Die aktuellen Konfliktlagen zwischen dem „Westen“ und der „Welt des Islams“ haben eine weitaus längere Vorgeschichte, als so mancher journalistische, aber auch akademische Kommentar vermuten lässt. Aus dieser Einsicht ergibt sich einerseits die Notwendigkeit, dem langen 19. wie dem frühen 20. Jahrhundert, die häufig in aktuellen Debatten wenig Berücksichtigung erfahren, größere Beachtung zu schenken. Andererseits ist festzustellen, dass die Entwicklung der islamisch-europäischen Beziehung nicht von der imperialen Vergangenheit Europas getrennt werden kann. Die Tagung „Islam und Empire“ will diesen Überlegungen Rechnung tragen, indem aus verschiedenen geschichts- und islamwissenschaftlichen, sozial- wie kulturwissenschaftlichen Perspektiven diese Beziehungen im Kontext der Europäischen Expansion, der imperialen Machtausweitung und der kolonialen Herrschaftsausübung thematisiert werden. Der Schwerpunkt wird dabei in der Epoche der „Europäischen Moderne“ liegen, ohne dass weiterführende Betrachtungen ausgeschlossen werden sollen. Ziel ist ein vielschichtiges Bild eines der wesentlichen Aspekte moderner Globalgeschichte, das aus der Betrachtung konkreter Akteure und Interaktionszusammenhänge gewonnen wird. Konkret werden dabei drei Themenbereiche im Mittelpunkt stehen:
1. „Expansion und Administration“: Zunächst rücken die imperialen Akteure in den Mittelpunkt. Gefragt wird nach dem Umgang der europäischen Mächte mit den Angehörigen oder Eliten muslimischer Gesellschaften sowie den Protagonisten islamischer Religionsausübung. Dabei soll insbesondere die Agenda und das konkrete Verhalten der „men on the spot“ in der kolonialen Situation diskutiert werden.
2. „Reaktion und Reform“: Im zweiten Themenbereich wird die Perspektive umgekehrt, indem nach den muslimischen Akteuren in diesem Kontext gefragt wird. Sowohl einzelne Protagonisten als auch Gruppen oder Bewegungen werden unter der leitenden Fragestellung nach den verschiedenen Reaktionen in muslimischen Gesellschaften auf den Herrschaftsanspruch imperialer Mächte in den Blick genommen.
3. „Wissen und Medien“: Der letzte Themenbereich nimmt schließlich eine wissensgeschichtliche Perspektive ein. Er geht der Genese und Verbreitung europäischen Wissens über den Islam und muslimische Gesellschaften im imperialen oder kolonialen Kontext nach. Dabei wird nach den Medien und Diskursen im europäischen Kontext gefragt, aber auch nach den gegenläufigen Wahrnehmungen, indem islamische Medien und ihre Reaktion auf die europäischen Machtbestrebungen einbezogen werden.
Vor diesem Hintergrund strebt die Tagung eine Vertiefung der langfristigen Perspektive islamisch-europäischer Beziehungen sowie einen interdisziplinäreren Austausch zwischen den verschiedenen Nachbarwissenschaften, die sich mit der Problematik befassen, an.
Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation findet die Tagung vollständig online unter Nutzung des Konferenztools ZOOM statt. Es wird um eine formlose Anmeldung im Sekretariat des Veranstalters gebeten: Karin Gockel, Lehrgebiet „Geschichte Europas in der Welt“, FernUniversität in Hagen, E-Mail: karin.gockel@fernuni-hagen.de, Tel.: 02331/987-2122. An alle Angemeldeten wird vor der Tagung der Link und die Zugangsdaten für das Tagungsportal zugesandt.