Das Kino der „Goldenen Zwanziger“ gilt als eine der innovativsten Phasen der deutschen Filmgeschichte. Gegen Ende des Jahrzehnts befand sich jedoch die deutsche Filmindustrie wegen spektakulärer finanzieller Fehlkalkulationen und dem absehbaren Wegfall des internationalen Marktes durch den aufkommenden Tonfilm in einer tiefen Krise. Die deutschen Produktionen benötigten dringend neue Absatzgebiete. Südafrika besaß als einziges afrikanisches Land eine entwickelte Unterhaltungsindustrie, die bis dahin vollkommen von Hollywoodproduktionen dominiert wurde. Trotzdem gelang es der UFA, in diesen Markt vorzudringen und mit Filmen wie „Varieté“, „Faust“ oder „Metropolis“ Publikumserfolge zu erzielen. Die deutschen Stars Brigitte Helm oder Emil Jannings waren auch in Südafrika außerordentlich populär.
Anders als die meisten filmhistorischen Untersuchungen legt diese Göttinger medien- und kulturwissenschaftliche Dissertation den Schwerpunkt nicht auf die Filmproduktion zur Zeit der Weimarer Republik. Um die Wirkung der Filme zu studieren, konzentriert sie sich nicht auf das Herkunftsland, sondern untersucht ihre Rezeption im Ausland. Mit diesem transnationalen Ansatz leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Filmgeschichte in beiden Ländern: Anhand einer vorübergehend erfolgreichen Phase deutscher Filmexporte arbeitet sie sowohl die Bedingungen für den Erfolg als auch die Gründe für sein späteres Ausbleiben heraus. Im Unterschied zu werkimmanent argumentierenden Arbeiten verzichtet Eckardt auf Wirkungsvermutungen und untersucht, wie die deutschen Filme im speziellen politischen und sozio-kulturellen Kontext Südafrikas rezipiert wurden.
Die südafrikanische Filmindustrie der 1920er und 1930er Jahre zeichnete sich dadurch aus, dass nach 1926 und bis 1931 keine einheimischen Spielfilme hergestellt wurden, während sie gleichzeitig über eine ausgedehnte Vertriebs- und Vorführstruktur verfügte. Fast alle Kinos und auch der Verleih waren in den Händen des African Theatre Trust monopolisiert (im Besitz von Isidor William Schlesinger). Erst 1927 kam es mit der Kinemas Ltd. zu einer ernsthaften Konkurrenz. Das von der Schlesinger-Organisation durchgesetzte „Block-booking“ (der Vertrieb/Verleih ganzer Programmpakete, die neben erstklassigen auch durchschnittliche Filme enthielt) ermöglichte es der Kinemas in ihrem Programm auf alternative Angebote und auf eine qualitative Strategie zu setzen. Sie zeigte neben nicht gezeigten amerikanischen verstärkt britische und deutsche Filme. Die für deutsche Filmexporte vorteilhafte Konkurrenz der beiden Unternehmen endete jedoch mit deren Fusion 1932. Nach einer Phase, in der Stumm- und Tonfilm nebeneinander existierten, hatte sich ab 1930 auch in Südafrika der Tonfilm endgültig durchgesetzt. Diese beiden Veränderungen erschwerten nun deutsche Filmexporte, so dass fast keine deutschen Produktionen mehr gezeigt wurden.
Um den Anteil der Filmimporte aus Deutschland zu ermitteln, muss sich Eckardt mangels anderer Quellen auf die südafrikanischen Einfuhrstatistiken stützen. In seiner sehr sorgfältigen und quellenkritischen Analyse bestimmt er seinen wertmäßigen Anteil, der im Durchschnitt 1928-1933 nur ein halbes Prozent betrug (1929 2,4 %). Damit stellt sich dem Leser unweigerlich die Frage, ob ein so geringer Marktanteil eine derart aufwendige Untersuchung rechtfertigt.
Tatsächlich waren jedoch deutsche Produktionen für die südafrikanische Filmgeschichte weitaus wichtiger, als dieses rein ökonomische Kriterium vermuten ließe. So spielten in der südafrikanischen Debatte um eine Neuorganisation der Filmzensur neben „All Quiet on the Western Front“ (L. Milestone) vor allem die beiden deutschen Filme „Luther“ und „Der blaue Engel“ eine Schlüsselrolle. Wie Eckardt überzeugend argumentiert, konzentrierte sich die Debatte auf diese Filme gerade wegen der besonderen politischen Konstellation, in der eine von Afrikaanern dominierte, tendenziell deutschfreundliche Regierung einer britisch orientierten deutschlandkritischen Opposition gegenüber stand.
Für seine Rezeptionsanalysen zieht Michael Eckardt sowohl englische wie afrikaanse Zeitungen heran. Dabei stützt er sich auf die Annahme, dass der Mangel an ausgewiesenen Filmpublizisten und die zeitnah nach der Vorführung entstandenen Texte eher die Publikumsreaktion wiedergeben als intellektuell reflektierte, mit zeitlichem Abstand verfasste Filmkritiken. Die Fallstudien konzentrieren sich auf besonders erfolgreiche Filme oder Stars, zu denen sich die meisten Quellen finden lassen, um so in Anlehnung an die Debatten der Cultural Studies verschiedene Rezeptionsweisen („Lesarten“) herauszuarbeiten.
Dazu untersucht er beispielsweise die Rezeption von „Der blaue Engel“ und vergleicht die deutsche Medienrezeption mit jener in Südafrika, die jedoch entscheidend durch das Kapstädter Aufführungsverbot beeinflusst wurde. Diese Zensurmaßnahme wurde in der anglophonen Presse heftig kritisiert. Während deutsche Rezensenten die vom Film nicht eingelöste Gesellschaftskritik des Romans vermissten, fanden sie sich mit der individuellen Grenzüberschreitung der Figur Raths ab. In der Kapprovinz wurde das Verbot weniger wegen potentiell zu freizügiger Bilder von Marlene Dietrich sondern wegen des dargestellten sittlichen Verfalls einer gesellschaftlichen Autorität ausgesprochen. Die Weltwirtschaftskrise und die fallenden Agrarpreise hatten insbesondere die Afrikaans-sprachige ländliche Bevölkerung hart getroffen, die eine besonders konservativ-paternalistische Weltsicht hatte. Wegen ihres sehr geringen Bildungsgrads trauten ihnen Afrikaaner-Intellektuelle und einflussreiche Frauenverbände eine angemessene „Lesart“ des Films nicht zu. Mit dem Verbot wollten sie verhindern, dass das für sie zentrale Konzept der europäischen Kulturdominanz in Frage gestellt wurde.
Die Fallstudien zu anderen Filmgenres, wie dem Kriminal- und Abenteuerfilm, dem Walzer- und Operettenfilm oder dem Kriegsfilm, zeigen hingegen keine großen Unterschiede, hier wirkten sich sozio-kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Südafrika weniger stark aus. Allerdings wurden deutsche Produktionen weitaus häufiger besprochen und als künsterlisch wertvoller bewertet als etwa die häufiger gezeigten britischen Filme.
Die theoretisch fundierte Untersuchung leistet einen wichtigen und grundlegenden Beitrag zur südafrikanischen Filmgeschichte der 1920er und 1930er Jahre und zur Rezeption des deutschen Films der Weimarer Republik. Indem sie einen scheinbar marginalen Markt untersucht, löst sie sich von gängigen Vorannahmen und Erklärungsmustern, die bei den auf die deutsche Filmproduktion konzentierten filmhistorischen Arbeiten dominieren. Sicherlich hätte der Autor auf den einen oder anderen theoretischen Exkurs verzichten können und nicht vorführen müssen, dass er die Standardinstrumente der systematischen Filmanalyse ebenfalls souverän beherrscht (besonders S. 299-332). An anderer Stelle entschädigt die Arbeit für diese Mängel durch die lesenswerten und klugen Interpretationen vieler Filmkritiken. Wissenschaftlich zeichnet sie sich zum einen durch ihr innovatives und gut begründetes Forschungsdesign aus, zum anderen durch ihren quellenkritisch sehr sorgfältigen Umgang mit den Quellen sowie die kontextbezogene Argumentation aus.