panels „Politik der Translation“ offenbarte das programmatische Anliegen, den Völkerbund aus der Vorherrschaft einer auf staatliche Außenpolitik fokussierten historischen Forschung zu befreien und ihn stattdessen als einen mehrdimensionalen Interaktionsraum zu fassen, in dessen Grenzen eindeutige Demarkationen zwischen Diplomatie und Zivilgesellschaft sowie zwischen Staatlichkeit, Inter-Nationalität und außerstaatlichen Netzwerken verschwimmen. Wie Madeleine Herren in ihrer Einleitung verdeutlichte, lenkt ein solches Herangehen den Blick von den politischen Merkmalen einer intergouvernementalen Institution hin zu den politischen Akteuren, indem sowohl die Bedeutung ihres gleichzeitigen Handelns auf nationaler und internationaler Ebene als auch ihre Einbettung in verschiedene transnationale Netzwerke für die Formulierung politischer Agenden in den einzelnen Völkerbundsorganisationen ins Zentrum rückt. Die drei Vorträge zur internationalen Regulierung von Tierseuchen (CORNELIA KNAB, Heidelberg), zur Gleichzeitigkeit von institutionellen und persönlichen Netzwerken als zentrales Merkmal der sozial und kulturell spezialisierten Völkerbundsorganisationen (CHRISTIANE SIBILLE, Heidelberg) und zur Presseabteilung des Völkerbundes (FRANK BEYERSDORF, Mannheim) folgten diesem Anliegen. Die Vorträge zeigten, wie vor allem zivilgesellschaftliche Akteure die Völkerbundsorgane zu nutzen wussten, um Netzwerke mit globaler Reichweite aufzubauen, öffentlichkeitswirksam für die Internationalisierung von Problemlösungsstrategien zu werben und Diplomaten in diese transnationalen Netzwerke einzubinden um so Einfluss auf die Agenda des Völkerbundes zu nehmen. Wenngleich das Panel eindeutig für eine Problematisierung internationaler Organisationen aus der Perspektive transnationaler Netzwerke eintrat, blieb in der Diskussion der kritische Hinweis nicht aus, dass die politische Instrumentalisierung internationaler Organisationen durch außenpolitische Interessen einzelner Staaten sowie ihre Unterwanderung durch nationalistische Bewegungen nicht übersehen werden dürfe.
Das zweite von KLAAS DYKMANN (Leipzig) und der Verfasserin organisierte Panel über die Rolle internationaler Organisationen für und in Globalisierungsprozesse(n) näherte sich dem Gegenstand mit ähnlichen Fragen. Zur Diskussion stand das gesamte 20. Jahrhundert und die Fähigkeit internationaler Organisationen, Normen zu setzen, sie auf globaler Ebene zu verankern und in diesem Sinne als eigenständige, globale Akteure aufzutreten. SUSAN PEDERSEN (New York) setzte sich mit dem Mandatssystem des Völkerbundes und der Frage auseinander, inwieweit die Mandatskommission die koloniale Weltordnung nach 1918 im Sinne von Frankreich und Großbritannien stützte oder aber sie durch eine neue Form einer sich demokratisierenden Berichterstattung ins Wanken brachte. Wenngleich die Mandatskommission die politische Kontrolle den Mandats- und damit den ehemaligen Kolonialmächten selbst überlassen musste, strich Pedersen als entscheidende Qualität des Völkerbundes seine Fähigkeit heraus, Normen für einen ‚gerechten’ Umgang mit den Mandatsgebieten und ihr Recht auf Selbstbestimmung so zu popularisieren, dass die Mandatsmächte nicht umhin kamen, sich in den Foren des Völkerbundes zu rechtfertigen und wenigstens teilweise auf die internationale Kritik mit praktischen Maßnahmen zu reagieren. Diesen Aspekt der Normsetzung und internationalen Verbreitung einer good governance betonte auch RICHARD JOLLY (Brighton) im Hinblick auf die Vereinten Nationen. Sein Argument lautete, dass es der UNO trotz ihrer partiellen politischen Handlungsunfähigkeit zuzuschreiben sei, dass sich seit 1946 Themen wie Menschenrechte, Frauen- und Kinderrechte, Entwicklungshilfe etc. durch Institutionalisierung in Spezialorganisationen, agenda-setting und Koalitionsbildung als einen zumindest auf diskursiver Ebene unhintergehbaren internationalen Standard etabliert habe. Madeleine Herren (Heidelberg) konzentrierte sich schließlich auf den schillernden Charakter internationaler Organisationen, indem sie die feine Linie zwischen der Universalisierung sozialer, wirtschaftlicher, politischer, kultureller und rechtlicher Normen und der gleichzeitigen Instrumentalisierung internationaler Organisationen für nationalstaatliche Einzelanliegen problematisierte. Diese Doppelbödigkeit ergänzte sie durch einen postkolonialen Blick, indem sie die politischen Organisationsformen und Themen internationaler Organisationen einem westlichen Politik-, Demokratie- und Staatsverständnis zuordnete, das internationale Organisationen durch ihre eigene politische Praxis und zu Ungunsten alternativer politischer Organisationsformen als weltweiten Standard etabliert haben. Einigkeit herrschte darüber, dass intergouvernementalen Organisationen eine zwiespältige Rolle im 20. Jahrhundert zukommt, weil sie sich teilweise widersprechende Funktionen erfüllten: die Propagierung universaler demokratischer Werte, die Aufrechterhaltung politischer Machtgefälle und die weltweite Verbreitung und Verankerung westlicher Wertemuster.
Die Panels "Civilizing Nature. Towards a History of National Parks“ (Chair: PATRICK KUPPER, Zürich und CHRISTOF MAUCH, München) und „The Propertization of Culture. The International Governance of Intellectual Property Rights“ (unter der Leitung von HANNES SIEGRIST, Leipzig) brachten mit Natur und geistigen Eigentumsrechten zwei Gegenstände auf die Tagesordnung, für die Regelsysteme und Ordnungsentwürfe auf globaler Ebene notwendig sind, weil die Indifferenz von Natur und Informationsflüssen gegenüber Grenzen und Grenzziehungen sie einer ausschließlich nationalen Kontrolle weitestgehend entzieht. Der Ansatzpunkt des Panels „Civilizing Nature“, Nationalparks und damit einen scheinbar ‚unglobalen’ Gegenstand ins Zentrum zu rücken, erwies sich als fruchtbar, weil alle Vorträge Nationalparks als Ergebnis einer internationaler Auseinandersetzungen über den Umgang mit Natur vorstellten. Patrick Kupper (Zürich) zeigte, wie das heute universalisierte und ursprünglich dem Yellow Stone National Park in den USA zugeschriebene Modell des Nationalparks tatsächlich als Produkt einer engen Zusammenarbeit europäischer und nordamerikanischer Naturschützer und folglich eher als Ergebnis eines dichten und wechselseitigen Kulturtransfers beschrieben werden kann. BERNHARD GISSIBL (Mannheim) argumentierte, dass die deutschen Versuche, Nationalparks anzulegen und eine typisch deutsche Naturlandschaft zu schaffen, bis 1914 maßgeblich auf den Erfahrungen im Umgang mit Natur und Wildtieren in den afrikanischen Kolonien beruhten. So sprach er von einem „African blueprint“, der die Natur- und Umweltbewegung in Deutschland geprägt habe. Anna-KATHARINA WÖBSE (Bremen) zeigte schließlich, dass die unterschiedlichen Versuche Natur zu nationalisieren spätestens seit der Gründung des Völkerbundes zugleich immer in eine Internationalisierung des Modells Nationalpark eingebettet waren. Die besondere Leistung des Völkerbundes und später der UNESCO bestand dabei weniger in der Ausarbeitung konkreter inhaltlicher Vorgaben. Vielmehr setzten sie die Diskussion um Naturschutz auf die internationale Agenda, moralisierten sie und verliehen ihr damit eine politische Zugkraft, die sie vorher nicht besaß. Damit, so Wöbse, erfüllten Völkerbund und UNESCO vor allem die Funktion der Normsetzung, nämlich den Schutz von Natur in Form von Nationalparks als dominantes und sich schließlich weltweit durchsetzendes Modell zu etablieren.
Das Panel zur Internationalisierung geistiger Eigentumsrechte widmete sich im Vergleich zum vorherigen Panel nicht der Kristallisierung nationaler Modelle als Ergebnis einer trans- und internationalen Praxis, sondern dem Versuch, internationale Informations- und Güterflüsse durch ihre Überführung in ein international sanktioniertes Eigentumsregime zu kontrollieren und zu verrechtlichen, ein Prozess, den Hannes Siegrist in seiner Einleitung als Propertisierung kultureller Handlungsrechte bezeichnete. LIONEL BENTLY (Cambridge) zeigte, wie Großbritannien vor 1914 das copyright benutzte, um die potentielle Destabilisierung seiner Kolonialherrschaft wegen neuer Kommunikationsmedien (bspw. Telegraph) durch die Ausweitung geistiger Eigentumsrechte abzuwenden. Dabei zeigte er anschaulich die Konflikte auf, die eine politisch motivierte Überführung von Kommunikations- und Informationsflüssen in Eigentumsrechte innerhalb des Empires mit sich brachte: Gegeneinander standen erstens geistige Eigentumsrechte als Zensur- und Kontrollinstrumente einerseits und der gleichzeitige Wunsch nach Ausbau und Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur in den Kolonien andererseits, was copyright und Informationsrecht bisweilen behinderten; zweitens die Kommerzialisierung des Buch- und Pressemarktes, bei der die Interessen der Verlage im Mutterland und den Kolonien miteinander in Widerstreit gerieten; und drittens Lernprozesse zwischen den britischen Kolonien in der Frage nach der Gestaltung von Informations- und Pressegesetzen, die ein einfaches Zentrum-Peripherie-Modell in Frage stellen. MARGRIT SECKELMANN (Speyer) und ISABELLA LÖHR (Leipzig) betrachteten die Entstehung eines internationalen Rechtsschutzes geistigen Eigentums seit dem späten 19. Jahrhundert. Während Margrit Seckelmann das Patentrecht thematisierte, indem sie die sukzessive Ausweitung der Reichweite und Inhalte des internationalen Erfinderschutzes zwischen den 1880er Jahren und der WTO in den 1990er Jahren skizzierte, zeigte Isabella Löhr, dass die Internationalisierung von Urheberrechten unauflösbar mit der Gründung internationaler Organisationen verbunden war, die die neuen Abkommen nicht nur verwalteten, sondern zugleich maßgeblichen Einfluss auf ihre inhaltliche Gestaltung ausübten. SABIL FRANCIS (Leipzig / Wien) diskutierte schließlich die Grenzen von Propertisierungsprozessen. Am Beispiel von Patenten auf pharmazeutische Pflanzen in Indien zeigte er, wie das westliche Modell, Eigentumsrechte an Erfindungen zu beanspruchen, in Konflikt gerät mit einem traditionellen, in die jeweilige Gemeinschaft eingebetteten Wissenserwerb, ein Konflikt, den die Unterschiedlichkeit der vorhandenen Regelungsinstrumente der World Trade Organization, der Convention of Biodiversity und Praxismodelle wie das benefit sharing weiter verschärfen.
Das Panel über theoretische Probleme einer Geschichte der Globalisierung widmete sich schließlich der Problematik, wie Phänomene der Grenzüberschreitung methodisch und theoretisch konzeptionalisiert werden können ohne eine jeweils spezifische Raumordnung als gegeben und ‚selbstverständlich’ vorauszusetzen. ADAM MCKEOWN (New York) diskutierte das Verhältnis von Migration zu Nationalstaat, Grenzziehung und Grenzüberschreitung; BERTHOLD MOLDEN (Wien) warf die Frage nach den Akteuren und Trägern eines kollektiven globalen Gedächtnisses sowie den Widerstreit zwischen konkurrierenden mental maps auf und DIEGO OLSTEIN (Jerusalem) diskutierte anhand eines politikwissenschaftlichen Regimebegriffs das Verhältnis von Staaten und Weltsystem.
Program of the Session:
Panel: Politik der Translation: Völkerbund und Zivilgesellschaft, chair: Madeleine Herren, Universität Heidelberg, DE
Madeleine Herren und Christoph Meigen: "Grenzen und Möglichkeiten der Rekonstruktion historischer Netzwerke"
Frank Beyersdorf: "Informationspolitik"
Christiane Sibille: "Der Klang des Globalen"
Cornelia Knab: "Seuchenbekämpfung zwischen Kooperation und Quarantäne"
Panel: International Organisations in Global History: Driving Forces, Venue or rather the Consequence of Competing World Orders?, chairs: Klaas Dykmann, Universität Leipzig, DE / Isabella Löhr, Universität Leipzig, DE
Eckhardt Fuchs: "Multilateral Education and the Rights of Children"
Susan Pedersen: “Governing empires under the scrutiny of the League of Nations”
Richard Jolly: “How UN Ideas have changed history”
Panel: Civilizing Nature: Towards a Global History of National Parks, chairs: Patrick Kupper, ETH Zürich, CH/ Christof Mauch, Universität München, DE
Christof Mauch: "World Orders in Global Environmental History"
Patrick Kupper: "National Parks in the United States and Europe"
Bernhard Gissibl: "National Parks and Wildlife Preservation in German History"
Anna-Katharina Wöbse: "Framing the Heritage of Mankind: National Parks and Global Reserves on the International Agenda"
Greg Bankoff: "Making Parks out of Making Wars: Nature Conservation and the Legacy of Conflict"
Panel: The Propertization of Culture. The International Governance of Intellectual Property Rights, chairs: Hannes Siegrist, Universität Leipzig, DE / Isabella Löhr, Universität Leipzig, DE
Lionel Bently: "Commodification of Information in the British Empire"
SABIL Francis: "Propertization and Culture: Reconfiguring notions of Identity—The Case of the Aryogyapacha, Kerala, India"
Panel: Theoretical Problems of a History of Globalization, chair: Steffi Franke, GWZO an der Universität Leipzig, DE
Adam McKeown: "Putting the ‘Global’ and ‘-ation’ into Globalization"
Berthold Molden: "Towards a Global History of the Politics of History. An Empirical Critique of Universalism in Social Memory Theory"
Diego Olstein: "World Orders and Political Regimes"
Horst Jesse: "Die Marktwirtschaftsordnung bei Adam Smith und Amartya Sen als Wege zu Gerechtigkeit und Solidaität in der Welt"