B. Andersen: Intellectual Property Rights

Title
Intellectual Property Rights: Innovation, Governance And the Institutional Environment.


Editor(s)
Andersen, Brigitte
Published
Cheltenham 2006: Edward Elgar
Extent
359 S.
Price
$150.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Isabella Löhr, Institut für Kulturwissenschaften, Universität Leipzig

Die Patentierung genetischen Materials, der Streit zwischen China und den USA um Softwarepiraterie, die rechtlichen und welthandelspolitischen Hürden bei dem Versuch, Afrika mit preiswerten AIDS-Generika anstelle teurer Pharmaprodukte aus den Ländern der westlichen Welt zu versorgen, und nicht zuletzt die Auseinandersetzungen um Napster und andere Musiktauschbörsen im Internet haben einer breiten Öffentlichkeit gezeigt, dass die Rechte geistigen Eigentums ein heftig umstrittenes Terrain sind, von dem Großregionen, Staaten, Industrielobbys, Erfinder, Künstler, private Nutzer und Aktivisten gleichermaßen betroffen sind. Im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen Fragen sozialer Verteilungsgerechtigkeit, der Wert gemeinschaftlicher Güter im Verhältnis zu einer Wirtschaftspolitik, die die jeweiligen Industrien durch weitreichende und exklusive Eigentumsrechte stützen möchte, und grundsätzliche Fragen nach dem Motor wissenschaftlichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Fortschrittes.

Diesen im hohen Grade schwierigen wie heiklen Auseinandersetzungen widmet sich der von Brigitte Andersen herausgegeben Band über geistige Eigentumsrechte. Die besondere Leistung des Bandes liegt darin, dass die Beiträge sich nicht nur auf eine Analyse gegenwärtiger Rechts- und Politikverhältnisse beschränken, um Lösungsansätze für einzelne Probleme zu formulieren, sondern dass die Mehrzahl der Beiträge eine grundsätzliche Reflexion über Sinn, gesellschaftspolitische Ziele und die Möglichkeiten zur Steuerung eines nationalen wie internationalen Regimes geistigen Eigentums anstellen. Allen Beiträgen gemeinsam ist ein kritischer Zugang, der bei der Ausweitung einer eigentumsförmigen Handhabe kultureller und wissenschaftlicher Güter erhebliche soziale und wirtschaftliche Folgekosten sieht, die in der bisherigen öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion nicht ausreichend reflektiert werden. In den Worten von Brigitte Andersen: „The global commons are in danger. This is partly due to the role of IPRs in the commodification of three seperate areas: science, culture and healthcare“. (S. 2)

Diese kritische Auseinandersetzung mit der sukzessiven Unterstellung wissenschaftlicher, künstlerischer und kultureller Güter unter ein privatisiertes, marktwirtschaftlich organisiertes Eigentumsregime wird unter zwei Gesichtspunkten geführt. Erstens reflektieren eine Reihe von Aufsätzen Ideen und Anliegen, die bei der Schaffung der modernen Urheber- und Patentgesetzgebungen Pate standen und fragen, inwieweit die aktuellen nationalen und internationalen Regelungen diese Grundgedanken im Lauf der letzten Jahrzehnte aufgrund technischer, wirtschaftlicher und interessenspolitischer Vorgänge aus dem Auge verloren haben und wie eine soziale Verteilungsgerechtigkeit, die breite soziale Bevölkerungsgruppen sowohl in den westlichen Ländern als auch in den Ländern der südlichen Halbkugel einschließt, wieder gewonnen werden kann. Daran knüpft der zweite Aspekt, der eine präzise Unterscheidung zwischen der institutionellen Umgebung zur Ausübung geistiger Eigentumsrechte („institutional IPR environment“) und der „IPRs governing institutions“ fordert (S. 11). Ziel dieser Unterscheidung ist es, die Kodifikation, Auslegung und Anwendung geistiger Eigentumsrechte als Vorgänge zu begreifen, die auf Aushandlungen zwischen den Interessensgruppen über die Ziele und Zwecke beruhen, die mit diesem Recht erreicht werden sollen. Entsprechend untersuchen die Beiträge die Handlungsspielräume und Interessen ausgewählter Akteure wie Patentämter, Forschungsuniversitäten, kleinere und mittlere Unternehmen, um Wege aufzuzeigen, wie der Umgang mit patent- oder urheberrechtlich geschützten Gütern in neue Bahnen gelenkt werden kann.

In einer ersten Sektion werden die aktuellen Regelungsprobleme in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Gesundheit vorgestellt. Richard Nelson problematisiert den wachsenden Erfolgs- und Konkurrenzdruck, unter dem Universitäten als wesentliche Produzenten neuer Technologien und neuen Wissens stehen. Dieser Erfolgsdruck, der sich an der Zahl von Patentanmeldungen sowie unternehmerischer Verwertung dieser Patente misst, führt dazu, dass der Zugang zu neuen Wissensbeständen beschränkt und Grundlagenforschung ohne direkten Anwendungsmöglichkeiten in Legitimationszwang gebracht wird, obwohl gerade diese eine zentrale Voraussetzung für eine anwendungsorientierte Forschung ist. Für die Musik- und Filmindustrie zeigt Fiona Macmillan, wie die durch geistige Eigentumsrechte gestützte weltweite Marktmacht weniger Medienunternehmen die Rezeption eines eigentlich sehr ausdifferenzierten kulturellen Angebotes auf eine nach Effizienzkriterien selektierte Auswahl verengt und so zu einem Verlust an Wissen über kulturelle Traditionen weltweit führt. Am Beispiel von Aids-Medikamenten in Afrika zeigen Fabienne Orsi, Mamadou Camara und Benjamin Coriat, wie das TRIPS-Abkommen (Trade related aspects of intellectual property rights) im Rahmen der WTO (World Trade Organization) im Zusammenspiel mit regionalen Patentabkommen der „African Intellectual Property Organization“ afrikanische Staaten einem westlichen Patentregime unterstellt, das den Erwerb von bezahlbaren Aids-Generika untersagt und damit das Gesundheitswesen in Afrika zurückstellt zugunsten wirtschaftlicher Interessen westlicher Pharmafirmen.

Diesen Problemen geht Brigitte Andersen mit einer Analyse der ursprünglichen Ziele und Zwecke von Patentgesetzen auf den Grund. Sie arbeitet heraus, dass die anfängliche Idee, Erfinder mit einem zeitlich begrenzten Verwertungsrecht zu belohnen, um so Erfindungen zu stimulieren, in den letzten Jahrzehnten aus den Augen verloren wurde, weil Erfinder immer weniger als im Dienste der Gesellschaft stehend, sondern als eigenständige Wirtschaftsakteure wahrgenommen werden, die für private Profitinteressen arbeiten und Patente entsprechend als Monopole zur Etablierung von Marktmacht betrachten. Daran angelehnt zeigt Lee N. Davis, dass Patentrechte für klein- und mittelständische Unternehmen nicht notwendig attraktiv sind, weil kleinere Unternehmen je nach Branche erstens einen Markteintritt besser schaffen können, wenn sie ihre Produkte in den jeweiligen Wirtschaftssektor frei einspeisen, oder aber weil sie zweitens nicht die finanzielle Ausstattung haben, um die Verletzung ihrer Patente rechtlich zu verfolgen.

Dem Ansatz des Buches entsprechend, geistige Eigentumsrechte auf institutionelle Rahmenbedingungen kritisch zu befragen und herauszufinden, wie diese Rahmenbedingungen gesellschaftlich neu oder anders ausgehandelt werden können, weisen die letzten drei Beiträge Wege für eine Restrukturierung im Umgang mit bestehenden geistigen Eigentumsrechten. Christian Bessy und Eric Brousseau zeigen, dass die Reichweite und Anwendung geistiger Eigentumsrechte wesentlich bestimmt wird von der Zusammenarbeit öffentlicher und privater Institutionen, ein Zusammenspiel, das je nach Land und Recht (Patent- oder Urheberrecht) eigene Erfordernisse hat und deswegen je spezifisch gestaltet werden sollte. Stefano Breschi, Lorenzo Cassi und Franco Malerba erinnern daran, dass das Patentrecht in den meisten Gesetzgebungen unterscheidet zwischen „development rights“ - ein weitgehend freier Zugriff auf Patente, um von ihnen ausgehend weiter zu forschen - und dem Recht, eine patentierte Erfindung zu verwerten; sie verbinden diese Feststellung mit der Forderung, dass die Patentpraxis stärker als bisher auf diese Unterscheidung zwischen Weiterentwicklung und Verwertung eines Patentes aufgreifen sollte, um so Ideen einer marktwirtschaftlichen Privatisierung zu entziehen.

Ove Granstrand zeigt schließlich, dass geistige Eigentumsrechte Forschung und Innovation auch in der Hinsicht befördern können, dass Firmen mit einer technologie- und wissensintensiven Forschung sich nicht nur in der Entwicklung, sondern entsprechend auch bei der Verwertung der Patentrechte zusammenschließen können mit dem Ziel, durch die Koordination laufender Forschungen Innovation zu beschleunigen und qualitativ zu verbessern.

Der vorliegende Band leistet mehr als nur Kritik an bestehenden geistigen Eigentumsrechten, indem er betont, dass die Auslegung und Anwendung bestehender Gesetze erstens auf gesellschaftlich verhandelbaren Vorstellungen über den Grad der Privatisierung geistiger Güter beruht und zweitens im Rahmen der bestehenden Gesetze neu ausgerichtet werden kann durch eine Restrukturierung der Institutionen bzw. Neuausrichtung der Zusammenarbeit der maßgebenden Akteure. Indem die Veränderbarkeit von Rechtsinstitutionen betont wird, sobald die Akteure Recht als ein Instrument zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse wahrnehmen, über die sie sich verständigen können und auch müssen, erinnert der Band daran, dass geistige Eigentumsrechte nicht nur ein Instrument zur Sicherung von Marktmacht sind, sondern in ihrer ursprünglichen Konzeption Wissenschaft, Kultur und das Gesundheitswesen auch fördern, wenn man sich auf entsprechende Zielsetzungen und Verfahrensweisen einigt. In diesem Sinne gibt der Band sowohl für die Forschung als auch für die Praxis wichtig Anregungen, geistige Eigentumsrechte zu überdenken und sie neu auszurichten, ohne sie dabei im Ganzen in Frage zu stellen.

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18.04.2008
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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