Changes from the ‘Margins’: Non-European Actors, Ideas and Strategies in International Organizations edited by Klaas Dykmann and Katja Naumann
The history of international organizations (IOs) has received substantial research interest, not the least as their formations and changes offer an entry into the dynamics of globalization. An empirically solid research field has emerged that addresses core question of transnational and global historical studies. Two aspects, however, are dealt with rather randomly: discontinuities or shifts in IOs and the related impact of the actors from Latin American, African, and Asian regions. While political scientists and international relations scholars analyse IOs with a systematic and categorizing approach that tends to be less differentiated, historians, have focused on specific institutions and periods and continuities in the development. And the majority of both only hesitantly look beyond Europe and the US. However, in the context of the growing criticism of colonialism and Eurocentrism after World War I and in view of IOs being more and more conceived as gates to international politics and expressions of status in global politics actors from non-European world regions began to enter and appropriate them.
The special issue traces how policies, programmes, and internal regulations of various IOs were transformed due to their involvement, while the authors also considered the resistance their initiatives met, how they succeeded or failed in terms of more visibility of their own concerns, larger spaces to manoeuvre, and decisions for redistribution of resources, which all together led towards a decentring of IOs. Together the contributors argue that the more diversified membership made possible open criticism and unequivocal protest against Eurocentric attitudes and regulations, which could grow at times into the formulation of significant counterproposals. Many different interests were at play, including the actors and concerns from the seeming “margins”. True the impact and shaping power of non-European actors the articles present are time-, place- and context-dependent. Still, maybe precisely because of that, they tell a fascinating process of decentring and renewal of international organisation, which was hard-fought and had clear limits.
Inhaltsverzeichnis
Aufsätze
Klaas Dykmann / Katja Naumann: Introduction
Klaas Dykmann: Only With the Best Intentions: International Organizations as Global Civilizers Internationale Organisationen sind aus einem Drang zur Weltverbesserung entstanden. Daher werden sie sowohl von ihren Gründern als auch von zahlreichen Forschern als Institutionen angesehen, die dem Weltfrieden dienen und den technologischen Fortschritt selbst in entfernteste Regionen bringen oder auf andere Weise die Welt „sicherer”, „gesünder” bzw. schlicht „besser” machen. In all diesen Zuschreibungen steckt die Konnotation, dass die Welt durch sie zu einem „zivilisierteren” Ort werde. Daher argumentiere ich, dass Internationale Organisationen als Akteure einer „universalen Zivilisierungsmission“ gedeutet werden können. Die Charakterisierung als ‚globale Zivilisierer’ denkt neuere Forschungen weiter, die sich von Studien zum Kolonialismus und ‚civilizing missions’ inspirieren lassen, und trägt zu einem tieferen Verständnis der Institutionen bei. Der Aufsatz veranschaulicht diesen Interpretationsansatz anhand des internationalen Beamtentums, der Menschenrechtspolitik der UN sowie des Einflusses nicht-„westlicher“ Konzepte auf die zivilisierende Rolle. Insofern adressiert er ideengeschichtliche Hintergründe von Dynamiken in Internationalen Organisationen.
Leonie Rörich: Decentring Feminist Internationalisms: Indian and International Women’s Organizations between the World Wars Frauen aus nicht-westlichen Weltregionen hatten einen großen Einfluss auf die internationale Frauenbewegung in den 1920er und 1930er Jahren. Der Aufsatz illustriert dies anhand von drei indischen Frauenorganisationen. Zunächst wird gezeigt, dass der anfänglich westzentrierte Universalismus des International Council of Women und der International Alliance of Women nach dem Ersten Weltkrieg einer globaleren Perspektive wich, sowohl hinsichtlich der internen Politik als auch der Bandbreite der adressierten Anliegen, die oft als kulturell und national spezifisch angesehen wurden. Einige der Leitfiguren nahmen die Forderung nach Selbstbestimmung ernster und unterstützten Frauen in kolonialisierten Gesellschaften in ihren spezifischen Vorhaben, anstatt ihnen die eigenen, oft genug imperialen Sichtweisen aufzudrängen. Sodann wird nachgezeichnet, dass die indischen Frauenorganisationen eigene global ausgerichtete Agenden entwickelten, die ‚westliche’ und ‚nicht-westliche’ Aktivistinnen ansprachen sowie für lokale, regionale, aber auch grenzüberschreitende Interessen offen waren. Die bewusst dezentral angelegte Programmatik war auch dazu gedacht, die internationalen Frauenverbände zu reformieren.
Chloe Maurel:Internationalization and Decentring of UNESCO: Representation and Influence of “Non-Western” Countries, 1945–1987 Die UNESCO wurde 1945 ins Leben gerufen, um durch Bildung, Wissenschaft und Kultur zum Weltfrieden beizutragen, wobei sie in den ersten Jahren ihres Bestehens hauptsächlich in Europa agierte. Zunehmend jedoch weiteten sich die Aktivitäten auf Asien, Lateinamerika, den Nahen Osten und schließlich auf Afrika aus. Diese Ausweitung ist im Wesentlichen das Resultat des politischen Drucks von Vertreter aus nicht-westlichen Ländern, die die eurozentrische Geisteshaltung und Politik der Gründungszeit bzw. Anfangsjahre kritisierten. Eine Voraussetzung dieses Einspruchs war die sich weitende Mitgliedschaft der UNESCO, die sich vor allem in Hinblick auf die Teilnahme von nichteuropäischen Staaten pluralisierte. Dieser Prozess wird im ersten Teil detailliert beschrieben. Anschließend werden Kooperationen zwischen den neuen Mitgliedern nachgezeichnet, einschließlich der Grenzen, auf die das gemeinsame Handeln stieß. Im dritten Abschnitt wird gezeigt, wie sich in der UNESCO eine offenere Haltung gegenüber Forderungen und Anliegen nicht-westlicher Gesellschaften durchsetzte. Zum Schluss wird diese Öffnung beispielhaft am Engagement in Afrika belegt.
Claudia Prinz: Between “Local Knowledge” and “Global Reach”: Diarrhoeal Diseases Control and the International Health Agenda Der Aufsatz geht der Produktion medizinischen Wissens im Kontext globaler Programme zur Krankheitsbekämpfung zwischen den 1960er und 1990er Jahren nach. Am Beispiel der Eindämmung von Durchfallerkrankungen, eine der Hauptursachen für Kindersterblichkeit in ärmeren Ländern, wird der enge Zusammenhang von institutionellen, ideologischen und technologischen Faktoren behandelt. Die detaillierte Rekonstruktion der Schaffung von Wissen und politischen Direktiven im Umfeld der zentralen Initiativen der weltweiten Diarrhoeal Diseases Control-Programme hilft die divergierenden Positionen zu Gesundheit, wissenschaftlichen Agenden und Politiken in der Weltgesundheitsorganisation, aber auch von Forschungsinstituten in Südasien sowie US-amerikanischen Entwicklungsagenturen zu erkennen. Das zentrale Argument des Nahblicks auf diese Konstellation lautet, dass biomedizinischer ‚Fortschritt’ zwar von entscheidender Bedeutung für den Beginn weltweiter Gesundheitsprogramme war, jedoch eine äußerst geringe Rolle in der konkreten Zielsetzung und Entfaltung spielte. Verfolgt man gleichermaßen die Forschungspraxis sowie die ideologische Rahmung der Gesundheitspolitik, entsteht ein komplexes Bild des Agenda-Setting wie der Ergebnisse von Weltgesundheitsprogrammen.
Changavalli Siva Rama Murthy: Non-Aligned Movement Countries as Drivers of Change in International Organizations Die Länder der Bewegung der Blockfreien Staaten waren bedeutende Akteure im Wandel der zeitgenössischen Internationalen Beziehungen. Indem sie den Vereinten Nationen beitraten, vergrößerten sie deren Legitimität ebenso wie die anderer internationaler Organisationen. Durch individuelle wie kollektive Initiativen bewirkten sie eine Reorientierung der politischen Leitlinien der UNO, die den eigenen Hoffnungen und Interessen mehr Raum geben. Ihr wachsendes Gewicht, allein durch die zunehmende zahlenmäßige Stärke, setzte die USA und ihre westeuropäischen Verbündeten unter massiven Druck. Die Etablierung von Mechanismen wie die United Nations Conference on Trade and Development, aber auch neue Agenden für die Generalversammlung der UNO und etliche ihrer Spezialorganisationen sowie einige Initiativen der Weltbank in den 1960er Jahren verdeutlichen den Einfluss der Bemühungen der Entwicklungsländer. Ihre maßgebliche Rolle kommt schließlich in der Begründung von Programmen zur wirtschaftlichen Stärkung von „Dritte Welt“-Ländern sowie in den UN-Friedensmissionen zum Ausdruck.
Craig N. Murphy: Globalizing Standardization: The International Organization for Standardization Unternehmen und Aktivisten im sogenannten ‚globalen Süden’ halten die sozialen und Umweltstandards der Internationalen Organisation für Normierung (ISO) für berechtigt und angemessen. Die Legitimität der Organisation resultiert aus dem zunehmenden Einschluss nicht-westlicher Akteure und Vertreter aus kolonialisierten Gesellschaften in die internationale Standardisierungsbewegung, wobei dieser Prozess lange vor der Gründung der IOS im Jahr 1946 begann. Seit den 1950er Jahren trugen die Vereinten Nationen zur Schaffung von Standardisierungsorganisationen außerhalb Europas und Nordamerikas bei, die über kurz oder lang Teil des Netzwerkes der ISO wurden. In den 1960er Jahren förderte die ISO die Partizipation aus „südlichen“ Weltregionen, und nach dem Ende des Kalten Krieges schlossen sich nicht-westliche Standardisierungsorganisationen jenen Lobby-Gruppen an, die neue oder erneuerte Demokratien konsolidierten. Gemeinsam erreichte man, dass die ISO die Bereiche Umwelt und Soziales betrat.
Forum
Chris Hann: Levels of Parochialism. Welsh-Eurasian Perspectives on a German-European Debate
Ulrich Menzel: Aufstieg und Niedergang des kapitalistischen Weltsystems. Der Sechs-Bücher-Plan von Hartmut Elsenhans als Gegenentwurf zu Marx und Wallenstein
Marisol Palma Behnke / Michael Riekenberg: „Alle Welt ist agrarista, sogar die Hunde“. Intellektuelle als Gewalttäter in Michoacán, Mexiko, 1920–1926 107
Bericht
Dietmar Rothermund: Erinnerungskulturen post-imperialer Nationen
Buchbesprechungen
Claire Laux / François-Joseph Ruggiu / Pierre Singaravélou (eds.): Au sommet de l’Empire. Les élites européennes dans les colonies, XVIe–XXe siècle / At the top of the Empire. European elites in the colonies, 16th–20th century (= Enjeux internationaux / international issues, Bd. 5), Brüssel 2009 Mairi MacDonald
Michael Borgolte / Julia Dücker / Marcel Müllerburg / Paul Predatsch / Bernd Schneidmüller (Hrsg.): Europa im Geflecht der Welt. Mittelalterliche Migrationen in globalen Bezügen (= Europa im Mittelalter 20), Berlin 2012 Wolfram Drews
Ricardo Roque / Kim A. Wagner (Hrsg.): Engaging Colonial Knowledge. Reading European Archives in World History (= Cambridge Imperial and Post-Colonial Studies Series), Basingstoke 2012 Nathanael Kuck
Lidia Guzy / Rainer Hatoum / Susan Kamel (Hrsg.): From Imperial Museum to Communication Centre? On the New Role of Museums as Mediators between Science and Non-Western Societies, Würzburg 2010 Ines Keske
Brendan Simms / David J. B. Trim (Hrsg.): Humanitarian Intervention. A History, Cambridge 2011 Adamantios Skordos
Jun Uchida: Brokers of Empire. Japanese Settler Colonialism in Korea, 1876–1945, Cambridge 2011 Klaus Dittrich
Jeffrey N. Wasserstrom: Global Shanghai, 1850–2010. A history in fragments, London 2009 Susanne Weigelin-Schwiedrzik
Martin J. Murray: City of Extremes. Th e Spatial Politics of Johannesburg (= Politics, History, and Culture), Durham 2011 Keith Beavon
Holger Impekoven: Die Alexander von Humboldt-Stiftung und das Ausländerstudium in Deutschland 1925–1945. Von der „geräuschlosen Propaganda“ zur Ausbildung der „geistigen Wehr“ des „Neuen Europa“ (= Internationale Beziehungen. Theorie und Geschichte, Buch 9), Bonn 2013 Claudia Baumann
Roger D. Marwick/Euridice Charon Cardona: Soviet Women on the Frontline in the Second World War, Basingstoke 2012 Robert Dale
Julia Siep: Nationalisierte Mütterlichkeit als Phänomen der Moderne. Frauenzeitschriften in Japan, Deutschland und Italien in den 1930er Jahren (= Forum Kulturwissenschaften 12), München 2011 Ruth Merz
Peter Feldbauer / Jean Paul Lehners / Bernd Hausberger (Hrsg.): Globalgeschichte. Die Welt 1000–2000, 8 Bde, Wien 2008–2011 Sebastian Conrad
Dominic Sachsenmaier: Global Perspectives on Global History. Theories and Approaches in a Connected World, Cambridge: Cambridge 2011 Robert Cole
Ulf Engel / Matthias Middell / Stefan Troebst (Hrsg.): Erinnerungskulturen in transnationaler Perspektive (= Transnationalisierung und Regionalisierung vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bd. 5), Leipzig 2012 Dietmar Rothermund
Petr Lozoviuk: Grenzland als Lebenswelt. Grenzkonstruktionen, Grenzwahrnehmungen und Grenzdiskurse in sächsisch-tschechischer Perspektive (= Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 41), Leipzig 2012 Fabian Möpert
Andreas Anter (Hrsg.): Wilhelm Hennis’ Politische Wissenschaft. Fragestellungen und Diagnosen, Tübingen 2013 Helmut Görlich
Peter Mörtenböck/Helge Mooshammer: Occupy. Räume des Protests (= X-Texte zur Kultur und Gesellschaft), Bielefeld 2012 Micha Fiedlschuster
Jamil Salmi: The challenge of establishing world-class universities, Washington, D. C. 2009 Kathleen Schlütter