Besprochene Sektionen:
"Raum und Imperium. Kommunikationsgeschichte in Europa im langen 19. Jahrhundert"
"Räumliche Ubiquität und kommunikative Lebensformen: Europäische Judenheiten zwischen Imperien, Nationalstaaten und Diaspora"
"Die islamische Welt als translokaler Handlungs- und Kommunikationsraum in der Neuzeit"
"Normen, Netzwerke und Zivilisationen in der internationalen Geschichte (Neuzeit)"
"Wo?" - so könnte eine sehr kurze Version der folgenden Ausführungen über "Transnationale Geschichte auf dem Historikertag" auch lauten; glücklicherweise hieß die Themenvorgabe für diesen Querschnittsbericht nicht etwa "Alte Politikgeschichte auf dem Historikertag" oder "Untertheoretisierte Raumbegriffe auf dem Historikertag", denn dann hätte der Text wirklich umfangreich ausfallen müssen. Wer sich hingegen vornimmt, von einem deutschen Historikertag über "Transnationale Geschichte" zu berichten, läuft nach wie vor keine Gefahr, sich zu überarbeiten. So viel ist leider immer noch sicher.
Noch besser hätte man es vermutlich nur mit "Außereuropäische Geschichte auf dem Historikertag" treffen können, und das ist Teil eines mittlerweile hinlänglich bekannten und diskutierten Problems. Eine Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats, welche die vielfältigen Austausch- und Interaktionsbeziehungen zwischen vermeintlich abgegrenzten Entitäten in den Blick nimmt und ihre Fragen quer zu den Nationalgeschichten stellt, ist als methodisches Konzept nicht notwendigerweise auf Themen der außereuropäischen Geschichte festgelegt, sondern kann unter bestimmten Gesichtspunkten ebenso gewinnbringend innerhalb von Raumeinheiten wie "Europa" oder "Asien" praktiziert werden. Nur darf dabei, erstens, nicht übersehen werden, dass jene Interaktions- und Beziehungsräume, die durch transnationale Bezüge überhaupt erst konstituiert werden, oftmals eben mit den gesetzten geografischen Analyseeinheiten nicht in Deckung zu bringen sind. Zudem erschließt sich die Genealogie etwa der europäischen Moderne, zweitens, vielfach erst durch Bezüge und Verflechtungen zwischen Weltregionen, und diese globalgeschichtliche Dimension der transnationalen Geschichte fehlte auf dem 45. Deutschen Historikertag in Kiel nahezu gänzlich.
Was blieb also anderes übrig als der Versuch, zwischen "Raum und Kommunikation" irgendwo im Bereich der Neueren Geschichte doch noch ein wenig Transnationalität in den Beiträgen aufzuspüren, die im Rahmenthema implizierten theoretischen Prämissen berechtigten ja durchaus ein wenig zu der Hoffnung, auch fündig zu werden. Auf drei Aspekte, die in verschiedenen Vorträgen zu im weitesten Sinne potenziell transnationalen Themen immer wieder auftauchten, und die für transnationale und globale Geschichten von zentraler Bedeutung sind, soll im folgenden anhand einzelner Vortragsbeispiele näher eingegangen werden.
Staat und Staatlichkeit markierten einen ersten Schwerpunkt. Der Geschichtswissenschaft fällt es nach wie vor nicht leicht, (National) Staaten und Staatlichkeit nicht als Norm, sondern als historische Ausnahmen zu betrachten und diese nicht stillschweigend immer und überall vorauszusetzen, bzw. ihr Fehlen nicht als mangelhaftes Abweichen von der Norm zu werten. Die Sektion "Raum und Imperium. Kommunikationsgeschichte in Europa im langen 19. Jahrhundert" (Leitung: Holm Sundhaussen, Berlin) versprach, mit dem Begriff des "Imperiums" ein Gebilde in den Blick zu nehmen, dem zuletzt auch im Hinblick auf die europäische Geschichte eine gewisse Erklärungskraft als Alternative zum nationalstaatlichen Blick attestiert worden ist. Anstatt jedoch anhand der gewählten Fallbeispiele Preußens bzw. des Deutschen Reichs, des Russischen Reichs, des Habsburger Reichs, des British Empire und des Osmanischen Reichs Empire-Konzepte zu diskutieren, oder, wie ein Zuhörer in der Schlussdiskussion forderte, der Frage nachzugehen, wie "europäisch" das Ganze denn nun sei, entpuppte sich diese Sektion im Wesentlichen als Eisenbahngeschichte. Reichlich unterbelichtet blieb auch die von den Organisatoren ins Feld geführte so genannte "Janusköpfigkeit" derartiger Techniken, die einerseits die Integration peripherer Gebiete, andererseits regionale Autonomisierung ermöglicht hätten. Die Forschung zur aktuellen und zur historischen Globalisierung verhandelt derartige Entwicklungen seit geraumer Zeit etwa unter dem Schlagwort der "Glokalisierung" und hätte zahlreiche Anschlussmöglichkeiten geboten.
Markus Kirchhoff (Leipzig) behandelte in seinem Vortrag "Angesichts des geographical turn: Neue Diplomatiegeschichte der Juden in transnationaler Perspektive" innerhalb der Sektion mit dem opaken Titel "Räumliche Ubiquität und kommunikative Lebensformen: Europäische Judenheiten zwischen Imperien, Nationalstaaten und Diaspora" (Leitung: Dan Diner, Leipzig) Potenziale einer jüdischen Diplomatiegeschichte. Diplomatische Kontakte fänden, referierte Kirchhoff, dem allgemeinen Verständnis nach zwischen Völkerrechtssubjekten statt. Da jedoch ein jüdischer Staat lange Zeit nicht existierte und dieses Kriterium damit nicht erfüllt war, handle es sich bei jüdischer Diplomatie aus dieser Perspektive gewissermaßen um ein "Kuriosum". Nun hatten Wissenschaftler- oder Künstlerpersönlichkeiten, die sowohl in der Frühen Neuzeit als auch bis hinein in das Zeitalter der Nationalstaatlichkeit etwa im Rahmen des blühenden und thematisch überaus vielfältigen Kongresswesens der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts das betrieben, was als Diplomatie beschrieben werden kann, auch keinen "Staat". Nur wenn Staatlichkeit als Regelfall und Voraussetzung von Außenpolitik und Diplomatie gesehen wird, erscheint die Diplomatie nichtstaatlicher Akteure kurios. Fragestellung und Anlage des Vortrages blieben so ein wenig der nationalgeschichtlichen Perspektive verhaftet.
Dass es auch ohne "Staat" geht, zeigte Laurence Marfaing (Berlin) in ihrem Beitrag "Vom Senegalfluss nach Fès - Pilgerfahrt und Handel im Sahara-Sahel Raum" innerhalb der Sektion "Die islamische Welt als translokaler Handlungs- und Kommunikationsraum in der Neuzeit" (Leitung: Ulrike Freitag, Berlin; eine von zwei Sektionen, die sich ausschließlich mit Themen der nichtwestlichen Geschichte befassten). Marfaing beschrieb anhand der Pilgerfahrt der Tijaniyya-Bruderschaft vom Senegal ins marokkanische Fès und später nach Casablanca den Zusammenhang von religiösen und ökonomischen Praktiken. Der Vortrag analysierte die Strukturen des informellen Handels, der zunächst am Rande der Pilgerfahrt stattfand und diese dann zunehmend überlagerte, in einer Perspektive der langen Dauer vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart - jenseits der wechselnden staatlichen Strukturen. Man hätte sich an dieser Stelle vielleicht noch ein paar allgemeinere Bemerkungen zum Verhältnis von Religion und Ökonomie in der Moderne gewünscht, da hierin ein interessanter Rahmen für globale Fragestellungen und Perspektiven liegen könnte.
Ein zweites, mehrere Beiträge durchziehendes Thema war Mobilität. Die Zirkulation von Menschen, Gütern und Ideen jenseits festgelegter räumlicher und politischer Einheiten erhielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Innovationen im Transport- und Kommunikationswesen eine neue Qualität. Erst als Reaktion auf diese Mobilität wird die zunehmende Abgrenzung und Abschottung nationaler Räume voneinander etwa durch Einwanderungsgesetze, Grenzposten oder protektionistische Wirtschaftsformen in der Hochphase des Nationalismus verständlich. Derartige dialektische Verquickungen von Verflechtung und Abschottung sind ein zentrales Thema transnationaler Geschichten. Ravi Ahuja (Heidelberg) machte in seinem Vortrag über Eisenbahnbau in Britisch-Indien (Sektion "Raum und Imperium") deutlich, wie sehr derartige neue Techniken in kolonialen Kontexten die Mobilität nicht nur der Kolonialherren, sondern auch der kolonialen Subjekte förderten und damit nicht mehr nur ein Instrument imperialer Durchdringung, sondern plötzlich auch eine Bedrohung darstellten. Die Pilgerfahrt konnte nun von zuvor ausgeschlossenen sozialen Schichten angetreten werden, und in den Zügen entstanden neue Begegnungsräume. Bahnhöfe wurden zu zentralen Orten des Konflikts und der Berührung zwischen einer Kolonialmacht, die keineswegs nur repräsentativ spürbar war, und ihren Untertanen. In lagerähnlichen Strukturen wurden hier im großen Maßstab kollektive Impfungen und andere Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Nichts fürchteten die Kolonialherren so sehr wie ungeregelte Mobilität. Anstatt hier wiederum den Begriff der "Janusköpfigkeit" zu verwenden, wäre es gewinnbringender gewesen, auf das durch diese deutlich außerdiskursive, nichtrepräsentative Dimension ergänzte postkoloniale Konzept der Ambivalenz zurückzugreifen.
Einen weiteren interessanten Aspekt von Mobilität verfolgte Madeleine Herren (Zürich) in der Sektion "Normen, Netzwerke und Zivilisationen in der internationalen Geschichte (Neuzeit)" (Leitung: Matthias Schulz, Nashville) am Beispiel der Frage, inwiefern sich die in den zahlreichen Internationalismen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ausgedrückte Zugehörigkeit zu einer globalen Welt-Zivilgesellschaft auch am Beispiel globalisierter Biografien untersuchen ließe. Herren beschrieb in ihrem Vortrag "In this century, Clio has become for all the world a cosmopolitan. Netzwerke der Zivilgesellschaft im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert" den Fall eines "Felix Krull" der internationalen Aktivitäten dieser Zeit, dessen Reisen und Mitgliedschaften in Organisationen bald so zahlreich wurden, dass sie die Möglichkeiten behördlicher Erfassung sprengten. Die Echtheit seiner angegebenen wissenschaftlichen Qualifikation und akademischen Grade bleibt im Dunkeln, seine wortwörtliche Karriere ist in einzelnen Punkten schlicht nicht mehr nachvollziehbar - nicht weil er zu wenig in Erscheinung getreten wäre, sondern weil es zu viele Auftritte waren. Derartige Selbstinszenierungen globaler Individuen wären tatsächlich einmal genauer zu untersuchen, und man darf auf Herrens hoffentlich folgende Ausführungen zum Thema gespannt sein.
Ein drittes zentrales Thema waren die Kategorien von Raum und Zeit. Das Problem der Rekonfiguration von Raum und Zeit besitzt für eine transnationale oder Globalgeschichte eine mindestens doppelte Dimension. Periodisierungen und die Auswahl von Untersuchungsräumen waren bisher meist am "Modell" der europäischen Geschichte ausgerichtet. Solche eurozentrischen Ordnungsentwürfe wurden nichtwestlichen Geschichten einfach übergestülpt, was nicht passte, wurde an den Rändern rechts und links weggeschnitten. Und weil hier und da doch noch etwas rausguckte und die Sache nicht ganz rund war, erklärte man die anderen Geschichten dann gleich noch für defizitär. Gleichzeitig ist die Verschiebung von Raum- und Zeitvorstellungen mit der Entstehung von "Netzwerkgesellschaften" und dem Eindruck einer Überwindung von Raum und Zeit ein wichtiges Element auf der diskursiven Ebene transnationaler und globaler Geschichten. Dan Diner machte in seinem die Sektion "Räumliche Ubiquität" einleitenden Beitrag "Gleichzeitigkeiten von Raum- und Zeiterfahrungen der Juden - Zur Theorie jüdischer Geschichtlichkeit jenseits historischer Periodisierung" auf den besonderen Umgang mit den Kategorien Raum und Zeit aufmerksam, den eine transnationale (jüdische) Geschichte erfordere. Zentral ist dafür einerseits das sakrale jüdische Zeitverständnis, das sich in einer ahistorischen Bewegung an der überzeitlichen Beständigkeit von Textualität orientiert. Parallel waren jüdische Lebenswelten jedoch immer eingebettet in räumliche und zeitliche Kontexte einer nicht-jüdischen Umwelt, welche diese Vorstellungen kontrastieren kann. Die diasporische Lebensform der Juden hat darüber hinaus kommunikative Netzwerke ausgebildet, die wiederum andere Raum-Zeit-Begriffe hervorbrachten. Eine nicht länger eurozentrische Periodisierung jüdischer Geschichte müsste, so Diner, eben diese komplexen Synchronizitäten und Diachronizitäten in Erfahrungs- und Erinnerungsräumen berücksichtigen. Diese übertragbaren Befunde könnten und sollten vielfache Anknüpfungspunkte etwa für die Geschichte globaler Migrationszusammenhänge als kultureller Dimension von Globalisierung bieten.
Neben diesen drei thematischen Schwerpunkten, die verschiedene Sektionen durchzogen, erscheinen weiterhin zwei Einzelfälle erwähnenswert. Etwas mehr Bewusstsein für Transnationalität hätte man sich in der "Geschichte der Kriegsberichterstattung" gewünscht. Vom Siebenjährigen Krieg über den Deutsch-Französischen Krieg und den Burenkrieg bis zum Krieg in Bildern im 20. Jahrhundert und dem Krieg im Irak im Jahre 2003 blieb eine Dimension der Kriegsberichterstattung weitgehend unbeleuchtet: Wenn imperiale und/oder koloniale Mächte in der so genannten Neuzeit Kriege führten, dann handelte es sich dabei meist um globale Ereignisse, wenn auch in unterschiedlichem Umfang sicherlich, und mit verschiedener Intensität. Um ein Beispiel zu nennen: Als britische Truppen in den frühen 1880er Jahren verschiedentlich im Sudan intervenierten und Krieg führten, waren indigene indische Zeitungen voll von Berichten über diese Ereignisse, weil erstens in Frage gestellt wurde, warum Indien finanziell für die Beteiligung seiner Kolonialsoldaten an diesem britischen Unterfangen aufkommen sollte, und weil zweitens grundsätzlich erörtert wurde, dass hier unter Umständen Muslime gegen Muslime kämpften. Und in Europa beispielsweise schaute man aus der Perspektive der Konkurrenten im beginnenden Wettlauf um Afrika auf diese Kämpfe. Derartige globale Bezüge und Wahrnehmungen von Kriegsereignissen sind zahlreich, so dass Kriegsberichterstattung und später der Typus des Kriegsberichterstatters als zentrale Medien zur Herstellung globaler Diskussionszusammenhänge oder gar Öffentlichkeiten gelten müssen. Einzig Andreas Steinsieck (Braunschweig) hat in seinem Beitrag über den Burenkrieg auf die zentrale Rolle der Kolonialkriege (als einer Form kolonialer Globalität) für die Professionalisierung der Kriegsberichterstattung hingewiesen. Der Beitrag von Gerhard Paul (Flensburg) über die fotografische Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert kam ohne Hinweis auf die Bedeutung der Bilder aus dem Vietnamkrieg für die Entstehung transnationaler sozialer Bewegungen aus, und Karl Prümm (Marburg) verzichtete darauf, die von ihm analysierte Fernsehberichterstattung über den Irak-Krieg in Deutschland mit der neuen Rolle arabischer Fernsehsender wie Al-Jazeera in diesem globalen Medienkrieg in Verbindung zu setzen.
Vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) weitgehend unbemerkt, hatte sich eine Sektion in das Programm geschlichen, die konzeptionelle Fragen und praktische Probleme einer Globalgeschichte erörterte. Das Panel "Geschichtskultur im Umbruch: Neue Standards und global orientiertes Geschichtsbewusstsein", das leider parallel zu der anderen (!) ausschließlich mit außereuropäischer Geschichte befassten Sektion stattfand, hatte sich allerdings in didaktische Gewänder hüllen müssen, um der gestrengen Aufsicht des Verbandes zu entgehen. Matthias Middell (Leipzig) skizzierte dort die überwiegend amerikanischen Tendenzen und Strömungen welt- und globalgeschichtlicher Forschung der jüngeren Zeit, und Susanne Popp (Siegen) sprach von Seiten der Didaktiker über neue Standards für den Geschichtsunterricht und die Schwierigkeiten, angesichts der momentan in Deutschland erhältlichen Universitätsausbildung für Historiker, Kompetenzen auf diesem Gebiet zu erlangen und damit den Fragen und Bedürfnissen in den längst globalisierten Klassenzimmern gerecht zu werden. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Berlin) mochte die Historizität der Globalisierung nicht recht einsehen und stellte das Phänomen als neuartige Entwicklung maximal der letzten dreißig Jahre dar, in denen ein Welttrend zur Machtverlagerung vom öffentlichen in den privaten Bereich zu konstatieren gewesen sei. Dagegen ließe sich viel einwenden, doch ein Argument Weizsäckers ist durchaus bedenkenswert: Wer behaupte, Globalisierung habe es schon immer gegeben, liefere eben jenen Profiteuren der Globalisierung im privaten Sektor eine perfekte Legitimation. Sebastian Conrad (Berlin) sprach sich denn auch dafür aus, Globalisierung nicht analog zu Modernisierung als "Erfolgsgeschichte" der Vernetzung zu feiern, sondern vielmehr die zahlreichen Brüche und Fragmentierungen einer Geschichte der Globalisierung zu berücksichtigen, die keinesfalls immer linear zu Homogenisierung geführt habe. Mit Blick auf die wissenschaftliche Umsetzung von Globalgeschichte plädierte Andreas Eckert (Hamburg) für mehr kollektive Forschung angesichts der Herausforderung dieser neuen Fragestellungen und die Bündelung gerade auch von sprachlichen Kompetenzen in Forschungsverbünden, die etwa Japanologen, Afrikanisten, Islamwissenschaftler und Südasienwissenschaftler vereinen.
Diese Fächer, um das Problem abschließend noch einmal allgemeiner zu betrachten, sprechen aufgrund der Hochschulorganisation und der Fakultätsstrukturen an deutschen Universitäten normalerweise nicht miteinander. Da erscheint es fast symptomatisch, dass recht zeitnah zum Historikertag und doch von der Geschichtswissenschaft vermutlich weitgehend unbemerkt vom 20. bis 24. September in Halle an der Saale der 29. Deutsche Orientalistentag stattgefunden hat. In Deutschland bekommen alle Fächer, die irgendwie ein bisschen seltsam und anders sind, zur Sicherheit traditionell lieber einen eigenen Tag. Unter "Orient" firmiert von Afrikanistik bis Zentralasien dort dann alles, was so richtig nach Orchidee aussieht. Wie wäre es zum Beispiel, wenn der VHD mal mit Kooperationsideen für solche Veranstaltungen an historisch arbeitende "Orientalisten" herantreten würde? All die Argumente rund um derartige Strukturen und Anforderungen, welche eine zunehmend globalisierte Welt auch an die Geschichtswissenschaft stellt, sind in den vergangenen Jahren zur Genüge geäußert worden. Die Reaktionen sind wenig rühmlich: Solange es grundsätzlich bleibt, sind vollmundige Bekenntnisse und Zustimmung rasch geäußert. Sobald konkrete Entscheidungen zu treffen sind, will niemand der Erste sein, der abgeben muss. Dies gilt für die Neubesetzung des Direktorenpostens am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen ebenso wie für die Panelzusammenstellung beim Historikertag. Der VHD hat sich in den vergangenen Jahren unter dem Vorsitz Manfred Hildermeiers erstaunlich beratungsresistent gezeigt in Sachen Änderungsbedarf und Erweiterungen des Gegenstandes. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies in neuer personeller Besetzung ändern wird. Sonst schenken wir uns Konstanz nämlich und fahren lieber im kommenden September zum "Ersten europäischen Kongress für Welt- und Globalgeschichte" nach Leipzig.
Vanessa Ogle ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Sie arbeitet an einem Dissertationsprojekt zur Geschichte der Einführung der Weltzeit in globaler Perspektive.